Debatte über "Transferkonto"  

erstellt am
23 10. 09

Faymann: Einsparungen auf Kosten der Schwächsten kommen nicht in Frage
Transferkonto führt ausschließlich zu Neiddebatte und höheren Verwaltungskosten
Wien (sk) - "Ein Transferkonto einzurichten, heißt, ein Neidkonto einzurichten. Doch wir setzen uns gegen eine Neiddebatte und gegen jede Art von Sozialabbau zur Wehr", betonte Bundeskanzler Werner Faymann am 22.10. in der Beantwortung des Dringlichen Antrags zur Umsetzung eines Transferkontos von BZÖ-Obmann Bucher im Nationalrat. "Was alles zu den zu dokumentierenden Transferleistungen gehört und wie ein solches Konto genau aussehen soll, wurde nicht definiert, hier wurde um den heißen Brei geredet. Der Grund liegt auf der Hand: Es soll ein Neidkonto werden und eine Neiddebatte entfachen", so Faymann.

"Die Wirtschaftskrise und ihre Folgen verursachen Kosten und belasten den öffentlichen Haushalt. Es kommt aber nicht in Frage, dass wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder die Schwächsten in unserer Gesellschaft zur Kasse bitten, sie werden diese Rechnung nicht bezahlen", betonte der Bundeskanzler. Die geeigneten Maßnahmen zur Begleichung dieser Kosten seien unter anderem die Verwaltungsreform, die drei Mrd. Euro einbringe, außerdem wirtschaftliches Wachstum durch Konjunkturförderung, und - auf europäischer Ebene - auch eine Europäische Finanztransaktionssteuer und das Ende der Spekulationsfrist bei Aktiengeschäften. "Ein Transferkonto hingegen wäre ein schlechter Beitrag, denn alle Zuschüsse, Beihilfen und Kulturförderungen zu dokumentieren und zu verwalten stünde einer Verwaltungsvereinfachung entgegen", kritisierte Faymann auch den Kostenfaktor eines Transferkontos.

"Die Sozialdemokratie setzt sich für Steuergerechtigkeit ein. Wer den konsequenten Abbau von Sozialleistungen vorantreibt, hat mit unserer entschiedenen Gegnerschaft zu rechnen", so der Bundeskanzler abschließend.

 

Pröll: Umsetzung des Transferkontos notwendig
Transferkonto für mehr Transparenz und Gerechtigkeit
Wien (övp-pd) - Im Interview mit dem "Wirtschaftsblatt" erklärt Finanzminister Josef Pröll, warum seine Idee eines Transferkontos notwendig ist, um mehr Transparenz und Gerechtigkeit zu schaffen. Pröll nennt die wichtigsten Punkte seiner bisherigen Tätigkeit als Finanzminister. So wurden zwei Konjunkturpakete und eine Steuerreform, die drei Millarden Euro an Steuererleichterungen gebracht hat, umgesetzt. Mit der Reform des Bankgeheimnisses wurde der Standort Österreich an die internationalen OECD-Richtlinien angepasst. Das Bankgeheimnis wurde abgeschlankt und bewegungsfähiger, ein massiver Schritt in Richtung Steuertransparenz wurde gemacht und und ein stärkerer Informationsfluss für Ausländer geschaffen. Nicht zuletzt wurden die Beamten des Ministeriums erfolgreich neu motiviert.

Transferkonto für mehr Transparenz und Gerechtigkeit
Zu seiner Forderung nach einem Transferkonto erklärt Pröll: "Es braucht Transparenz, Gerechtigkeit, eine klare Übersicht der öffentlichen Transferzahlungen an alle - quer über die Gebietskörperschaften, Bund und Länder hinweg." Es geht darum, klare statistische Daten zu erhalten, um endlich ein aussagekräftiges Bild über die Verteilung in Österreich zu erhalten. Es geht nicht darum, diese Daten öffentlich zugänglich zu machen.

