Speicherdauer auf sechs Monate beschränkt - Größtmöglicher Schutz persönlicher
Daten
Wien (bmvit) - Infrastrukturministerin Doris Bures hat am 20.11. einen Entwurf für eine
Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG), mit der die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umgesetzt werden
soll, in Begutachtung geschickt. Sie betont dazu: "Im Umgang mit personenbezogenen Daten ist größte
Sorgfalt geboten. Dieser Entwurf soll den größtmöglichen Schutz persönlicher Daten sicherstellen.
Da es sich um eine Speicherung von Daten auf Vorrat handelt, also ohne, dass es Verdachtsmomente gegen eine bestimmte
Person gibt, sind höchste datenschutzrechtliche und rechtsstaatliche Standards ein absolutes Muss. Daher will
ich auch nur eine Mindestumsetzung der EU-Richtlinie, also eine maximal sechsmonatige Speicherdauer der Daten,
Verwendung nur für die Aufklärung von schweren Straftaten und nur mit gerichtlicher Anordnung."
Die EU-Richtlinie, die 2006 von den Justiz- und Innenministern unter dem Eindruck der Terroranschläge in
New York und Spanien beschlossen wurde, sieht die Speicherung von Verbindungsdaten vor, im Wesentlichen wer, mit
wem, wann, wie lange, von wo aus (geographisch) und über welchen Dienst (E-Mail, SMS, Mobil- und Festnetztelefonie,
Internettelefonie, Internet) kommuniziert hat, nicht aber die Inhalte. Laut EU-Richtlinie soll die Datenspeicherung
mindestens sechs Monate und maximal zwei Jahre verpflichtend sein. Diese Daten sollen laut Richtlinie von den Strafverfolgungsbehörden
zur Aufklärung schwerer Straftaten abgerufen werden können.
Die Richtlinie hätte bereits 2007 umgesetzt werden müssen. Es ist bereits ein Vertragsverletzungsverfahren
gegen Österreich beim EuGH anhängig. Um Strafzahlungen zu vermeiden, ist es wichtig, dass Österreich
jetzt einen Entwurf vorlegt und in Begutachtung schickt. Trotzdem ist die Vorratsdatenspeicherung "viel zu
sensibel, um eine Regelung übers Knie zu brechen", argumentiert die Ministerin. Deshalb hat sie mit acht
Wochen bewusst eine außerordentlich lange Begutachtungsfrist vorgesehen. "Bei diesem Thema ist eine
möglichst breite Diskussion notwendig", sagt Bures. Sie will eine möglichst umfassende Einbindung
der Zivilgesellschaft, was einerseits bei der Erstellung des Entwurfs durch das Boltzmann-Institut für Menschenrechte
geschehen ist, und jetzt bei der Diskussion im Rahmen der Begutachtung und im parlamentarischen Verfahren so beibehalten
werden soll.
Der vorliegende Entwurf wurde von einer Expertengruppe unter Federführung des Boltzmann-Instituts für
Menschenrechte (BIM) ausgearbeitet. Das BIM war ausdrücklich damit beauftragt, einen Vorschlag zu erarbeiten,
der die geringstmögliche Umsetzung der Richtlinie bedeutet und den größtmöglichen Schutz persönlicher
Daten und der Grundrechte beinhaltet. Daher sieht der Entwurf bei der Speicherdauer vor, dass die Daten nach sechs
Monaten gelöscht werden müssen, und dass die Vorratsdaten nur für die Aufklärung von schweren
Straftaten und nur mit gerichtlicher Anordnung herausgegeben werden dürfen.
Wie die Ministerin erläutert, soll es von der restriktiven Regelung beim Zugriff auf die Daten nur dann eine
Ausnahme geben, wenn es um die Abwehr einer konkreten Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen
geht. Das bezieht sich konkret auf Standortdaten, also die Ortung von Mobiltelefonen. Ein denkbarer Fall wäre
etwa die Suche nach einem Vermissten in den Bergen oder die Ortung eines Entführungsopfers.
Über weite Strecken findet der Entwurf die Zustimmung des Koalitionspartners. Keine Einigung gibt es derzeit
allerdings bei der Regelung über den Zugriff auf die IP-Adressen zugeordneten Personendaten. Grundsätzlich
steht das Verkehrsministerium auf dem Standpunkt, dass die Personendaten zu IP-Adressen in den Schutzbereich des
Fernmelde- und Kommunikationsgeheimnisses fallen. Der Zugang sollte also ebenfalls den strengen Regelungen unterliegen.
