Wien (rk) - "100 und 1 und jetzt" lautet die Kurzformel für
die Ziele, die die Wiener Tourismuswirtschaft mit dem Tourismuskonzept Wien 2015 anpeilt. Das bedeutet um 100 Millionen
Euro mehr Nächtigungsumsatz für die Hotellerie und um 1 Million mehr Nächtigungen als im Rekordjahr
2008; das "Jetzt" zielt darauf ab, Wien als Destination zu positionieren, wo jeder etwas versäumt,
der sie nicht gleich besucht. Das von Wiener TouristikerInnen gemeinsam mit RepräsentantInnen anderer Wirtschaftszweige
erarbeitete Langfristkonzept für Wiens Destinationsentwicklung wurde auf Basis einer Befragung von rund 11.000
Reisenden aus wichtigen Zielmärkten erstellt. Am 22.10. wurde es bei einer Pressekonferenz mit Vizebürgermeisterin
Mag.a Renate Brauner, Tourismusdirektor Norbert Kettner, Michaela Reitterer, Vorsitzende der Österreichischen
Hoteliervereinigung Wien, und Dr. Franz Sattlecker, Geschäftsführer der Schloss Schönbrunn Kultur-
und BetriebsgesmbH vorgestellt und danach auch bei der Wiener Tourismuskonferenz 2009 präsentiert.
"Der Tourismus erwirtschaftet in Wien jährlich eine Wertschöpfung von rund 4 Milliarden Euro",
stellte Brauner einleitend fest, "und damit etwa 6 Prozent von Wiens Bruttoregionalprodukt. Das weist ihn
als einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor unserer Stadt aus, der am allgemeinen Wohlstand der Stadtbewohnerinnen
und -bewohner kräftig mitwirkt, und von dem nicht nur diejenigen profitieren, die unmittelbar in diesem Sektor
arbeiten. Um das künftige Florieren dieses Wirtschaftszweigs, der 2008 das sechste Rekordjahr in Folge verzeichnen
konnte, sicherzustellen, ist planvolle, systematische und vor allem von Weitblick und Expertise in vielen Fachgebieten
getragene Arbeit notwendig. Dieser hat sich seit knapp zwei Jahren die vom WienTourismus zusammengestellte Strategiegruppe
gewidmet, der neben RepräsentantInnen aller Sparten der Tourismuswirtschaft auch Fachleute von anderen Wirtschaftsbereichen,
die sich auf den Tou- rismus auswirken, angehören: von Verkehrsträgern, Gastronomie, Handel, Kreativwirtschaft
bis zu Wirtschaftsförderung und der Wirtschaftskammer Wien. Ich danke allen Mitgliedern dieses Gremiums dafür,
dass sie im Tourismuskonzept Wien 2015 ein breites Spektrum an Maßnahmen aufgezeigt haben, die Wiens Tourismus
nicht nur unmittelbar, sondern auch langfristig und nachhaltig stärken können."
Konzept mit "Doppelblick" auf Kunden und Anbieter
Zu den Zielsetzungen des Tourismuskonzepts Wien 2015 erklärte Tourismusdirektor Kettner: "Die unsichere
Weiterentwicklung der Weltwirtschaft hat es uns besonders schwer gemacht, quantitative Ziele festzulegen, die ambitioniert
genug sind um anzuspornen, aber zumindest eine Chance auf Realisierung haben. Wien will seinen Rekord von 2008
mit 10,2 Millionen Nächtigungen und 487 Millionen Euro Hotellerie-Umsatz im Jahr 2015 um 1 Million Nächtigungen
und 100 Millionen Euro übertreffen. Wirtschafts- und Tourismusprognosen sowie die Berechnungen von Prof. Dr.
Egon Smeral, dessen Erfahrung als Tourismusexperte des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung
uns dabei sehr zugute gekommen ist, weisen allerdings darauf hin, dass uns nach den deutlichen Rückgängen
im laufenden Jahr noch weitere, wenn auch geringere, im kommenden bevorstehen und danach eine nur langsame Erholung
zu erwarten ist. Unter diesem Aspekt sind unsere quantitativen Ziele beileibe kein 'Elfmeter ohne Tormann'. Eine
Zielvorgabe bei den Umsätzen der Hotellerie ist übrigens ein Novum, das es hierzulande, vermutlich auch
europaweit, noch nie gegeben hat. Insbesondere der Wirtschaftskammer Wien möchte ich meinen besonderen Dank
für ihre wertvolle Unterstützung dabei aussprechen."
