Neues Spracherkennungssystem für Menschen mit Hörbehinderung
Wien (pk) - Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz
haben am 27.11. m Rahmen einer Pressekonferenz im Parlament ein gemeinsames Projekt zum Ausbau des Services für
die derzeit mehr als 500.000 gehörlosen oder stark schwerhörigen Menschen in Österreich präsentiert.
Im Rahmen eines gemeinsamen dreijährigen Pilotprojekts werden der ORF und das österreichische Parlament
ein Spracherkennungssystem zur Anwendung bringen, das es möglich macht, dem Publikum erstmals auch die Übertragungen
der Parlamentsdebatten und anderer ORF-Live-Sendungen mit Live-Untertiteln anzubieten. Erstmals zu sehen sein werden
die Untertitel bei der ORF-Übertragung der Nationalratssitzung am 10. Dezember 2009, kündigte Präsidentin
Prammer an.
"Das Parlament setzt mit diesem Projekt einen weiteren Schritt in Richtung Barrierefreiheit", freut sich
Nationalratspräsidentin Prammer über diese Neuerung. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an die Einführung
der Gebärdensprache im vergangenen Sommer, mit deren Hilfe Gehörlose erstmals die vom ORF übertragenen
Debatten des Nationalrats verfolgen können. Die Nationalratspräsidentin dankte dem ORF für diese
Innovationen. Im Sinne einer lebendigen Demokratie sei es wichtig, möglichst allen Bürgerinnen und Bürgern
die Möglichkeit zu geben, am politischen Geschehen teilzuhaben, sagte Prammer bei der Pressekonferenz. Gerade
das Parlament als Ort der freien Rede solle auch gehörlosen oder stark hörbehinderten Menschen erschlossen
werden.
Seit zwei Jahren werde auch der Web-Auftritt des Parlaments auf die heutigen Standards der Barrierefreiheit umgestellt,
so Prammer weiter: "Mit dem neuen Internet-Auftritt des Parlaments, der für das kommende Jahr vorgesehen
ist, werden diese Initiativen konsequent fortgesetzt und der Zugang zum Informationsangebot des Parlaments beträchtlich
erleichtert."
"Für den ORF ist es Teil seines öffentlich-rechtlichen Selbstverständnisses, den barrierefreien
Zugang zu seinen Programmen in den nächsten Jahren verstärkt zu ermöglichen", erklärte
ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz bei der Vorstellung des Projekts. "Der ORF ist damit der einzige
Rundfunkanbieter in Österreich, der diese wichtige soziale Verantwortung wahrnimmt und wir werden kontinuierlich
einen Teil der durch die in Aussicht gestellten Refundierung der Gebührenbefreiung zusätzlich zur Verfügung
stehenden Mittel in den stetigen Ausbau des Untertitelungsanteils im ORF-Fernsehen investieren. Das nun startende
Pilotprojekt zwischen Parlament und ORF-Gehörlosenservice ist ein klares Bekenntnis dazu, allen Menschen in
Österreich Zugang zum umfassenden Informations- und Unterhaltungsangebot des ORF zu ermöglichen",
sagte Generaldirektor Wrabetz und kündigte die Abhaltung eines Runden Tisches mit Behindertenvertretern an,
um Seitens des ORF alle Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen zu diesem Projekt kennenzulernen.
Pilotprojekt zum Ausbau der Live-Untertitelung im ORF-Programm
Bisher war die Untertitelung von Live-Sendungen im ORF aufgrund der sprachlichen Komplexität und der oftmals
hohen Sprechgeschwindigkeit ein sehr aufwändiges Verfahren, weshalb sich der Anteil an Live-Untertitelung
auf Wahlberichterstattung, ausgewählte Sportgroßereignisse und ähnliche Sondersendungen konzentrierte.
Das neue Spracherkennungssystem, das in der Schweiz bereits erfolgreich eingesetzt und nun im Rahmen eines Pilotprojekts
zwischen dem Parlament und dem ORF-Gehörlosenservice mit der Untertitelung der mehrstündigen Parlamentsübertragungen
in Österreich getestet wird, basiert auf dem Prinzip des Re-Speakens. Die geschulten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der ORF-Untertitel-Redaktion sprechen das Gehörte simultan in ein Mikrophon, und das System überträgt
den Text mit nur geringer Verzögerung direkt auf den Bildschirm. Anhand einer Rede der Abgeordneten Eva Glawischnig-Piesczek
demonstrierten Mitarbeiter des ORF, insbesondere eine der Simultansprecherinnen, den Medienvertretern die Funktionsweise
des Spracherkennungssystems praktisch.
Im Rahmen der Kooperation zeichnet der ORF für die technische Abwicklung verantwortlich und übernimmt
auch Training und Schulung der Redakteurinnen und Redakteure, die in Zukunft die Übertragungen der Parlamentsdebatten
im ORF live untertiteln werden. Darüber hinaus stellt der ORF diese Untertitel auch dem österreichischen
Parlament für dessen Online-Bereich zur Verfügung. Das nun gestartete und auf drei Jahre angelegte Pilotprojekt
wird es in Zukunft ermöglichen, auch längere Live-Sendungen in Echtzeit zu untertiteln. Gesehen werden
die Untertitel über die Zuschaltung der ORF TELETEXT-Seite 777.
In der Diskussion äußerte sich ein Vertreter der Gehörlosen positiv zu dem gemeinsamen Projekt
des Parlaments und des ORF, setzte sich aber zugleich nachdrücklich dafür ein, bei ORF-Live-Übertragungen
aus dem Parlament auch künftig nicht auf GebärdendolmetscherInnen zu verzichten. Präsidentin Prammer
sagte, diese Frage sei noch nicht entschieden. Man müsse die Erfahrungen mit dem Pilotprojekt abwarten. Die
Untertitelung sei jedenfalls notwendig, damit auch jene 500.000 hörbehinderten Menschen, die "Gebärde"
nicht verstehen, den Live-übertragungen folgen können. |