Schönborn ermutigt Laien, Verantwortung zu übernehmen   

erstellt am
27. 10. 09

Bei der 1. Diözesanversammlung zum Vorgang "Apostelgeschichte 2010" kamen auch die "heißen Eisen" der innerkirchklichen Diskussion zur Sprache
Wien (pew) - Kardinal Christoph Schönborn hat die Delegierten der 1. Wiener Diözesanversammlung am Nachmittag des 24.10. eindringlich ermutigt, ihre Verantwortung als getaufte und gefirmte Christen ernst zu nehmen. Jede und jeder sei dazu befähigt, ein Glaubenszeugnis abzulegen, sagte Kardinal Schönborn bei der Plenarversammlung im Wiener Stephansdom.

Die Delegierten waren am Freitagvormittag im Stephansdom und den umliegenden Kirchengebäuden zu Gesprächsrunden zusammengekommen. Unter dem Titel "Was hindert mich heute zu verkünden - was macht mich schweigsam" diskutierten sie in insgesamt 48 Einzelgruppen u.a. Fragen von "Liturgie und Gottesbild", die "Zukunft der Pfarrgemeinden", die Bedeutung der Nächstenliebe für den Glauben, das Thema "Berufung", aber auch "Kirche als Gewissen der Gesellschaft". Am Nachmittag wurden die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen im Plenum im Stephansdom präsentiert. Kardinal Christoph Schönborn und Generalvikar Franz Schuster waren dabei aufmerksame Zuhörer.

Zur Sprache kamen im Plenum auch die üblichen "heißen Eisen" wie Zugangsbedingungen zum Priestertum, die Frage der "viri probati" (der Priesterweihe für bewährte verheiratete Männer) oder neue Leitungsmodelle für Pfarrgemeinden. Mit Applaus wurde etwa die Wortmeldung eines Delegierten bedacht, der dazu aufforderte, angesichts des zunehmenden Priestermangels zur Unterstützung der Pfarrer Männer und Frauen für die Gemeindeleitung auszubilden. Es dürfe in der Kirche keine Angst vor strukturellen Veränderungen geben, ein "Verwalten der Not" allein reiche nicht aus.

Weitere Blitzlichter aus den Arbeitsgruppen widmeten sich u.a. dem Umgang der Kirche mit "wiederverheirateten Geschiedenen". "Es wird immer wichtiger, wie wir mit Menschen umgehen, die Brüche in ihren Biografien haben", sagte eine der Delegierten im Stephansdom. Es brauche in diesen Bereichen mehr Mut der Bischöfe, die Meinungen an der "Kirchenbasis" in Rom zu vertreten, appellierte eine Delegierte.

Grundsätzlich stehe die Debatte um Fragen der Kirchenstruktur oft vor der Gottesfrage, wurde kritisiert. Damit einher gehe eine weit verbreitete Scheu unter Katholiken, über ihren Glauben öffentlich zu sprechen. Viele seien "müde geworden", die Kirche in der Öffentlichkeit immer wieder positiv verteidigen zu müssen. Dies sei ein umso größeres Problem, weil das Wissen über Kirche und Glaube selbst in katholischen Kernschichten stark abgenommen habe.

Trotz der zahlreichen Probleme dürften aber die Hoffnungszeichen nicht vergessen werden, betonten die Delegierten bei der Präsentation der Ergebisse aus den Gespächsgruppen. Gemeinsames Ziel sei es, die Erfahrungen von Gemeinschaft in der Kirche und die eigenen Erfahrungen von Gottesliebe und Nächstenliebe in die Gesellschaft einzubringen, hieß es. Man wolle den Menschen den "Schatz des Glaubens" vermitteln, die Kirche solle ein "Leuchtturm der Orientierung" inmitten der Gesellschaft sein.

Notwendig sei auch eine Änderung bei der "Sprache" der Kirche, gerade auch, um mit Kindern und Jugendlichen wieder stärker in Kontakt zu kommen. "Die Kirche muss eine Sprache finden, die alle verstehen", hieß es.

Weitere Themen, die von den Delegierten angesprochen wurden, waren die Verantwortung für die Schöpfung, der Umgang mit behinderten Menschen in der Kirche oder fehlende pastorale Konzepte für arbeitslose Menschen. Aber auch die Verbundenheit mit Papst und Weltkirche kamen zur Sprache.

Kardinal Schönborn und Generalvikar Schuster betonten, dass sie die in vielfältiger Weise geäußerten Sorgen um die Zukunft der Pfarrgemeinden sehr bewege. Der Wiener Erzbischof betonte zudem, dass es ihn mit Sorge erfülle, wie die Caritas gegenüer anderen kirchlichen Bereichen oft als nachgeordnet empfunden werde. Angesichts der zunehmenden Not im Land werde das soziale Engagement für die christlichen Gemeinden aber eine der ganz großen Herausforderungen für die Zukunft sein.

