Junger Physiker der Technischen Universität (TU) Wien entwickelt mit KollegInnen einen Mechanismus
zur Erzeugung von Lichtpulsen im Yoctosekunden-Bereich.
Wien (tu) - Der Weltrekord für die Erzeugung der kürzesten Lichtpulse könnte schon
bald dramatisch unterboten werden: Der Physiker Andreas Ipp von der Technischen Universität (TU) Wien und
seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Nuklearphysik in Heidelberg schlagen eine Methode vor, millionenfach
kürzere Lichtblitze zu erzeugen als das bisher möglich war. Damit könnte man die Tür zu völlig
neuen physikalischen Experimenten aufstoßen. Gelingen soll das mit Hilfe eines Quark-Gluon-Plasmas, eines
ultraheißen Materiezustandes, wie er in unserem Universum Sekundenbruchteile nach dem Urknall geherrscht
hat. Vorgestellt wird diese neue Methode im Fachmagazin Physical Review Letters (Andreas Ipp, Christoph H. Keitel,
Jörg Evers).
Die kürzesten Blitze aus der größten Hitze
Die Erzeugung immer kürzerer Lichtpulse ist für die moderne Atom- und Molekülphysik von
großer Bedeutung. Nur durch ultrakurze Lichtblitze kann man quantenphysikalische Phänomene studieren,
die so schnell ablaufen, dass sie für jede andere Untersuchungsmethode unsichtbar bleiben. Bisher wurden die
kürzesten Lichtpulse erzeugt, indem man Atome mit Laserstrahlen beschoss, deren Energie in Form kurzer Lichtblitze
wieder abgegeben wurden. Die nun vorgeschlagene Methode geht völlig andere Wege: „Lässt man schwere Ionen
beinahe mit Lichtgeschwindigkeit kollidieren, bilden sie für einen winzigen Sekundenbruchteil ein Quark-Gluon-Plasma,
das als Lichtquelle für ultrakurze Pulse dienen kann“, erklärt Andreas Ipp vom Institut für Theoretische
Physik der TU Wien. In einem Quark-Gluon-Plasma, dem Zustand, in dem sich die Materie kurz nach dem Urknall befand,
ist die Temperatur so hoch, dass selbst Protonen und Neutronen in ihre Bestandteile "aufgeschmolzen"
werden. Die winzigsten Bauteile der Materie – Quarks und Gluonen – bewegen sich dann wirr durcheinander. Heute
kann dieser Materiezustand in großen Beschleunigeranlagen, etwa am CERN, experimentell hergestellt werden.
Yoctosekunden – Milliardstel eines Milliardstels einer Millionstelsekunde
Während der extrem kurzen Zeit, in dem sich die Ionen bei der Kollision im Quark-Gluon-Plasma-Zustand befinden,
können sie Lichtteilchen aussenden. Die Blitze, die dabei entstehen, dauern nur einige Yoctosekunden (10-24
Sekunden) lang. Das ist etwa die Zeit, die das Licht benötigt, um einen Atomkern zu durchqueren. Solche Zeitskalen
sind mit menschlichen Maßstäben kaum zu beschreiben: Die Länge des Pulses verhält sich zu
einer Tausendstelsekunde etwa so wie eine Tausendstelsekunde zum Alter des Universums. Die Lichtpulse sind zwar
nicht besonders energiereich, aber weil sie alle ihre Energie in einem einzigen winzigen Augenblick abgeben, erreichen
sie in dieser kurzen Zeit eine Leistung von mehreren Terawatt – vergleichbar mit der Leistung aller Kraftwerke
der Erde zusammengenommen.
Zusammenstoß im Computer
Die WissenschafterInnen simulierten den zeitlichen Ablauf eines Ionenzusammenstoßes und der damit verbundenen
Lichtpulse am Computer. „Besonders interessant ist, dass das Quark-Gluon-Plasma nicht in jeder Phase der Kollision
in die selben Richtungen abstrahlt“, betont Andreas Ipp. Zu Beginn und am Ende der Kollision leuchtet das Quark-Gluon-Plasma
überall hin – doch dazwischen wird Licht fast nur im rechten Winkel zur Stoßrichtung abgestrahlt. Direkt
in Stoßrichtung sendet das Quark-Gluon-Plasma also hauptsächlich am Anfang und am Ende des Zusammenstoßes
Strahlung aus – ein Doppelpuls entsteht. Durch geeignete Wahl der Stoßrichtung und der Stoßgeschwindigkeit
sind diese Doppelpulse im Prinzip steuerbar. „Vielleicht gelingt es eines Tages, mit solchen kontrollierten Yoctosekunden-Doppelpulsen
das erste Zeitlupenvideo von Prozessen innerhalb von Atomkernen zu filmen“ hofft Andreas Ipp.
Dr. Andreas Ipp
Andreas Ipp hat an der TU Wien Technische Physik studiert und dort 2004 das Doktorat erlangt. Von 2004
bis 2006 war er am ECT Trento, Italien als Forscher tätig, und von 2006 bis 2009 am Max Planck Institut für
Kernphysik in Heidelberg, wo er gemeinsam mit KollegInnen seine Berechnungen über Yoctosekundenpulse durchführte.
Seit 1. Oktober 2009 ist er wieder am das Institut für Theoretische Physik an der TU Wien tätig. |