Wien: Kirche gewinnt den Stephansplatz zurück   

erstellt am
24. 09. 09

Das Fest "Paulus in Wien" löste große Aufmerksamkeit aus - "Kathpress"-Reportage von Alexander Reiser und Ursula Unterberger =
Wien (pew) - Behutsam, aber ausdauernd gewinnt die Kirche den Wiener Stephansplatz zurück. Beim Fest "Paulus in Wien" war die Bühne vor der Eligiuskapelle am letzten Samstag ein Anziehungspunkt für Passanten aller Art: Wienerinnen und Wiener, Touristen aus aller Herren Länder, "fromme Seelen" und Leute, die sich wunderten, dass an diesem sonnigen Spätsommertag in Wien der Apostel Paulus - vulgo der "Völkerapostel - im Mittelpunkt stand, waren versammelt. Vom launigen "Interview mit dem Apostel Paulus" über das Musical der "Kisi Kids" bis zum Konzert der christlichen Rock-Band "Cardiac Move" reichte das Angebot. Der Leiter des Pastoralamts der Erzdiözese Wien, Michael Scharf, brachte die Situation auf den Begriff: "Der Platz um den Stephansdom ist das Wohnzimmer der Österreicher".

Und das schon seit geraumer Zeit: Spätestens seit der "Wiener Stadtmission" (2003) ist der Platz um den Dom - zugleich ein Symbol Österreichs - wieder zunehmend "kirchlich besetzt". Wo sonst der "Hof der Wunder" wie im Paris des 17./18. Jahrhunderts - mit "Gauklern" aller Art - stattfindet, war am Samstag "Frommes" zu hören und zu sehen. Die Botschaft war sichtlich für viele Leute interessant: Das Christentum bietet weder "Rezepte noch Vorschriften", sondern eine "Freundschaft" - die Freundschaft mit Jesus Christus, in dem Gott Mensch geworden ist, hieß es auf der Bühne.

"Paulus, der Völkerapostel" war etwa das Motto des Schulwettbewerbs, den das Schulamt und das Pastoralamt der Erzdiözese Wien ausgerufen hatten. Mehr als 30 Klassen nahmen an dem Wettbewerb teil. Auf der Hauptbühne auf dem Stephansplatz überreichte Kardinal Christoph Schönborn den Siegerklassen ihre Preise. Gott sei Dank sei Österreich ein Land mit flächendeckendem Religionsunterreicht, betonte der Wiener Erzbischof vor der Preisverleihung. Die Schülerinnen und Schüler hatten ganz unterschiedliche Zugänge zum Thema "Paulus" gefunden. Eine der Siegerklassen gab Paulus einen eigenen Webauftritt, andere produzierten ein Video. Auch musikalische Beiträge wurden gekürt: der "Paulus-Song", den die Schüler live auf der Bühne sangen und der "Paulus-Rap".

"Paulus von heute"
Auf der Bühne begeisterte auch die Gruppe "Longfield Gospel". Mit neuen Kreationen, die klassischen Gospel-Sound mit Film- Soundtracks zusammenbringen. Chorleiter Georg Weilguny: "Wir sind ein wenig wie Paulus, auch wir gehen neue Wege". Später war es die christliche Rockband "Cardiac Move", die begeisterte. Durch die Teilnahme und den Sieg beim Bandwettbewerb "Soundcheck" von Ö 3 wurde die Band 2008 bekannt. Die Gruppe formierte sich 2002 in Salzburg unter dem Namen "Lemonhead". Später erfolgte die Umbenennung auf "Cardiac Move". Die Band steht bei "Sony Music" unter Vertrag, wo ihre erste Single "Running in Your Mind" veröffentlicht wurde.

