Wien (fwf) - "Raum" wird auch durch soziale Kräfte definiert
und geformt. Wie sich aktuelle Veränderungen dieser Kräfte auf die Stadtentwicklung auswirken, wird derzeit
in einem Projekt der Technischen Universität Wien analysiert. Dabei stehen die Konsequenzen der Globalisierung
im Mittelpunkt des vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützen Projektes. Erste Ergebnisse werden an diesem Wochenende
in einem interdisziplinären Symposium mit KünstlerInnen, ArchitektInnen und WissenschafterInnen diskutiert.
Raum hat viele Dimensionen: Ein Raum kann einschließen und dadurch Zugehörigkeiten definieren. Was einen
Raum zum "Raum" macht, sind aber nicht nur seine Grenzen, sondern auch das, was in diesem Raum passiert.
Dass die Organisation des sozialen Zusammenlebens zunehmend eine Frage der "Überschreitung von Grenzen"
ist, zeigt Architekt Dr. Helge Mooshammer vom Institut für Kunst und Gestaltung der Technischen Universität
Wien. Er untersucht neue Dynamiken in der "Raumgestaltung". Dabei interessieren ihn ganz besonders die
Auswirkungen der Globalisierung - und der damit steigenden Mobilisierung von Gütern und Menschen - auf die
urbane Raumentwicklung. Die führt nämlich zu einem Aufeinanderprallen unterschiedlicher Wertvorstellungen
- und zu völlig neuer Raumgestaltung.
Architektur des Kapitals
Zu den Wertvorstellungen meint Dr. Mooshammer: "Grundsätzlich ist es natürlich anerkannt,
dass soziale Kräfte einen Raum definieren. In der praktischen Stadtplanung hat das bisher aber wenig positiven
Niederschlag gefunden. Architektur ist noch immer eng mit den Prinzipien von Besitz verbunden. Die zunehmende Tendenz,
Bauvorhaben auch als Investmentchance zu betrachten, hat diese Lage noch verschärft. Der Aktienwert wird zum
primären Entscheidungsfaktor."
Für Dr. Mooshammer steht dieser Virtualisierung des Werts von Architektur eine ganz andere Realität in
unseren Städten gegenüber: eine zunehmend deregulierte Welt, die durch Globalisierung und Migrationsströme
mitten in unseren Städten neue soziale Kräfte schafft.
Märkte & Migranten
Wie diese neuen sozialen Kräfte einen Raum und damit die Stadtentwicklung prägen, zeigt Dr. Mooshammer
am Beispiel von "informellen Märkten". Diese Märkte entstehen ohne vorherige Planung und sind
nicht durch gesellschaftliche Institutionen reguliert. Der Vier-Tiger-Markt in Budapest ist ein solcher Schauplatz,
an dem chinesische Migranten mit Waren aller Art handeln. Damit verbunden ist der Einzug neuer sozialer Strukturen,
die oft in konfliktreichem Widerspruch zu den örtlichen Konventionen stehen. Bei einem ähnlichen Markt
in Moskau, dem Cherkizovsky-Markt, führten die Konflikte zur Schließung des asiatischen Marktes - der
geschaffene soziale Raum wurde damit über Nacht aufgelöst. Das zeigt, dass neu geschaffene Räume
nicht isoliert von bereits etablierten sozialen Räumen existieren, sondern dass sie immer auch im Spannungsfeld
mit ihnen stehen. Daher muss der Gedanke eines "Raums der Beziehungen" auch bei der Städteentwicklung
berücksichtigt werden.
Dr. Mooshammer erklärt, was die Erkenntnisse des FWF-Projektes "Relationale Architektur" für
die Städteplanung bedeuten: "Nicht zuletzt die aktuelle Finanzkrise verdeutlicht die Dringlichkeit der
Diskussion, wie und mit welchem Kapital - monetäres, kulturelles etc. - wir in die Gestaltung unserer Städte
investieren." Gerade auch darüber wird am Samstag, 31. Oktober, von 14 bis 20 Uhr beim Symposium "Other
Markets" im Architekturzentrum Wien diskutiert. Neben Dr. Mooshammer wird dann auch u. a. Teddy Cruz sprechen.
Der Architekt und Professor an der University of California in San Diego berichtet über seine Projekte in
Zentralamerika, die das gemeinschaftliche Errichten von öffentlicher Infrastruktur mit neuen Wirtschaftsformen
kombinieren. So können über die Erfahrungen des Zusammenlebens die Ziele der Stadtentwicklung neu definiert
werden - und ein wahrhaft neues "Raumzeitalter" anbrechen. |