Bozen (lpa) - Walter Obwexer, Professor am Institut für Europa- und Völkerrecht der Uni Innsbruck,
sowie Roberto Toniatti, Professor für öffentliches Recht an der Uni Trient, haben am 13.10. ihre Gutachten
zu den Inhalten jener Gesetzentwürfe vorgestellt, die am 25.10. den Bürgern zur Abstimmung vorgelegt
werden. Sie haben dabei EU-rechtliche und verfassungsmäßige Bedenken geäußert.
"Wir haben eine Reihe von Anfragen zur Rechtmäßigkeit der Inhalte jener Gesetzentwürfe bekommen,
die zur Abstimmung stehen, und wollten uns bei unseren Antworten nicht auf unsere persönlichen Meinungen,
sondern auf jene von ausgewiesenen Experten stützen", so Landeshauptmann Luis Durnwalder heute zum Beweggrund
der Landesregierung, die beiden Gutachten in Auftrag zu geben. Er habe, so betonte der Landeshauptmann, keinen
Kontakt zu den beiden Gutachtern gehabt, um diese in ihrer Arbeit nicht zu beeinflussen, "auch wenn ich sicher
bin, dass die beiden Professoren ohnehin nichts anderes gemacht hätten - und haben - als ihre professionelle
Meinung zu äußern", so Durnwalder, der heute auch noch einmal klargestellt hat: "Gutachten
hin oder her: Die Volksabstimmungen am 25. Oktober finden selbstverständlich statt, aber die Bürger sollten
über die Rechtmäßigkeit der Inhalte Bescheid wissen."
Professor Obwexer hatte die Aufgabe übernommen, die Inhalte der zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfe
mit dem Blick auf das EU-Recht zu begutachten. Er kam dabei zum Schluss, dass die Volksabstimmung zur Wohnbauförderung
"in zentralen Punkten eindeutig gegen EU-Recht verstößt". Schon die Begründung des Gesetzes
- der "Vorrang für Einheimische" in der Wohnbauförderung - widerspreche dem Anspruch auf Gleichbehandlung
aller EU-Bürger. Zudem stehe dieser Anspruch auf Gleichbehandlung auch Bürgern von Drittstaaten zu, solange
es um den Anspruch auf soziale Kernleistungen gehe. "Diese Kernleistungen sind zwar nicht näher definiert,
man kann aber wohl davon ausgehen, dass auch der Anspruch auf Mietgeld oder eine soziale Mietwohnung dazu gehören",
so Obwexer. Der Anspruch auf Gleichbehandlung dürfe im Übrigen nur eingeschränkt werden, wenn höher
zu bewertende Gründe dies rechtfertigten. Obwexer nannte etwa den Minderheitenschutz als mögliche Begründung.
Um die Abwägung zwischen den Rechten geht es auch bei der Begutachtung des zweiten vorgelegten Gesetzentwurfs,
mit dem die "Freizeitwohnsitze" neu geregelt werden sollen. Es gebe, so Obwexer, durchaus die Möglichkeit,
eine strenge Regelung von Zweitwohnsitzen vorzusehen, wenn es um den Schutz der knappen Ressource Grund und Boden,
den Landschaftsschutz oder die Verhinderung von Zersiedelung gehe. Der vorgelegte Gesetzentwurf sehe aber eine
Ungleichbehandlung von Ansässigen und Nicht-Ansässigen beim Erwerb oder der Errichtung von Zweitwohnsitzen
vor, was EU-widrig sei, weil es einer Diskriminierung gleichkomme. Zudem sei dieser Eingriff in den freien Kapitalverkehr
nicht durch oben genannte Gründe gerechtfertigt, nachdem die Einschränkung für Ansässige nicht
gelte. Auch dieser Entwurf sei demnach in wichtigen Punkten EU-widrig, so Obwexer.
Aufgrund der EU-Widrigkeit, so das Fazit des Innsbrucker Professors, dürften die beiden Gesetzentwürfe
auch bei einem positiven Ausgang der Volksabstimmungen nicht in Kraft treten. Sollten sie dies tun, dürften
sie nicht von den Institutionen angewandt werden und zudem sei das Land verpflichtet, sie durch eine EU-konforme
Regelung zu ersetzen. "Ansonsten drohen ein Vertragsverletzungsverfahren und mitunter hohe Geldstrafen",
so Obwexer.
Während der Innsbrucker Jurist aus EU-rechtlicher Sicht keine Einwände gegen die beiden Gesetzentwürfe
zur Direkten Demokratie sowie zur Einschränkung des Flugverkehrs erhebt, verstoßen diese für den
Verfassungsrechtler Toniatti gegen die Verfassung. Satzungsgesetze zu erlassen, so sein Argument in Sachen Direkte
Demokratie, also vor allem die Regelung der Wahlen von Landtag und Landeshauptmann sowie der Instrumente der Direkten
Demokratie, sei einzig und allein Aufgabe des Landtags. Und auch dort seien höhere Hürden in Gestalt
qualifizierter Mehrheiten vorgesehen, als sie für die Verabschiedung "normaler" Landesgesetze gelten.
Mit der Verabschiedung eines Satzungsgesetzes per Volksabstimmung würde damit gegen eine Regelung im Verfassungsrang
verstoßen.
Zwei verfassungsrechtliche Einwände brachte Toniatti heute schließlich auch gegen den zur Abstimmung
vorgelegten Entwurf zum Flugverkehr vor. Der vorgelegte Entwurf sei weniger der eines Gesetzes als vielmehr einer
für eine umfassende, sehr allgemein gehaltene Richtlinie, die die Tätigkeit von Landtag und Landesregierung
im Mobilitätsbereich über die Maßen einschränke. Nachdem Volksabstimmungen aber nur über
konkrete Gesetzesvorhaben zulässig seien, sprenge dieser Entwurf den Rahmen der Instrumente der Direkten Demokratie.
Noch dazu sei die Regelung zu allgemein gehalten, um als Gesetz umgesetzt werden zu können. Darin sei etwa
von einem Verzicht auf alle Instrumente der Förderung des Flugverkehrs die Rede, ohne allerdings einen zeitlichen
oder inhaltlichen Rahmen dafür abzustecken, so Toniatti. |