Im Laufe des Tages wurden immer wieder Gäste auf die Bühne gebeten, die von ihren Erlebnissen unter dem Motto "Paulus von heute" erzählten - als "Missionare", aber auch in der Bewältigung von Leid oder auf dem "Areopag" von heute, wo es darum geht, den Suchenden Frage und Antwort zu stehen. Einer dieser "Zeugen", Bernhard Ruf, heute Domkurat am Stephansdom, war 24 Jahre in Ecuador tätig. Um das tun zu können, müsse man von Jesus begeistert sein, sagte er. Die Zeit in Ecuador sei die schönste in seinem Leben gewesen. Im Gespräch mit "Kathpress" erzählte er von den Unterschieden zwischen Ecuador und Österreich: "Die Menschen in Ecuador sind offener und lebensfroher, aber das Fest 'Paulus in Wien' ist ein Zeichen, dass in Österreich die Kirche lebendig und präsent ist". Auch die pensionierte OP-Schwester Maria Neustifter wurde auf die Bühne gebeten. In ihrem Dekanat Mistelbach-Pirawarth stellten sich die Gemeindemitglieder die Frage: Wohin würde Paulus heute gehen? Der Weg führte sie auf die Großbaustelle der A 5, wo sie mit den Bauarbeitern den Kontakt suchten. "Wie Paulus auf seinen Reisen, kommunizierten wir mit den Arbeitern mit Händen und Füßen", so Maria Neustifter.

Bei den "Workshops" zum "Paulus-Tag" wurde deutlich, dass vieles aus der Geschichte des Paulus auch heute Gültigkeit hat. Erstaunt reagierten die "Workshop"-Teilnehmer, als Jutta Henner, die Leiterin der evangelischen Bibelgesellschaft, berichtete: "In Wien werden 148 Sprachen gesprochen". Mit der Fülle an Kulturen geht die Fülle an Religionen Hand in Hand. Aber so wie Paulus müsse man offen für Begegnung sein. Im Gespräch erklärte Jutta Henner, dass das Fest auf dem Stephansplatz ganz im Sinne von Paulus stehen würde: "Gleich wie Paulus auf dem Marktplatz an die Öffentlichkeit gegangen ist, tut es heute die Erzdiözese Wien. Das Christentum ist eine Religion für alle".

"Paulus"-Musical der Kinder
Für Michael Scharf ist die Botschaft des Evangeliums heute mit vielen Adverbien behaftet: "Christsein ist cool, lebendig, interessant, spannend und lässig". Seine Adverbien wurden greifbar, als 170 Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Musical "Paulus" von der Gemeinde in Philippi und dem Völkerapostel erzählten. Das Musical der "Kisi Kids", geschrieben von Birgitt Minichmayr, begeisterte die Zuseher; einige ließen sich zum Mittanzen und Mitsingen hinreißen.

Nach der letzten gesungenen Note wurde den "Kisikids" ein Wunsch erfüllt: Ein Foto von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und in deren Mitte Kardinal Christoph Schönborn. Für Kardinal Schönborn war das Fest ein schöner Erfolg: "Den ganzen Tag war der Stephansplatz mit Menschen gefüllt, die mitfeiern und mitleben wollten". In diesem Jahr hätten viele Menschen Paulus, den leidenschaftlichen und faszinierenden Verkünder des Evangeliums, neu entdeckt.

Gerade am Samstag - dem jüdischen Neujahrsfest - wollte Kardinal Schönborn an die jüdische Wurzel des Paulus erinnern. Er forderte die Zuhörerinnen und Zuhörer zu einem Applaus für die jüdischen Mitbürger auf, die ihr Neujahrsfest feiern. Der Applaus war herzlich und überströmend.

Diskret, aber unübersehbar war der Wiener Erzbischof beim Fest "Paulus in Wien" präsent. Sein Wort zeigte den Anwesenden, dass das stimmt, was im "Interview mit dem Apostel Paulus" auf der Bühne gesagt wurde: "Gott hat mit uns mehr vor als eine schöne Leich'".
     
Informationen: http://stephanscom.at    
     
zurück