Die aktuelle Situation an Österreichs Universitäten   

erstellt am
24. 11. 09

F-G-Dringliche an Wissenschaftsminister Hahn
Wien (pk) - Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) ging am 23.11. in der Begründung der dringlichen Anfrage auf die aktuelle Situation an Österreichs Universitäten ein, wo nun bereits seit einigen Wochen Studentenproteste stattfinden. Sie habe durchaus großes Verständnis für einen Teil der Forderungen der Studierenden, die offenbar keine andere Möglichkeit mehr gesehen haben, um auf die Probleme an den Unis aufmerksam zu machen. Durch die Besetzung der Hörsäle soll vor allem auf die schlechten Betreuungsverhältnisse zwischen Studenten und Lehrenden sowie auf die Tatsache, dass die so genannte Bologna-Struktur nicht in entsprechender Form umgesetzt wurde, hingewiesen werden. Der Hauptkritikpunkt lag also darin, dass das System völlig verschult wurde, zeigte Mühlwerth auf. Massive Probleme entstanden auch durch den Zuzug von sehr vielen deutschen Studenten, die bereits ein Drittel der Gesamtzahl ausmachen. Man sollte sich daher überlegen, Ausgleichszahlungen von jenen Ländern zu verlangen, aus denen die ausländischen Studenten kommen, schlug sie vor.

Kritisch beurteilte die Rednerin die Einführung von Studienbeschränkungen, die ihrer Ansicht nicht das bringen werden, was man sich erwartet. Ihre Fraktion tritt dafür ein, dass alle Studierwilligen, aber auch Studierfähigen die Möglichkeit haben sollen, an die Unis zu gehen. Deshalb werde es nötig sein, die Reformen bereits an den Gymnasien und AHS anzusetzen, da die Maturazeugnisse derzeit in Österreich nicht vergleichbar sind. Mühlwerth befürchtete jedoch, dass auch die geplante Zentralmatura nicht wirklich eine Lösung für dieses Problem bringen wird. Weiters plädierte die Bundesrätin u.a. für eine bessere Studienberatung bereits an den Schulen, eine Reform des Studienaufbaus, eine bessere Vereinbarkeit von Studium und Beruf, eine Aufstockung des Lehrpersonals, eine kritische Beleuchtung der Nebentätigkeiten der Uni-Professoren, eine Bewertung des Lehrpersonals durch die Studierenden, eine Reduzierung der Drop-out-Quote bei gleichzeitiger Erhöhung der Abschlussrate, die Einführung des Online-Studiums, eine Umstellung von Semester auf Trimester, eine Evaluierung des Bologna-Prozesses sowie die Umsetzung einer studienplatzbezogenen Finanzierung. Zu all diesen Fragen habe man von Bundesminister Hahn leider bis dato sehr wenig gehört, der offensichtlich mit einem Bein schon in Brüssel ist, bedauerte Mühlwerth. Die versprochenen zusätzlichen Mittel seien nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, die ein – immer noch fehlendes - umfassendes Gesamtpaket für die Universitäten nicht ersetzen.

Bundesminister Johannes HAHN zeigte sich erfreut über die heutige Gelegenheit, über die Situation an den Hochschulen bzw. im tertiären Sektor reden zu können. Er versicherte Bundesrätin Mühlwerth, dass er sich sehr wohl der Probleme bewusst sei, wobei jedoch vieles von dem, was von ihr eingemahnt wurde, schon umgesetzt worden ist. Eingangs stellte er gleich klar, dass die Einführung von Zugangsregelungen nicht seine einzige Antwort auf die derzeitige Situation an den Unis sei; dies sei eine sehr verkürzte Darstellung des Problems. Noch bevor die Besetzungen der Hörsäle stattgefunden hat, habe er als Reaktion auf den großen Run auf manche Fächer festgestellt, dass die Einführung von Zugangsregelungen vermutlich das einzig taugliche Instrument darstellt, weil es dem Gesetz und den EU-Prinzipien entspricht. Was die Ausgleichszahlungen betrifft, so habe er bereits vor etwa zweieinhalb Jahren mit dem deutschen Amtskollegen darüber gesprochen. Allerdings zeigen sie wenig Verständnis dafür, weil sie selbst ganz bewusst ihre Kontingente in bestimmten Fächern begrenzt haben. Sie sind jedoch an einer einvernehmlichen Lösung interessiert, wobei allerdings das Primärrecht geändert werden müsste. Die Dänen wiederum sind gar nicht so glücklich über diese öffentliche Diskussion in Österreich und Deutschland, da sie wissen, dass ihre Ausgleichszahlungsregelung nicht "sonderlich EU-konform" ist.

