Innsbrucker Astrophysiker Olaf Reimer am erstmaligen Nachweis beteiligt
Innsbruck (universität) - Mit den Gammastrahlen-Teleskopen H.E.S.S. wies eine internationale
Forschungsgruppe erstmals Hochenergie-Gammastrahlung aus dem Sternentstehungsgebiet einer Spiralgalaxie nach. Die
Wissenschaftler – unter ihnen Prof. Olaf Reimer von der Universität Innsbruck – berichten darüber heute
in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Science.
„Starburst“-Galaxien sind große Sternensysteme, in deren Zentrum Geburtstätten von zahlreichen massiven
Sternen liegen, die später als Supernovae explodieren. In den Überresten dieser Supernovae werden Teilchen
zu sehr hohen Energien beschleunigt. Mit den H.E.S.S.-Teleskopen konnte nun hochenergetische Gammastrahlung aus
einer solchen Galaxie (NGC 253) erstmals vermessen werden. „Es zeigte sich, dass diese Strahlung wie vorhergesagt
tatsächlich aus der Region höchster Supernova-Aktivität von NGC 253 stammt“, erklärt Prof.
Olaf Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck. „NGC 253 ist die am
südlichen Himmel in dieser Hinsicht interessanteste Galaxie. Im Gegensatz zu unserer Milchstraße hat
sie in ihrem Zentrum ein kleines Gebiet mit einer hohen Sternentstehungsrate, wie aus Beobachtungen im sichtbaren,
Infrarot- und Radiobereich bekannt ist.“
Schwächste bisher detektierte Quelle
Die in Überresten von Supernovaexplosionen extrem beschleunigten, geladenen Teilchen erzeugen in Reaktionen
mit dem umgebenden Medium oder Strahlungsfeldern hochenergetische Gammaquanten. Mit den H.E.S.S.-Teleskopen gelang
es nun, in insgesamt 119 Stunden Beobachtungszeit in den Jahren 2005 bis 2008 diese Strahlung nachzuweisen. Die
Quelle der Gammastrahlung bei Energien oberhalb von 220 GeV liegt im optischen Zentrum von NGC 253 und erscheint
für H.E.S.S. punktförmig. „Es handelt sich um die schwächste bisher detektierte Quelle im sehr hochenergetischen
Gammastrahlungsbereich“, zeigt sich auch der Astroteilchenphysiker Olaf Reimer begeistert. Der gemessene Gammastrahlungsfluss
bedeutet eine Dichte der kosmischen Teilchenstrahlung im Sternentstehungsgebiet von NGC 253, die über tausendmal
größer ist als im Zentrum der Milchstraße. Außerdem ist aufgrund der hohen Gasdichte die
Umwandlung von Teilchenstrahlung in Gammastrahlung um etwa eine Größenordnung effizienter. Dementsprechend
ist das zentrale Sternentstehungsgebiet von NGC 253 im Gammalicht etwa fünfmal so hell wie die gesamte restliche
Galaxie.
Kosmische Gammastrahlung im Visier
Die vier H.E.S.S.-Teleskope mit je 107 Quadratmeter Spiegelfläche stehen in Namibia im südlichen
Afrika und beobachten schwache bläuliche und extrem kurze Lichtblitze (Tscherenkow-Licht). Diese werden von
den Teilchenschauern ausgesandt, die entstehen, wenn hochenergetische Gammaquanten in der Erdatmosphäre mit
Molekülen kollidieren. H.E.S.S. ist seit Anfang 2004 in Betrieb und hat seitdem schon zu zahlreichen wichtigen
Entdeckungen geführt, beispielsweise dem ersten astronomischen Bild eines Supernova-Überrestes in hochenergetischer
Gammastrahlung und dem Nachweis von Galaxien mit aktiven Kernen im Gammalicht. Das derzeit in Bau befindliche fünfte,
wesentlich größere Teleskop wird die Empfindlichkeit des Systems deutlich verbessern und den beobachtbaren
Energiebereich ausdehnen. Die H.E.S.S.-Kollaboration besteht aus mehr als 150 Forscherinnen und Forscher aus Deutschland,
Frankreich, Großbritannien, Polen, Tschechien, Irland, Österreich, Schweden, Armenien, Südafrika
und Namibia.
Innsbruck nun dabei
Die Bezeichnung H.E.S.S. wurde übrigens nicht zuletzt auch zu Ehren von Viktor Franz Hess gewählt,
der als erster Wissenschaftler die kosmische Strahlung nachgewiesen hat und dafür 1936 mit dem Nobelpreis
für Physik ausgezeichnet wurde. Hess war von 1931 bis 1937 Professor an der Universität Innsbruck und
hat hier wegweisende Arbeiten zur Höhenstrahlung durchgeführt. Auf seine Initiative geht auch die Errichtung
der Messstation am Hafelekar zur Beobachtung der kosmischen Strahlung zurück.
Olaf Reimer ist seit März 2009 Professor für Astroteilchenphysik an der Universität Innsbruck. Zuletzt
war er am Kavli Institute for Particle Astrophysics and Cosmology der Stanford University tätig. Nach seiner
Berufung wurde das Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck im Mai 2009 in das
H.E.S.S.-Konsortium aufgenommen, in dem Reimer schon seit 2001 mitarbeitet. Somit können nun auch die Innsbrucker
Astroteilchenphysikerinnen und -physiker diese international erfolgreiche Forschungseinrichtung aktiv nutzen. |