Die Ergebnisse der Gesprächsgruppen sind bis zum Ende der 1. Diözesanversammlung auf Plakaten im Informationszelt auf dem Stephansplatz sichtbar. Ab Anfang November können sie auch über die Website www.apg2010.at eingesehen werden. Es wird dann auch noch die Möglichkeit geben, sich online am Diskussionsprozess weiter zu beteiligen.
   

"Anliegen der Pfarrgemeinden weltweit stärker in den Blick nehmen"
Kardinal Christoph Schönborn plädiert dafür, die Bedeutung der Pfarrgemeinden weltweit stärker in den Blick zu nehmen. Bei der 1. Wiener Diözesanversammlung im Rahmen des Vorgangs "Apostelgeschichte 2010" seien zahlreiche Sorgen und Anliegen im Blick auf die Pfarrgemeinden zum Ausdruck gebracht worden, hielt der Kardinal am Samstagvormittag vor den Delegierten im Wiener Stephansdom fest. Er werde verstärkt mit Bischöfen der Weltkirche das Gespräch über diese Themen und den Austausch über die Anliegen und Erfahrungen der Pfarrgemeinden suchen.

In Richtung der Delegierten sagte Schönborn: "Ich kann nicht Reformen versprechen, die viele sich wünschen, die aber nicht in meiner Hand liegen". Es sei aber ein berechtigter Wunsch, "dass es über diese Anliegen einen verstärkten Austausch gibt".

Bei der Diözesanversammlung waren im Blick auf die Zukunft der Pfarren die Zugangsbedingungen zum Priestertum, die Frage der "viri probati" (der Priesterweihe für bewährte verheiratete Männer) oder der neuen Leitungsmodelle für Pfarrgemeinden mehrfach thematisiert worden.

In seiner ersten Bilanz der Delegiertenversammlung sagte Schönborn, er nehme es für sich als Auftrag mit, noch bewusster auf das zu schauen, was in der Kirche "Schmerz oder Leidensdruck" verursache, aber auch auf das, was an Neuem wachse. Die Versammlung habe deutlich gemacht, "wie viel in unserer Diözese von so vielen getragen und gelebt wird". Bewusstes Augenmerk sollten die Gläubigen in der Erzdiözese Wien auf die Sorge um die wachsende Zahl an Notleidenden legen, betonte der Kardinal und dankte für alles, was schon jetzt an vielfältiger karitativer Hilfe durch die Pfarren geleistet wird.

Als besonderes Anliegen nannte der Wiener Erzbischof, dass die Gotteshäuser "offengehalten werden" und die Pfarren gastfreundlich sind. Menschen, die neu in eine Pfarre kommen oder sich für die Kirche interessieren, dürften nicht das Gefühl haben, "allein zu bleiben". Jede Pfarre sollte daher eine Art "Welcome-Service" haben. Die Versammlung habe ihm auch gezeigt, dass es notwendig ist, "bewusster von Angesicht zu Angesicht über den Glauben zu sprechen", auch mit den Menschen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Und er wolle Jugendliche "noch mehr und direkter darauf ansprechen, ob sie nicht einen geistlichen Beruf ergreifen wollen", so Schönborn.

Erneut stellte der Kardinal klar, dass es in der Erzdiözese Wien keine Auflösung von Pfarren und keine Schließung von Kirchen geben wird. Es werde aber überlegt, Gotteshäuser anderssprachigen katholischen Gemeinden oder auch orthodoxen Gemeinden zu überlassen oder sie mit ihnen zu teilen. "Es geht nicht um schließen, sondern um teilen", hob der Wiener Erzbischof hervor.

Generell plädierte Schönborn dafür, die anderssprachigen Katholiken im Bereich der Erzdiözese stärker in den Blick zu nehmen. Unter ihnen fänden sich viele Jugendliche, die bereits in Österreich geboren und aufgewachsen sind und auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. "Sie sind unsere Mitkatholiken", dennoch seien sie noch zu wenig im Bewusstsein der Kirche von Wien verankert, stellte der Kardinal fest.

"Atmosphäre des Aufeinanderhörens"
Der Wiener Erzbischof dankte den Delegierten für die "Atmosphäre der Geschwisterlichkeit und des Aufeinanderhörens", die die Versammlung geprägt habe. Auf diese Weise sei in Offenheit ein gemeinsamer Weg in die Zukunft möglich. Ausdrücklich dankte Schönborn auch den Kirchenbeitragszahlern, die vieles, was die Kirche tut, durch ihre Beitragsleistung ermöglichen.

Die drei territorialen Bischofsvikare der Erzdiözese Wien - Prälat Karl Rühringer, P. Amadeus Hörschläger und Prälat Matthias Roch - kündigten an, den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Pfarren ausbauen zu wollen. Das Bemühen um Offenheit und Gastfreundschaft müsse verstärkt werden. Auch gelte es, die Freude des Glaubens besser zu zeigen. "Wir verkünden die Frohe Botschaft und nicht das Kirchenrecht", betonte P. Hörschläger.

