Am 3.11. startet der Nestroyhof in die erste Saison nach Vorstellung des neuen Konzepts - Haus
mit 100-jähriger Geschichte
Wien (rk) - "Wien bekommt kein neues Theater, sondern ein altes holt sich seine Gegenwart zurück."
Mit diesen Worten umriss Frederic Lion, neuer künstlerischer Leiter des Nestroyhofes, Anfang Juli dieses Jahres
seine künstlerische Vision eines vielschichtigen Theaterkonzeptes für das geschichtsträchtige Haus
in der Leopoldstadt. Lions Theatergruppe "Hamakom" (hebräisch: der Ort), der eine vierjährige
Konzeptförderung von 2009 bis 2013 zuerkannt wurde, hat der Nestroyhof seinen jetzigen Beinamen zu verdanken
- so präsentiert sich das Theater ab sofort nach Außen als Theater Nestroyhof Hamakom, wobei das Wort
"ha Makom" symbolisch auch als Form einer geistigen Form der Verortung, Erinnerung und Eingrenzung gesehen
werden kann.
"Etablissement Nestroy-Säle": Bewegte Geschichte seit 1898
Im Jahr 1898 erbaute Oskar Marmorek, welcher der zionistischen Bewegung rund um Theodor Herzl (1860-1904) zugetan
war, das Jugendstilhaus in der Leopoldstadt. Anfang November 1899 wurden die "Etablissements Nestroy-Säle",
ein Vergnügungstheater mit einem gemischten Programm aus Orchester und Gesangsdarbietungen sowie Gastronomie,
eröffnet. Nach dessen Bankrott 1900 folgten die "Folies Comiques", ein modernes Varietétheater.
Hier zeigte die "Trianon"-Theatertruppe von Karl Kraus 1905 die umstrittene österreichische Erstaufführung
von Frank Wedekinds Werk "Die Büchse der Pandora".
Filmmuseum zu Gast
In den darauffolgenden Jahren war das "Intime Theater" in den Sälen beheimatet, welches zuerst von
Oskar Friedmann, später vom Ehepaar Richter-Roland geleitet wurde und vorwiegend Ein- und Zweiakter zeigte.
Im rechten Teil der Säle entstand 1907 das "Lichtspieltheater Reclame", das von 1927 bis zu seiner
Schließung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1938 die "Jüdischen Künstlerspiele"
von Jacob Goldfliess beherbergte. Nach dem Krieg wurde das Theater vorübergehend als Möbelhaus genutzt,
bevor es nach Abzug der Sowjetarmee renoviert wurde und schließlich das "Österreichische Filmmuseum"
1964 im neu begründeten "Nestroy- Kino" seinen Platz fand. Dieses wurde 1978 geschlossen, sodass
ein Gastronomielokal und ein Supermarkt in die Räumlichkeiten einziehen konnten. Seit 2004 nutzte man die
Säle erneut für diverse, sporadische kulturelle Veranstaltungen. Mit dem heurigen Jahr 2009 wird das
neue Konzept der Theatergruppe "Hamakom" den Nestroyhof neu beleben und dabei auch an die Tradition der
ehemaligen "Jüdischen Künstlerspiele" erinnern will.
Eigenproduktion "Rückkehr nach Haifa / Small Talk" als Auftakt
Mit heute Abend wird das Theater Nestroyhof Hamakom mit der österreichischen Erstaufführung der Eigenproduktion
"Rückkehr nach Haifa / Small Talk" in die erste Herbstsaison seit der Neuübernahme starten.
Das Stück des israelischen Erfolgsautors Ilan Hatsor thematisiert das ambivalente Verhältnis linker Israelis
und Palästinenser und wird von Frederic Lion als künstlerischem Leiter des Hauses inszeniert. Eine weitere
Eigenproduktion des Hauses ist das daran anschließende internationale Festival "El Hakawaty. Palestine
/ Monologues", das von 14. - 24. November über die Bühne gehen wird. Die Kunst des Erzählens
und seiner Traditionen stehen dabei im Mittelpunkt, zu sehen und hören sein werden Lesungen, Vorträge,
Theaterstücke und Konzerte, welche Perspektiven palästinensischer Monologe aufzeigen werden.
Weiters geplant sind nationale und internationale Gastspiele sowie Koproduktionen, die das Haus um neue Aspekte
inhaltlicher und künstlerischer Natur bereichern sollen. Jeweils montags werden die sogenannten "Salons"
für eine Art gesellschaftlichen Treffpunkt sorgen, indem durch Diskussionen, Lesungen und politischen Veranstaltungen
ein Ort des kulturellen Austausches geboten werden soll. |