Dies insbesondere deshalb, weil im Gegensatz zur Telefonie mit der Kenntnis von IP-Adressen und den zugeordneten
Personendaten auch der Inhalt der jeweiligen Kommunikation ersichtlich wird.
Derzeit werden IP-Adressen nur für wenige Tage gespeichert, es gibt für die Betreiber keine Speicherverpflichtung,
weil diese Daten für Verrechnungszwecke nicht notwendig sind. Im Gegenteil: die Betreiber sind derzeit verpflichtet
solche Daten zu löschen. Die EU-Richtlinie schreibt die Speicherung von Internetverbindungsdaten aber vor.
Damit werden diese Daten für die Sicherheitsbehörden unter den genannten Voraussetzungen (Aufklärung
einer schweren Straftat, gerichtliche Anordnung) zugänglich. Das Innenministerium tritt hingegen dafür
ein, dass die Behörden auch präventiv, das hieße, ohne dass bereits eine Straftat vorliegt, Zugang
zu Internetverbindungsdaten bekommen.
Dieses Thema soll im Laufe der Begutachtung noch mit den betroffenen Ministerien besprochen werden. Aus Sicht des
Verkehrsministeriums wäre eine Regelung denkbar, wonach die Sicherheitsbehörden Auskünfte über
die Zuordnung von IP-Adressen zu bestimmten Teilnehmern zu einem bestimmten Zeitpunkt unter genau definierten Bedingungen
erhalten. Und zwar zur Abwehr von konkreten Gefahren für Leben, Gesundheit und Freiheit eines Menschen. Dazu
müssten allerdings auch im Sicherheitspolizeigesetz Anpassungen bezüglich des Rechtsschutzes gemacht
werden im Hinblick auf Informationspflichten und Einbindung der Datenschutzkommission.
Die Eckpunkte des Entwurfs
- Speicherdauer sechs Monate
- Verwendung nur für die Aufklärung von schweren Straftaten
- Zugriff auf die Daten nur mit gerichtlichem Befehl; einzige Ausnahme ist eine drohende Gefahr für Gesundheit
oder Leben
- Strenge Verwendungskontrolle der Daten (Dokumentationspflicht, Informationspflicht)
- Restriktiver Datenumfang (nicht mehr, als von der Richtlinie verlangt)
- Speicherung und Übergabe der Daten soll bestmöglich vor Missbrauch geschützt werden (Kontrolle
durch die Datenschutzkommission, nur Einzelabfragen, keine Verknüpfungen).
Die Regelung im Detail
Grundsätzlich verfolgt der Entwurf das Ziel, die Richtlinie so umzusetzen, dass zwar ihr Zweck - die Ermittlung,
Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten mittels auf Vorrat gespeicherter personenbezogener Daten -
innerstaatlich erreicht wird, um den Strafverfolgungsbehörden die Verwendung zeitgemäßer technischer
Mittel zu ermöglichen, zugleich aber durch gesetzliche Vorkehrungen sichergestellt ist, dass
* die mit der Vorratsdatenspeicherung verbundenen Grundrechtseingriffe so gering wie möglich ausfallen, *
die Sicherheit der Daten sowohl bei den Telekommunikationsbetreibern als auch bei den zur Datenanwendung berechtigten
Behörden bestmöglich gewährleistet ist, * den datenschutzrechtlich erforderlichen Informationspflichten
nachgekommen wird, * alle notwendigen Rechtsmittel zur Verfolgung der datenschutzrechtlichen und grundrechtlichen
Interessen Betroffener zur Verfügung stehen, * darüber hinausgehende unabhängige datenschutzrechtliche
Kontrollen vorgesehen werden, und * die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung auf die zur Speicherung
und Auskunft verpflichteten Telekommunikationsbetreiber grundrechtskonform zu gestalten sind.
Der Entwurf sieht vor, dass über die schon bisher für Telekommunikationsbetreiber bestehende Berechtigung
zur Speicherung und Verarbeitung von Daten für betriebsnotwendige, insbesondere für Verrechnungszwecke
(in der Regel für einen Zeitraum von drei Monaten) hinaus in Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie bestimmte,
näher umschriebene Daten (insbesondere IP-Adressen und Standortdaten) ab dem Zeitpunkt der Erzeugung oder
Verarbeitung bis sechs Monate nach Beendigung der Kommunikation zu speichern sind (vorgeschlagener § 102a
TKG).