Zum qualitativen Ziel, dem "Jetzt", verriet Kettner nur, dass es dabei darum gehe, Wien als Destination
zu positionieren, die nicht "irgendwann einmal" sondern jetzt gleich besucht werden sollte, und dies
das zentrale Element der neuen Werbelinie des WienTourismus sei, die aber erst bei der Wiener Tourismuskonferenz
am Nachmittag präsentiert werde. Stattdessen ging er weiter auf Details des Tourismuskonzepts Wien 2015 ein:
"Es ist aus der Sicht des Gastes erstellt", denn unser Ausgangspunkt war die im Rahmen unseres Markenentwicklungsprozesses
durchgeführte Befragung von rund 11.000 Reisenden aus wichtigen Zielmärkten - sowohl Wien- Kundige als
auch Menschen, die noch nie in Wien waren. Zusätzlich wurden auch rund 550 Personen aus der Wiener Tourismusbranche
befragt. Aus dem so gewonnenen 'Doppelblick', sowohl auf die Nachfrage- als auch auf die Angebotsseite, ist ein
Konzept entstanden, das die Erwartungen und Wünsche der KundInnen mit den Bestrebungen und Interessen der
Tourismuswirtschaft zusammenführt und Maßnahmen dazu vorschlägt, wie Wien seine Ressourcen effizient
einsetzen bzw. weiterentwickeln kann, um als Destination weiterhin zu reüssieren."
Besserer Service bei Visa-Abwicklung in wichtigen Quellmärkten
Als Maßnahme, die ihm besonders am Herzen liegt, nannte der Tourismusdirektor u.a. die Verbesserung der Effizienz
bei der Erteilung von Österreich-Visa in Ländern, die Wien gute Nächtigungszuwächse bringen,
die aber bei leichteren Visa- Bedingungen noch deutlich höher wären. Dabei gehe es keineswegs um Sicherheitsfragen,
sondern um rein praktische Aspekte bei der Abwicklung von Visa-Anträgen. Österreich bzw. Wien verliert
laufend Gäste an andere Länder, die dabei wesentlich kundenfreundlichere Services bieten, vor allem in
den arabischen Ländern in Asien, aber auch in China und Russland.
Neu: attraktivere "Entrees" für Wien, alt: mehr Budget für Österreich Werbung
Die im Tourismuskonzept Wien 2015 angeregten Verbesserungen des Erscheinungsbildes, das Wien derzeit stellenweise
bietet, sind dem Tourismusdirektor ebenfalls ein Anliegen: bessere Ausschilderung sowie Maßnahmen hinsichtlich
Optik bei den noch für geraume Zeit in Umbau stehenden Bahnhöfen und nach Fertigstellung ein "Entree",
das einer Weltstadt würdig ist. Ähnliches gilt für den Flughafen. Unausgeschöpftes Potenzial
ortet er an der "Waterfront" Donaukanal und Schwedenplatz, vor allem aber bei der Ringstraße, die
ihren ehemaligen Status als Prachtboulevard wiedererhalten sollte.
Auch gibt es noch Unerledigtes aus dem Tourismuskonzept 2010, und laut Kettner "ist alles davon ins neue Konzept
übernommen worden. Insbesondere weise ich hier auf die Forderung hin, das Jahresbudget der Österreich
Werbung um 10 Millionen Euro zu erhöhen. Es ist geradezu absurd, dass dies selbst angesichts der durch die
Weltwirtschaftskrise so angespannten Lage des Tourismus noch nicht erfolgt ist. Uns ist sehr daran gelegen, dass
die Österreich Werbung, mit der wir ausgezeichnet zusammenarbeiten, und die für uns ein wichtiger Partner
im Außenmarketing ist, auch in nicht-deutschsprachigen Ländern und in Fernmärkten entsprechend
auftreten kann, wo Österreich derzeit in der klassischen Werbung gegenüber anderen Destinationen deutlich
im Hintertreffen liegt."
Benchmarking und Diversifizierung für die Hotellerie und Dauerbrenner Öffnungszeiten
Namens der Wiener Hotellerie erklärte die Vorsitzende der Österreichischen Hoteliervereinigung Wien (ÖHV)
Michaela Reitterer: "Ein konkretes Umsatzziel ist eine starke Motivation, damit sind wir einzigartig in Europa.
Dieses Ziel können wir nicht nur durch Erhöhung der Nächtigungszahlen, sondern vielmehr durch höhere
Wertschöpfung erreichen. Professionelles Yield Management und systematisches Benchmarking sind dabei wertvolle
Hilfsmittel." ÖHV und WienTourismus empfehlen der Wiener Hotellerie das System von STR Global zu nutzen.
