Kardinal Schönborn betont Reichtum des altsyrischen Christentums   

erstellt am
05. 11. 09

"Pro Oriente"-Tagung in Wien - Große und bewegte Geschichte der Christen syrischer Tradition darf nicht in Vergessenheit geraten
Wien (pew) - Mit einem Appell, den Reichtum des altsyrischen Christentums auch im Westen neu zu entdecken, hat Kardinal Christoph Schönborn am 04.11. das zweite "Colloquium Syriacum" eröffnet. Die von der Stiftung "Pro Oriente" ausgerichtete Tagung, die Spitzenvertreter aller neun Kirchen altsyrischer Tradition in Wien versammelt, steht unter dem Titel "Syriac Christianity in the Middle East and India today. Contributions and Challenges". Beleuchtet wird dabei insbesondere der kulturelle und soziale Beitrag des Christentums in den Ländern des Nahen Ostens und in Südindien. Weitere Schwerpunkte des Kolloquiums bilden die Themen Religionsfreiheit, religiöser Pluralismus und das Problem der Emigration und Flucht der Christen.

Der Nahe Osten stelle die "ursprüngliche Heimat des biblischen Glaubens" dar, betonte Kardinal Schönborn. Die große und bewegte Geschichte des syrischen Christentums drohe insbesondere im Westen in Vergessenheit zu geraten. Daher seien solche Tagungen zu begrüßen, die nicht nur dem professionellen wissenschaftlichen Austausch dienen, sondern auch der Solidarisierung mit den Christen im Nahen Osten, die oft unter schweren Bedingungen ihren Glauben leben.

Kritik übte Kardinal Schönborn in diesem Zusammenhang erneut an der österreichischen Bundesregierung, die weiterhin keine Bereitschaft zeige, christliche Flüchtlinge aus dem Irak aufzunehmen. Hier werde die katholische Kirche weiter Druck ausüben, da gerade die christlichen Flüchtlinge eine besondere Integrationswilligkeit und -fähigkeit mitbringen und sich leicht in die österreichische Gesellschaft einfügen würden, so Schönborn.

Heiliges Land: "Religion ist Teil des Problems"
Eine Analyse der Lage der Christen im Heiligen Land legte der aus Belgien stammende und in Jerusalem lebende Leiter der dortigen Kommission "Justitia et Pax", P. Frans Bouwen, vor. Die hohen Erwartungen, die mit dem Besuch Papst Benedikts XVI. im Heiligen Land im Mai dieses Jahres verbunden waren, seien zumindest im Blick auf die politische Wirkung enttäuscht worden. Zwar habe der Papst mit seinen Ansprachen und seinen symbolischen Gesten wie dem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem oder eines palästinensischen Flüchtlingslagers bleibende Eindrücke bei den Menschen hinterlassen, Verbesserungen und Erleichterungen im alltäglichen Leben der Christen habe es seither aber keine gegeben, so Bouwen im Gespräch mit der "Kathpress".

Offen sei etwa weiterhin das Visa-Problem für den externen Klerus, auch das offizielle Verhältnis zwischen dem Heiligen Stuhl und Israel habe sich nicht weiter verbessert. "Die Botschaft des Papstes an uns Christen ist deutlich: Wir sollen an den heiligen Stätten des Glaubens Präsenz zeigen und Zeugnis unseres Glaubens geben. Aber im alltäglichen Leben steht diese Botschaft gegenüber den aktuellen Probleme eher zurück", so Bouwen.

Zum weiter schwelenden Israel-Palästina-Konflikt sagte Bouwen, dieser sei "fundamental ein politischer Konflikt". Es sei gerade für die Kirchen immer wieder wichtig zu unterstreichen, dass Religion derzeit zwar "Teil des Problems" ist, dies jedoch nur auf Grund der Tatsache, dass sie "benutzt und missbraucht wird - und zwar von allen Seiten", so P. Bouwen. Wo Religion als Kern des Konflikts gesehen werde, dort würde zugleich eine politische Lösung verunmöglicht: "Der Konflikt muss von der Religion getrennt werden; erst dann kann Religion zum Teil der Lösung werden".

Laut Bouwen beläuft sich die Zahl der derzeit im Heiligen Land lebenden Christen auf rund 200.000. Etwa die Hälfte davon seien Katholiken bzw. mit Rom unierte Christen (Melkiten, Maroniten). Insgesamt sind derzeit 13 christliche Kirchen im Heiligen Land vertreten. Das Verhältnis unter den Bischöfen und Patriarchen, das noch bis vor wenigen Jahren eher gespannt gewesen war, habe sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, so Bouwen. Mittlerweile treffen sich die kirchlichen Spitzenvertreter monatlich und veröffentlichen zu Weihnachten und Ostern gemeinsame Botschaften.

Ein wachsendes Problem stellen indes laut Bouwen die evangelikalen Gruppierungen dar. Diese verhielten sich gerade gegenüber Muslimen oftmals "aggressiv-missionarisch", so Bouwen. Zu einem eminent politischen Problem würden sie jedoch durch die Tatsache, dass sie zum großen Teil "christliche Zionisten" seien, so Bouwen, die den Staat Israel als Erfüllung der biblischen Verheißung sehen und einer Zweistaatenlösung entsprechend kritisch gegenüberstehen.

Das "Colloquium Syriacum" stellt eine Folgeveranstaltung des ersten Kolloquiums dar, das vom 14. bis 16. November 2007 in Salzburg stattgefunden hatte. Die Kolloquien gehen auf das von "Pro Oriente" im Jahr 2006 gegründete "Forum Syriacum" zurück, das eine Plattform für die Erforschung der Geschichte und des geistig-kulturellen Erbes der Kirchen der syrischen Tradition und ihrer Beziehungen zu anderen Kulturen und Religionen darstellt.
     
Informationen: http://www.pro-oriente.at    
     
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