Brüssel (ec.europe) - Laut Herbstprognose der Kommission wird die EU-Wirtschaft
die Rezession in der zweiten Jahreshälfte 2009 überwinden, auch wenn für das Gesamtjahr noch ein
BIP-Rückgang um rund 4 % zu erwarten ist. Für die Jahre 2010 und 2011 wird eine allmähliche Erholung
mit einem BIP-Wachstum von ¾ % bzw. 1 ½ % prognostiziert. Die auf kurze Sicht erwartete Konjunkturbelebung
ist nicht nur auf verbesserte Bedingungen in der Weltwirtschaft und an den Finanzmärkten zurückzuführen,
sondern auch auf die signifikanten haushalts- und geldpolitischen Maßnahmen, die ergriffen worden sind. Später
dürften dann verschiedene Faktoren die private Nachfrage und somit auch die Stärke des Aufschwungs dämpfen.
So geht die Prognose insbesondere von einer weiterhin schwachen Arbeitsmarktentwicklung und einem Anstieg der EU-Arbeitslosenquote
auf 10 ¼ % aus. Auch das öffentliche Defizit wird steigen und 2010 7 ½ % des BIP erreichen,
bevor es 2011, wenn die Wirtschaft wieder Tritt fasst und die befristeten Maßnahmen allmählich auslaufen,
geringfügig zurückgeht.
„Die EU-Wirtschaft kommt aus der Rezession, was in hohem Maße den ehrgeizigen Maßnahmen der Regierungen,
Zentralbanken und der EU zu verdanken ist, die nicht nur einen Systemzusammenbruch verhindert, sondern auch die
Erholung angestoßen haben. Allerdings liegen noch viele Herausforderungen vor uns. Um die Dynamik der Wiederbelebung
zu erhalten und ihre Nachhaltigkeit zu unterstützen, müssen wir sämtliche angekündigten Maßnahmen
zur Gänze umsetzen und die Gesundung des Bankensektors zu Ende führen. Auch müssen wir uns allmählich
stärker auf die mittlere Sicht konzentrieren und uns überlegen, wie wir die negativen Auswirkungen der
Krise auf unsere Arbeitsmärkte, öffentlichen Finanzen und Wachstumspotenziale in den Griff bekommen“,
so Wirtschafts- und Finanzkommissar Joaquín Almunia.
Nach der tiefsten, längsten und umfassendsten Rezession ihrer Geschichte hat die EU-Wirtschaft nun einen Wendepunkt
erreicht. Wirtschaftslage und Finanzbedingungen haben sich in den letzten Monaten merklich verbessert, was vor
allem auf die beispiellosen haushalts- und geldpolitischen Maßnahmen zurückzuführen ist. Verschiedene
Finanzindikatoren haben inzwischen wieder ihren Stand von vor der Krise erreicht, und das Vertrauen nimmt zu. Auch
die Aussichten für Weltwachstum und -handel haben sich aufgehellt, insbesondere in den aufstrebenden Volkswirtschaften.
Aufgrund dieser Entwicklungen und der sich günstig auswirkenden Lagerbestandsanpassungen dürfte das BIP-Wachstum
in der EU und im Euroraum in der zweiten Hälfte dieses Jahres wieder positiv ausfallen.
Allmähliche Erholung steht bevor
Die besseren kurzfristigen Aussichten für die EU und die Weltwirtschaft sind teilweise auf befristete Faktoren
zurückzuführen. Wenn diese im Laufe von 2010 auslaufen, dürfte die Weltkonjunktur vorübergehend
schwächeln. Das Wachstum der EU-Exporte dürfte sich daher im Prognosezeitraum erst allmählich festigen.