Das Tourismuskonzept Wien 2015 setzt weiters auf Qualitätssteigerung im Service der Hotellerie sowie in deren
Struktur. Reitterer dazu: "Dabei gilt: Qualität meint nicht Sterne, und Strukturveränderung meint
nicht Bettenzuwachs. Es geht vielmehr um die richtige Positionierung, um ein individuelles Profil und zielgruppenspezifische
Ausrichtung hinsichtlich Ausstattung, Ästhetik, Komfort und Service. Darin sehen wir die wichtigsten Erfolgsfaktoren
der Zukunft."
Eine "Altlast" aus dem Konzept 2010 griff Reitterer auch auf: "Ich weiß, dass sich Wiens Tourismuswirtschaft
im Widerstreit mit anderen befindet, wenn sie für geöffnete Geschäfte am Sonntag eintritt",
betonte sie, "doch es ist zu wichtig für die Wertschöpfung, nicht nur der Branche, sondern der gesamten
Stadt, um unerwähnt zu bleiben. Shopping ist, das hat die Befragung, die dem Tourismuskonzept Wien 2015 zugrunde
liegt, ganz deutlich gezeigt, eine Lieblingsbeschäftigung unserer Gäste, und im Städtetourismus
spielt das Wochenende, eben auch der Sonntag, eine sehr große Rolle. Wir schlagen daher vor, es zumindest
auf einen langfristig und gut vorbereiteten Pilotversuch ankommen zu lassen - an einigen ausgewählten Wochenenden,
etwa im Advent." Zusätzlich appellierte sie an die Luxusrestaurants, von denen viel zu wenige sonntags
geöffnet sind, und trat für eine Ausweitung der Öffnungszeiten an den Wochentagen für die Gastronomie
auf den Wiener Märkten ein.
Internationalität - auch sprachlich, architektonische "Landmarks" - auch von heute
Auf einen "für eine internationale Tourismusmetropole wichtigen Aspekt, den Wien noch nicht ausreichend
erfüllt" wies Dr. Franz Sattlecker, Geschäftsführer von Schloss Schönbrunn, hin, denn
er sieht, wie er sagt, "zu wenig sprachliche Internationalität bei den öffentlichen Verkehrsmitteln
und den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Eine durchgehende zumindest zweisprachige Beschriftung - Deutsch/Englisch
- sollte sukzessive, aber zügig erfolgen. Im öffentlichen Verkehr gibt es Ansätze, doch in einer
Stadt, die so viel nicht-deutschsprachiges Publikum anzieht wie Wien, und noch mehr davon haben will, sollte dieser
Service flächendeckend sein. Wir rufen daher zu einer 'Sprachoffensive' auf, die auch die Sehenswürdigkeiten
inkludiert. Museen etwa, die ihre ständigen Sammlungen und große, durchaus auf internationalen Zuspruch
ausgelegte Ausstellungen nur einsprachig beschriften, verwirken viel an Kundenzufriedenheit."
Auch mit von ihm eher Unerwartetem ließ Sattlecker aufhorchen: "Wien wird weltweit als Destination wahrgenommen,
deren Attraktivität primär auf dem reichen historischen Erbe beruht. - Niemand kann sich mehr darüber
freuen als ich", so der Schönbrunn-Direktor, "trotzdem möchte ich hier eine Lanze für
die zeitgenössische Architektur im Stadtbild Wiens brechen. Es ist absolut notwendig, dass Wien zusätzlich
zu seinen historischen Prunkbauten auch mit modernen architektonischen 'Landmarks' punkten kann, die internationales
Aufsehen erregen sollen und dementsprechend zu vermarkten sind. Ohne solche neue Assets würde die Stadt nicht
jene Dynamik vermitteln, die einer internationalen Metropole zukommt, denn zu deren Wesen gehört die ständige
Weiterentwicklung. Darauf haben wir im Konzept 2010 schon hinge- wiesen, doch dieses Thema verliert niemals an
Aktualität, deshalb haben wir es auch ins Tourismuskonzept Wien 2015 übernommen."
Abschließend bemerkte Sattlecker: "Ein sinnvolles touristisches Strategiepapier muss die gegenwärtigen
Erfolgsfaktoren aufspüren, beibehalten und verstärken und eine Zukunftsorientierung aufweisen, indem
es neue Inhalte, Ideen und Schwerpunkte thematisiert. Die Strategiegruppe hat das Tourismuskonzept Wien 2015 in
diesem Sinn erstellt, als eine Unterlage, die mithelfen soll, die Destination Wien für die Herausforderungen
der nächsten Jahre zu rüsten." |