700 Millionen Euro Mehrkosten nicht einfach akzeptieren
Für den Finanzminister ist klar, dass das effektive Pensionsantrittsalter erhöht werden muss. Hier hat auch die Hacklerregelung eine negative Auswirkung, die zudem erhebliche finanzielle Mehrkosten verursacht. Pröll: "Ich kann 700 Millionen Euro Mehrkosten nicht einfach so akzeptieren. Dieses Geld könnten wir gut für Bildung und Forschung und Entwicklung gebrauchen."

Alles dafür tun, Aufschwung ab 2011/2012 einzuleiten
Zur wirtschaftlichen Entwicklung gibt Pröll an, dass er für 2010 noch mit einer sehr flachen Entwicklung des Wachstums rechnet. Für Pröll muss indes alles dafür getan werdenj, um den Aufschwung ab 2011/2012 einzuleiten.

Weiters will Pröll rechtliche Rahmenbedingungen sowie logische und personelle Maßnahmen, um einen Finanzmarktaufsicht mit einem stärkeren Biss zu bekommen.

 

Bucher: Österreich braucht ein leistungsförderndes Steuersystem statt sozialistische Almosen
BZÖ beantragt Transferkonto für weniger Verwaltung und Bürokratie
Wien (bzö) - "Der Ideenreichtum dieser rot-schwarzen Bundesregierung ist offenbar so schmal, dass das Wort Transferkonto des Schattenkanzlers Josef Pröll koalitionsintern für große Aufregung sorgt. Das BZÖ hat daher heute einen Dringlichen Antrag mit einem leicht verdaulichen Formulierungstext eingebracht, der vorsieht, dieses Transferkonto einzurichten", begründete BZÖ-Chef Klubobmann Josef Bucher.

Bucher verwies in diesem Zusammenhang auf eine Studie der Joanneum Research, wonach drei Familien mit einem Bruttohaushaltseinkommen von 950 Euro bis 3.900 Euro über ein ähnliches Familiennettoeinkommen verfügen. "Wir haben ein sozialistisches Steuersystem, das Österreich nicht zukunftsfähig macht und das Land im internationalen Wettbewerb zurückwerfen wird."

Der BZÖ-Chef warnte vor der dramatischen Schuldenentwicklung. "Im Jahr 2013 wird Österreich 240 Milliarden Schulden haben, inklusive der ausgegliederten ÖBB und der ASFINAG sogar 280 Milliarden. Wenn die Regierung der nächsten Generation nicht die ganze Schuldenlast aufbürden und alle Spielräume wegnehmen will, muss sie endlich handeln. Wir wollen keine Sozialleitungen schmälern, sondern Transparenz herstellen", so Bucher, der eine Schuldenbremse forderte. Bucher kritisierte die skandalösen Spekulationen sowie das "Herumschmeißen" von SPÖ und ÖVP mit dem Steuergeld und mahnte eine sofortige Verwaltungsreform ein. "Wir haben in Österreich eine Regulierungswut und einen Verwaltungsaufwand, der nicht mehr finanzierbar ist. Bis heute ist SPÖ-Bundeskanzler Faymann den Empfehlungen des Rechnungshofes nicht nachgekommen und hat in einem Jahr keine einzige Maßnahme umgesetzt. Stattdessen druckt die rot-schwarze Regierung Eigenlob-Broschüren, die die Bürger nicht entlasten sondern viel Geld kosten", sagte der BZÖ-Obmann. Man müsse endlich darüber nachdenken, ob ein kleines Land wie Österreich einen derart großen Apparat mit 183 Nationalratsabgeordneten, dem Bundesrat, neun Landtagen oder den vielen Landesschulräte überhaupt brauche. "Die SPÖ entpuppt sich immer mehr als Begleitpartei der ÖVP und traut sich nicht einmal mehr Vorschläge zu machen, weil gleich darauf der Rückzug folgt. Fangen Sie endlich an, bei der ÖBB Ordnung zu machen, bei der einige Mitarbeiter glauben, ein "Anrecht" auf Krankenstandstage zu haben und durchschnittlich mit 52 Jahren in Pension gehen", so Bucher in Richtung des Bundeskanzlers. Faymann lasse bei der Nationalbank eine Durchschnittspension von 70.000 Euro zu, habe bei der ÖIAG nichts weitergebracht und auch bei der angekündigten Finanzspekulationssteuer kein Ergebnis erreicht. "Stattdessen fällt die SPÖ bei der Hacklerregelung um, die für die Fleißigen und Tüchtigen geschaffen wurde."