Nach dem Entwurf dürfen Verkehrsdaten außer in den im TKG geregelten Fällen weder gespeichert noch
verwendet werden und sind vom Betreiber nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen oder zu
anonymisieren (vorgeschlagener § 99 TKG). Mit dieser nun auch vom Wortlaut ausdrücklich abschließenden
Regelung soll insoweit Rechtssicherheit geschaffen werden, als damit aus anderen gesetzlichen Bestimmungen weder
eine Berechtigung noch gar eine Verpflichtung zur Speicherung von Verkehrsdaten abgeleitet werden kann.
Von der Speicherpflicht nicht erfasst sind Unternehmen, die mittels Bescheid als kleines Unternehmen gemäß
der Empfehlung der EU Kommission 2003/361/EG eingestuft werden (vorgeschlagener § 102a Abs. 6 TKG). Diejenigen
Telekommunikationsanbieter, die zur Speicherung verpflichtet sind, gelten zur rechtlichen Klarstellung in Bezug
auf Vorratsdaten als Auftraggeber des öffentlichen Bereichs (vorgeschlagener § 102a Abs. 9 TKG). Die
den Anbietern aus der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung entstehenden Kosten werden entsprechend vergütet
(vorgeschlagener § 94 TKG).
Die auf Vorrat gespeicherten Daten dürfen ausschließlich aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung und
nur nach Maßgabe ausdrücklicher Gesetzesbestimmungen, die auf § 102a Bezug nehmen, zum Zweck der
Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten an die nach der StPO zuständigen Behörden
übermittelt werden (vorgeschlagener § 102b TKG).
So wie bisher haben die zuständigen Behörden nach der StPO zur Verfolgung "niederschwelliger"
Straftaten (also solcher, die keine "schweren Straftaten" sind) das Recht auf Beauskunftung der bei den
Telekommunikationsbetreibern für betriebsnotwendige Zwecke gespeicherten Verkehrsdaten, wenn eine gerichtliche
Bewilligung vorliegt (vorgeschlagener § 99 Abs. 5 Z. 1 TKG).
Ebenso wie bisher sind die nach dem SPG zuständigen Sicherheitsbehörden für die Erfüllung ihrer
im SPG geregelten präventiven Aufgaben berechtigt, Auskünfte über die bei den Telekommunikationsbetreibern
für betriebsnotwendige Zwecke gespeicherten Daten einzuholen.
Darüber hinaus sieht eine Verfassungsbestimmung vor, dass Sicherheitsbehörden für die Abwehr einer
konkreten Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen unter bestimmten engen Voraussetzungen Auskünfte
über Stammdaten und Standortdaten auch dann erhalten können, wenn dafür die Verwendung von Verkehrsdaten
notwendig ist und deshalb in das unter Richtervorbehalt stehende Fernmeldegeheimnis eingegriffen wird (vorgeschlagener
§ 99 Abs. 5 Z. 2 TKG).
Neben der positivrechtlichen Definition von einigen neuen, insbesondere technischen Begriffen beinhaltet der Entwurf
die Definition, wie die IP-Adresse rechtlich einzuordnen ist. Entsprechend den jüngsten Entscheidungen des
OGH wie auch des VwGH wird die IP-Adresse als Zugangsdatum und damit als Verkehrsdatum qualifiziert, wodurch sie
in den Schutzbereich des Fernmelde- wie auch des Kommunikationsgeheimnisses fällt (vorgeschlagener §
92 Abs. 3 Z 16 TKG).
Der Entwurf sieht eine Trennung zwischen für betriebsnotwendige Zwecke und auf Vorrat gespeicherte Daten vor,
für deren Speicherung besondere Sicherungsmaßnahmen vorgesehen sind. Die Kontrolle wird der Datenschutzkommission
übertragen (vorgeschlagener § 102c Abs. 1 TKG). Jeder Zugriff auf Vorratsdaten ist zudem zu protokollieren
(vorgeschlagener § 102c Abs. 2 und 3 TKG). Die Beauskunftung von Daten einer Nachrichtenübermittlung
nach den Bestimmungen der StPO wie auch die Beauskunftung solcher Daten an die Sicherheitsbehörden hat verschlüsselt
zu erfolgen (vorgeschlagener § 94 Abs. 4 TKG).
Schließlich sieht der Entwurf entsprechende neue Verwaltungsstraftatbestände vor (vorgeschlagener §
109 TKG).
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