Auch die Binnennachfrage wird durch verschiedene Faktoren gebremst. Aufgrund niedriger Kapazitätsauslastung,
relativ schwacher Nachfrageaussichten, gedrückter Rentabilitätszuwächse und noch immer nachlassenden
Kreditwachstums dürften sich die Investitionen erst 2011 erholen. Auch wenn sich der private Konsum in der
Rezession als stabilisierender Faktor erwiesen hat, dürften die Ausgaben in der Zukunft doch dadurch gebremst
werden, dass die privaten Haushalte ihre Verschuldung abbauen müssen und die Arbeitsmarktaussichten schwach
bleiben. Ein weiterer restriktiver Faktor ist der geschätzte Negativeffekt der Krise auf das Wachstumspotenzial.
Nach einem anfänglichen Anstieg dürfte das BIP-Wachstum in der EU und im Euroraum daher etwas nachlassen,
bevor es in der zweiten Jahreshälfte 2010 und danach an Kraft gewinnt.
Arbeitsmarkt und öffentliche Finanzen unter Druck
Auch wenn sich der EU-Arbeitsmarkt in der Rezession als unerwartet widerstandsfähig erwiesen hat (was vor
allem auf kurzfristige Politikmaßnahmen, frühere Reformen und das Horten von Arbeitskräften in
einigen Mitgliedstaaten zurückzuführen war), ist in den kommenden Quartalen doch mit vermehrten Entlassungen
zu rechnen. Für das kommende Jahr wird ein Beschäftigungsrückgang um rund 2 ¼ % und für
2010 einen weiterer Rückgang um rund 1 ¼ % erwartet. Gegen Ende 2010 und im Jahr 2011, wenn der Aufschwung
Tritt fasst, dürfte sich die Beschäftigung dann allmählich stabilisieren.
Die öffentlichen Finanzen haben ebenfalls schwer gelitten. Das öffentliche Defizit dürfte sich in
der EU in diesem Jahr verdreifachen (auf annähernd 7 % des BIP, nach 2 ¼ % 2008) und 2010 weiter auf
rund 7 ½ % anwachsen. Diese Verschlechterung ist zum Teil auf die Wirkung der automatischen Stabilisatoren
und die diskretionären Konjunkturmaßnahmen zurückzuführen, spiegelt jedoch auch einen ungewöhnlich
starken Einbruch der öffentlichen Einnahmen infolge des Konjunkturrückgangs wider. Im Jahr 2011, wenn
das Wachstum anzieht und die befristeten Maßnahmen auslaufen, wird mit einem leichten Rückgang des Defizits
auf knapp 7 % des BIP gerechnet. Der Aufwärtstrend der Schuldenquote setzt sich allerdings fort.
Inflation bleibt niedrig
Die Inflation dürfte in der EU und im Euroraum gegenüber ihrem aktuell sehr niedrigen Stand zwar etwas
zunehmen, im Prognosezeitraum jedoch niedrig bleiben. Die durchschnittliche HVPI-Inflation dürfte sowohl in
der EU als auch im Euroraum 2010 bei gut 1 % und 2011 bei rund 1 ½ % liegen. Auch wenn steigende Rohstoffpreise
für Inflationsauftrieb sorgen dürften, werden die erhebliche Unterauslastung der Wirtschaft und das schwache
Lohnwachstum die Teuerung wohl dämpfen.
Nach wie vor große Unsicherheit
Die Aussichten für die EU-Wirtschaft sind nach Überwindung der Rezession höchst unsicher und unterliegen
nicht unerheblichen Risiken, die sich jedoch insgesamt etwa die Waage halten. Sollten die politischen Maßnahmen
unerwartet wirkungsvoll die Solidität des Finanzsektors wiederherstellen und das Vertrauen stärken oder
sollte sich die Weltnachfrage stärker beleben, könnte die Erholung positiv überraschen. Auf der
anderen Seite könnten sich die schwachen Arbeitsmarktbedingungen und die Investitionsrestriktionen aber auch
stärker auswirken als prognostiziert. Außerdem könnte der Bankensektor, wenn er seine Bilanzen
nicht saniert, möglicherweise nicht in der Lage sein, die Erholung ausreichend zu unterstützen. Auch
bei den Inflationsaussichten halten sich die Risiken in etwa die Waage. |