Bucher verlangte die Umsetzung eines leistungsfördernden Steuersystems für diejenigen Menschen, die arbeiten und eine Leistung erbringen. "Die Steuerlast von 42 Prozent ist viel zu hoch. Wir wollen ein Transferkonto und eine soziale Flat Tax mit einem Freibetrag von 11.000 Euro, die die kleineren und mittleren Einkommensbezieher entlastet und die höheren etwas stärker zur Kasse bittet. Die SPÖ hat hingegen ein Steuersystem, das den Menschen das Geld aus der Tasche zieht und es über eine Umverteilung als Almosen wieder zurückgibt."

Zukünftig soll es nur mehr eine Eintreibungs- und Auszahlungsstelle, nämlich das Finanzamt, geben, um Sozialmissbrauch zu verhindern und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. "Österreich brauch ein Transferkonto, eine soziale Flat Tax, einen schlanken Staat und gerechtes Steuersystem", betonte der BZÖ-Obmann.

 

 Schwentner: Kindergeld benachteiligt Unternehmerinnen
Grüne fordern Erhöhung des Wochengeldes für Selbständige
Wien (grüne) - Landauf landab wird über die Forderung von Finanzminister Pröll nach einem "Transferkonto" und mehr Transparenz bei den Sozialleistungen diskutiert. "Gleichzeitig führt die ÖVP eine neue Regelung ein, die eine massive Ungleichbehandlung darstellt. Vermögende müssen ihre Kapitaleinkünfte bei der Berechnung der Zuverdienstgrenze des Kinderbetreuungsgeldes in Zukunft nicht mehr offenlegen. Damit werden wieder einmal Erwerbseinkommen gegenüber Kapitaleinkünften massiv benachteiligt", so die Frauensprecherin der Grünen, Judith Schwentner.

FinanzrechtsexpertInnen haben bereits massive Bedenken geäußert und befürchten, dass diese Neuregelung verfassungsrechtlich nicht haltbar sein wird. "Jene, die ihr Unternehmen als Kapitalgesellschaft führen, bekommen das Kinderbetreuungsgeld, ganz egal wie hoch der Gewinn ihres Unternehmens ausfällt. Anders ist das bei den Einzelunternehmerinnen. Hier wird der gesamte Unternehmensgewinn voll auf die Zuverdienstgrenze angerechnet. Das ist eine absolut inakzeptable Regelung, die vor allem Vermögende begünstigt", so Schwentner.

Handlungsbedarf gibt es auch beim Wochengeld für Selbständige. Im Gegensatz zu unselbständig Erwerbstätigen, die 100 Prozent ihres Einkommens weiter erhalten, bekommen Selbständige nur rund 770 Euro monatlich, von denen sie dann noch ihre Sozialversicherungsbeiträge abziehen müssen. "Das Wochengeld für Selbständige ist keine existenzsichernde Leistung. Auch für Unternehmerinnen braucht es eine Wochengeldleistung, die einen tatsächlichen Einkommensersatz darstellt, zumindest jedoch 1.000 Euro monatlich. Denn Kinder dürfen auch für Selbständige nicht zur Existenzbedrohung werden", so Schwentner. Daher bringen die Grünen heute im Parlament einen Antrag auf Erhöhung des Wochengeldes für selbständig tätige Frauen ein.

 

 Foglar: Transferkonto - Sozialabbau ist der wahre Hintergrund!
Bedenkliche Wendung in Diskussion über Krisenbewältigung
Wien (ögb) - "Diese Diskussion ist Strategie und soll von der wahren Schieflage im Steuersystem ablenken", sagt ÖGB-Präsident Erich Foglar zur Debatte über die sozialen Sicherungssysteme, die von VertreterInnen der ÖVP und der Wirtschaft nun massiv geführt wird. "Wir brauchen kein Transferkonto, wir brauchen soziale Sicherheit, Vermeidung von Armut, Verlässlichkeit im Pensionssystem, höhere vermögensbezogene Steuern und eine Entlastung der Arbeit." Den Menschen aufzulisten, wie viel Staatsgeld sie ?verbrauchen?, nennt Foglar "eine unnötigen Verwaltungsaufwand, denn sie wissen ja ohnehin was sie bekommen."

