Internationale Tagung über Archive und Demokratie   

erstellt am
29. 10. 09

Archivbeamte konferieren im Hohen Haus
Wien (pk) - Auf Einladung der österreichischen Parlamentsdirektion tagen am 29. und 30.10. Bedienstete verschiedenster Archive aus allen gesellschaftlichen Bereichen und aus unterschiedlichen Ländern im Hohen Haus, um der Frage nachzugehen, welchen Beitrag Archive zur Förderung von Demokratie und politischer Bildung leisten können. Zentrale Überlegung dabei: Gerade anhand des Bestandes von Archiven könne oftmals nachvollzogen werden, wie sich die Demokratie in einem Land etablieren konnte und wie es um dieselbige in diesem Land bestellt ist.

In ihrer Begrüßungsansprache ging Nationalratspräsidentin Barbara Prammer auf die Geschichte des österreichischen Parlamentarismus und auf jene des Parlamentsgebäudes ein. Sie wies unter anderem auf die Wappen der 17 Kronländer hin, die Zeugnis davon ablegen, welche Territorien hier einst im Reichsrat politisch vertreten waren. Sie zeichnete den schwierigen und konfliktreichen Weg nach, den Österreich zu gehen hatte, um zu seinem heutigen demokratischen System zu kommen. Wichtige Marksteine waren dabei die Erkämpfung des allgemeinen Wahlrechts 1907 bzw. 1918 und die Schaffung effizienter Kontrollmechanismen für das Parlament.

Dass die Entwicklung nicht geradlinig verlief, zeigen die Rückschläge in den 30er Jahren, und, so Prammer, "gerade das österreichische Beispiel, bei weitem nicht das einzige, illustriert die Schwierigkeiten auf dem Weg zur Demokratie". Heute sei ganz Europa in ein politisches System der Demokratie eingebunden, doch müsse man hinsichtlich der Qualität dieses Systems stets wachsam bleiben.

Dabei erinnerte Prammer an eine Aussage des polnischen Publizisten Bronislaw Geremek, der sich mit dem "Paradox der Zivilgesellschaft" beschäftigt und dabei konstatiert habe, dass dieselbe Zivilgesellschaft, die für die Freiheit gekämpft habe, nun angesichts der Herausforderungen der Demokratie zu kollabieren scheine. Dieser Erosionsprozess zeige sich in politischer Apathie einer- und in politischer Radikalisierung andererseits.

Man müsse, so Prammers Resümee, die Demokratie Tag für Tag auf's Neue erkämpfen. Dazu sei es unabdingbar, das demokratische System mit jeder neuen Generation mit neuem Geist zu erfüllen. Die Studentenproteste, die gegenwärtig in Österreich angehoben hätten, seien Beweis für die Bereitschaft junger Menschen, sich für ihre Anliegen öffentlich zu artikulieren. Es wäre gefährlich, politische Entscheidungen kleinen Gruppen von Berufspolitikern zu überlassen, die Demokratie lebe von der Partizipation aller.

Und um diese auch weiterhin zu gewährleisten, sei es erforderlich, die politische Erziehung zu forcieren. Die Präsidentin wies in diesem Zusammenhang auf das Projekt "Demokratiewerkstatt" hin, wo jungen Menschen nicht nur die Bedeutung von Mehrheitsentscheidungen, sondern auch der Respekt vor Minderheitenmeinungen nahegebracht werde.

Toleranz, die Kunst des Kompromisses und der gegenseitige Respekt seien Fundamente der Demokratie, und man könne diese Werte gar nicht intensiv genug propagieren. Auch die Archive leisteten ihren Beitrag zur Befestigung der Demokratie, denn nur die historische Betrachtung sichere das Verständnis für politische Entwicklungen: "Und wer weiß, unter welch schwierigen Umständen parlamentarische Demokratie gewonnen wurde, der wird diese nicht nur besser verstehen, er wird sie auch hochhalten." Die Präsidentin wünschte der Konferenz sodann fruchtbringende Diskussionen und dankte den TeilnehmerInnen für ihre Arbeit im Interesse der Demokratie.

In der Folge hörten die TeilnehmerInnen Keynotes von Marietta Minotos, der Präsidentin "International Council on Archives" und des gastgebenden Vizepräsidenten der Vereinigung, des Leiters des Parlamentsarchivs, Günther Schefbeck.

Beleuchtet werden in den folgenden zwei Tagen Themen wie "Archivmaterialien zur Entwicklung der Menschenrechte", "Archivmaterialien zum Wahlrecht" oder "Archivmaterialien zu parlamentarischen Prozeduren". Auch der Kampf um die Demokratie, die Entwicklung politischer Parteien und politische Bildung sind Themen des Treffens. Überdies konferieren die TeilnehmerInnen über das Ausstellungs- sowie das Publikationswesen und die Internetauftritte von Archiven. Morgen wird die Zusammenarbeit mit Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen im Zentrum der Beratungen stehen. Auch die weitere Verbesserung die interarchivalischen Kooperation wird Thema sein.
     
Informationen: http://www.parlinkom.gv.at    
     
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