Dank der Analyse der genetischen Variation konnte ein Rätsel der
Pflanzenentwicklungsgenetik gelöst werden.
Wien (boku) - Ähnlich wie bei Mensch und Tier sind Pflanzen mehr oder weniger dicht behaart.
So entwickeln sich z.B. an den Wurzeln Haare, die für die enge Interaktion mit dem Boden, deren Mikroorganismen
(Rhizosphäre) und für die Mineralstoffaufnahme der Pflanzen verantwortlich sind. Die Blatthaare werden
als Trichome bezeichnet und dienen oft als taxonomisches Merkmal, da die Anwesenheit, Dichte bzw. deren Form zwischen
Arten stark variieren kann.
Während Schädlinge bei Mensch und Tier sich oft in einer dichten Haartracht verstecken, konnte man bei
der Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) zeigen, dass eine erhöhte Trichomdichte mit geringerem
Schädlingsbefall korreliert. Kurz gesagt: Auf haarigen Blättern können weniger Insektengelege beobachtet
werden und es kommt zu geringeren Fraßschäden. Eine weitere positive Korrelation zwischen erhöhter
Überlebensfähigkeit und Blatthaaren wird auf Grund ihres Schutzes gegenüber erhöhter Transpiration
und UV-Strahlung vermutet. So sind viele Pflanzen in extremen Lagen wie Gebirge, Wüsten und Steppen stark
behaart. Aus diesen Gründen wird die Trichomdichte als Eigenschaft gesehen, die das Überleben von Pflanzen
bei bestimmten Umweltbedingungen erleichtert.
Das Team rund um BOKU-Wissenschafterin Marie-Theres Hauser besann sich auf die Tugenden der quantitativen Genetik.
Statt klassischer Mutationsanalysen benutzten die ForscherInnen in Zusammenarbeit mit dem Populationsgenetiker
C. Schlötterer was „Mutter Natur“ hervorgebracht hat - Pflanzen mit vielen und wenigen Trichomen. Mittels
einer „quantitative trait loci (QTL)“ Analyse und Gensequenzvergleichen von 35 Arabidopsis-Ökotypen mit unterschiedlicher
Behaarungsdichte gelang es, das verantwortliche Gen zu finden.
Die Ergebnisse bringen einen neuen Blickwinkel in die hitzige Diskussion über die Bedeutung von funktionellen
Veränderungen in regulatorischen versus kodierenden Genabschnitten. Der für die Dichte der Blatthaare
verantwortliche Unterschied betrifft nämlich nur eine Aminosäure im kodierenden Bereich, die auf einen
bisher unbeachteten Regulationsmechanismus hinweist. Der Vergleich mit verwandten Genen, die teilweise überlappende
(pleiotrope) Funktionen im Blatt (Blatthaare), in der Wurzel (Wurzelhaare) und Samen (Schleimbildung und Pigmentierung)
haben, zeigte, dass anscheinend zur „Spielwiese der Evolution“ dasjenige Gen herangezogen wurde, das nur im Blatt
aktiv ist - also eine geringe Pleotropie besitzt, da es keine anderen Entwicklungsvorgänge reguliert. Warum
ist den vielen PflanzenentwicklungsgenetikerInnen dieser Mechanismus entgangen? Sie arbeiteten mit Mutanten, bei
denen das Gen komplett inaktiviert wurde.
Diese Erfolgsgeschichte ist ein gutes Beispiel von interdisziplinärer Forschung und zeigt eindrucksvoll, dass
die funktionelle Genetik von der Populationsgenetik enorm profitieren kann. Die Zusammenarbeit von ForscherInnen
der BOKU und Veterinärmedizinischen Universität wurde durch den FWF (Fonds für die Wissenschaftliche
Forschung) und ein BOKU-Graduiertenforschungsstipendium ermöglicht. Die Arbeit wird in Current Biology veröffentlicht,
ist ab 8. Oktober 2009 online und am 3. November 2009 in Print.
Referenz
Julia Hilscher, Christian Schlötterer & Marie-Theres Hauser (2009) A single amino acid replacement in
ETC2 acts as major modifier of trichome patterning in natural Arabidopsis populations. Current Biology 19, 1-5
(Published online: October 8, 2009)
Hauser M-T, Harr B, Schlötterer C (2001) Trichome distribution in Arabidopsis thaliana and the close relative
Arabidopsis lyrata: molecular analysis of the candidate gene GLABROUS1. Mol. Biol. Evol. 18, 1754-1763 |