"Offenbar sind nun alle Dämme gebrochen und alle Sozialleistungen stehen zur Disposition", kritisiert der ÖGB-Präsident. "Das scheint für uns der wahre Hintergrund des ominösen Transferkontos, und das legt auch der gestrige Vorschlag des Wirtschaftsbundes, Sozialleistungen zu besteuern, nahe - auch wenn dieser postwendend als Ausrutscher bezeichnet wurde." Nun sei klar: Die ArbeitnehmerInnen sollen ein drittes Mal für die Krise bezahlen, niemand rede mehr davon, welche Beiträge die Verursacher der Krise zu leisten hätten. Stattdessen sei das Land in eine Sozialdebatte geführt worden, "und niemand redet groß darüber, dass die Finanzwirtschaft sich auf Steuerzahlerkosten erholt, die Aktienkurse wieder steigen und auch die Boni wieder fließen", so Foglar. "Von Kindergeld und Familienbeihilfe über Wohnbeihilfe, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe bis zur Sozialhilfe gibt es offenbar keine Hemmungen mehr", stellt Foglar fest. "Das und mehr soll auf dem Transferkonto aufgelistet werden - und der nächste logische Schritt ist entweder der Rotstift oder die Besteuerung aller Sozialleistungen wie es der ÖVP Wirtschaftsbund vorschlägt. Wir sind höchst alarmiert darüber, dass die Diskussion über die Krisenbewältigung jetzt diese Wendung genommen hat. Die Bevölkerung soll damit offensichtlich auf Sozialabbau vorbereitet werden - und die Vermögenden sollen aus der Pflicht, ihren Teil beizutragen, endgültig entlassen werden." Transparenz-Argument nicht schlüssig Das Transferkonto entpuppe sich nach den Vorschlägen des ÖVP Wirtschaftsbundes als "Besteuerungsgrundlage für Sozialleistungen" und erfülle für Foglar darüber hinaus keinen erkennbaren Zweck außer den des Neid-Schürens. "Die Menschen wissen sehr genau, welche Sozialleistungen sie in Anspruch nehmen, sie müssen ja jede einzelne beantragen. Und auch die Behörden, allen voran das Sozialministerium, wissen selbstverständlich über die Sozialausgaben im Land Bescheid", rückt Foglar das Transparenz-Argument zurecht, das Vizekanzler Pröll auch im heutigen Wirtschaftsblatt wieder ins Treffen führt. "So ein Konto beseitigt auch nicht die Probleme bei der Verteilung der Steuerlast, die dringend gelöst werden müssen. Denn der größte Teil der Steuereinnahmen kommt aus Lohnsteuer und Mehrwertsteuer, der geringste Teil kommt von Vermögen. Offensichtlich sollen ArbeitnehmerInnen mit geringerem Einkommen gegen jene mit höherem Einkommen ausgespielt werden."

Kritik übt Foglar auch an der Studie des Joanneum und deren mangelndem Realitätsbezug: "Wir führen eine Debatte über Sozialleistungen für real existierende Menschen - und das auch aufgrund einer Studie, deren Autor selbst zugibt, dass es für seine Rechenbeispiele keine echten Fälle gibt - und er also fiktive Familien herangezogen hat. Als Basis für eine seriöse Diskussion eignet sich diese Studie sicher nicht, sie hat eher den Charakter eines Märchenbuchs, das üblicherweise mit ?Es waren einmal zwei Familien?? beginnt. Die Milliarden für die Finanzwirtschaft, steigende Bonuszahlungen, die steigende Arbeitslosigkeit, 230.000 working poor und die beschämend niedrigen Vermögenssteuern sind aber traurige Realität."
 

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