In den Wortmeldungen einzelner Delegierter fanden sich u.a. Forderungen nach gezielteren Angeboten für Jugendliche, nach stärkerem Zugehen auf Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, nach mehr Engagement für das Gespräch mit Ausgetretenen sowie nach Einbeziehung von Flüchtlingen und Migranten.

Den Abschluss der ersten der insgesamt drei vorgesehenen Diözesanversammlungen bildete ein festlicher Sendungsgottesdienst im Stephansdom. P. Johannes Lechner betonte in seiner Predigt, nicht Konflikte zwischen "Konservativen" und "Liberalen" seien das Problem in der Kirche. Zum einen seien "liberal" und "konservativ" keine biblischen Kategorien. "Liberale" wollten, "dass etwas weitergeht", und "Konservative" wollten das Wertvolle aus der Tradition bewahren. Probleme verursachten jene, die "aggressiv" auftreten, und jene, die sich nur "lau" und halbherzig für ihren Glauben einsetzen.

Am Ende des Gottesdienstes überreichte Kardinal Schönborn drei modern gestaltete gläserne Monstranzen an die drei Bischofsvikare. Die Monstranzen werden durch die Pfarrgemeinden "pilgern". Gestaltet wurden die Monstranzen vom niederösterreichischen Künstler Heinz Ebner, der auch schon für jene Monstranz verantwortlich zeichnete, die am ersten Tag des Papstbesuchs 2007 bei der Eucharistischen Anbetung in der Kirche am Hof zum Einsatz gekommen war.

Von Ebner stammten auch Kelch und Patenen, die am Samstag beim Sendungsgottesdienst von Kardinal Schönborn verwendet wurden. Die Bibel, mit der Kardinal Schönborn zur Eröffnung der Diözesanversammlung am Donnerstagnachmittag in den Stephansdom eingezogen war, ist von einem gläsernen Einband umhüllt, der ebenfalls von Ebner gestaltet wurde.
   

"Fantasieschmiede für die Kirche"
Die Diözesanversammlung war von drei "Prozessbeobachtern" begleitet worden. Der Schweizer Pastoraltheologe Leo Karrer würdigte in seiner Bilanz die Versammlung als "Fantasieschmiede für die Kirche". Nach der "Begeisterung", die eine solche Versammlung vermittle, gehe es nun um Bewährung "im Tal der Realität". Es brauche eine "Spiritualität des langen Atems". Die Versammlung habe gezeigt, dass "die Kirche vielen am Herzen liegt, manches aber auch auf den Magen drückt". Die Gläubigen sollten sich aber bewusst sein, dass die Kirche als weltweite Glaubens- und Solidargemeinschaft einzigartig sei, "es gibt nichts Vergleichbares", so Karrer. Ausdrücklich empfahl Karrer das mit "Apostelgeschichte 2010" entwickelte Wiener Modell zur Beachtung in der Weltkirche.

Barbara Heyse-Schaefer, Direktorin der Evangelischen Frauenarbeit, würdigte das "offene Klima" des Delegiertentreffens und die starke Einbeziehung von Frauen und Frauenthemen. Für die kommenden zwei Versammlungen bleibe der Auftrag, gemeinsame Lösungen zu finden und sie gemeinsam umzusetzen. Auch sollte der Dialog mit der Gesellschaft und mit Andersdenkenden noch stärker einbezogen werden. Sie erhoffe zudem weitere Schritte im ökumenischen Miteinander der Kirchen, das in der gemeinsamen Taufe seine Grundlage habe.

Der Münsteraner Priester Martin Sinnhuber erinnerte an die starken geistlichen Momente der dreitägigen Veranstaltung in und um den Stephansdom, besonders an den "Abend der Hoffnung und der Barmherzigkeit" am Freitagabend. Im Bild der Menschen, die am Freitagabend im Dom nach vorn strömten, als das eucharistische Brot in der Monstranz verehrt wurde, sei sichtbar geworden, dass die Kirche Kraft erhält, wenn sie Christus bewusst in die Mitte stellt.

"Missionswoche" im Mai 2010
Die nächsten Schritte des Vorgangs "Apostelgeschichte 2010" sind ab Jänner Vorbereitungstreffen in den drei Vikariaten zur "Missionswoche", die am Pfingstmontag, 24. Mai 2010, beginnen wird. Jede Pfarre, jede Gemeinschaft und jede kirchliche Einrichtung ist eingeladen, in dieser Woche ein selbst entwickeltes Missionsprojekt zu verwirklichen. Die zweite Diözesanversammlung von 11. bis 13. März 2010 wird sich auf die Frage konzentrieren, was Mission heute bedeutet und wie sie gelingen kann. Die dritte Diözesanversammlung ist für 14. bis 16. Oktober 2010 geplant.
     
Informationen: http://www.stephanscom.at    
     
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