Konform zeigte sich Hahn mit der Forderung bezüglich der Intensivierung der Studienberatungstätigkeiten den Schulen. Ein diesbezüglicher erster Pilotversuch, der nun flächendeckend ausgebaut werden soll, wurde bereits vor zwei Jahren gestartet. Positiv beurteilte der Wissenschaftsminister auch die Einführung von Online-Studien. Die nun von ihm bereit gestellten zusätzlichen 34 Mill. €, die ausschließlich der Verbesserung der Lehrbedingungen an den Unis zugute kommen dürfen, können genau für solche Zwecke eingesetzt werden. Hahn räumte weiters ein, dass die Umsetzung des Bologna-Prozesses nicht immer optimal gelaufen ist. Dort wo es Fehler gegeben hat, müssen auch Korrekturen vorgenommen werden, um ein sinnvolles Miteinander von Bildung und Ausbildung zu gewährleisten.

Was die generelle finanzielle Ausstattung betrifft, so sei es richtig, dass man sich das Ziel gesetzt habe, bis 2020 2 % des BIP für den tertiären Sektor aufzuwenden. Dies sei realistisch und man sei auch gut unterwegs in diese Richtung, bekräftigte Hahn. Langfristig gesehen habe er auch nichts gegen eine studienplatzbezogene Finanzierung, wobei jedoch noch eine Reihe von strittigen Fragen geklärt werden müssen. Der erste und naheliegende Schritt sei daher, bis Ende der Legislaturperiode klar zu stellen, wie in Hinkunft das heutige Globalbudget in eines für die Lehre und eines für die Forschung aufgeteilt werden kann. Schließlich ging Hahn noch auf einzelne konkrete Fragestellungen ein und merkte u.a. an, dass eine Oberstufenreform sicherlich ausführlich diskutiert werden muss. Er wies zudem darauf hin, dass nach Einführung der Zugangsregelungen bei den Medizinern die Drop-out-Rate dramatisch gesunken ist, und zwar von 50 bis 60 % auf 5 %.

Bundesrat Stefan SCHENNACH (G/W), der gemeinsam mit seiner Vorrednerin die dringliche Anfrage einbrachte, kritisierte die Vorgangsweise des Wissenschaftsministers, da er erst nach drei Wochen des Protests den Dialog mit den Studierenden gesucht habe. Es sei zwar richtig, dass Hahn "ein schreckliches Erbe" übernehmen musste, aber auch ihm sei es nicht gelungen, ein geordnetes Ressort an seinen Nachfolger zu übergeben.

Wenn man sich die Fakten im Wissenschaftsbereich ansehe, dann verstehe man den Zorn der Studierenden, meinte Schennach. So liege Österreich laut OECD-Statistik etwa nur an 30. Stelle (von 36 Ländern) bei den Absolventenquoten und auch die beste Universität Österreichs, die Uni Wien, ist nun wieder weiter abgestürzt im Qualitätsranking. Er wundere sich nicht, dass in Österreich immer noch viele zu wenige Maturanten das Studium wählen. Die Rahmenbedingungen seien oft katastrophal, zeigte Schennach auf, übervolle Hörsäle, undurchsichtige Studieneingangsprüfungen, schlechte Betreuungsverhältnisse und vieles mehr. Außerdem seien die Aussichten auf einen gut bezahlten Job immer schlechter; teilweise werden nur mehr prekäre Arbeitsverhältnisse angeboten, auch wenn man zwei Magistertitel vorzuweisen hat. Auf der einen Seite wurde ein nationaler Kraftakt unternommen, um die Banken zu retten, aber für die Ausbildung der Jugend sollen plötzlich zu wenig Mittel da sein, bemängelte Schennach.

Bundesrat Andreas SCHNIDER (V/St) stimmte mit dem Wissenschaftsminister darin überein, dass ein Teil der Fragen mit der Universitätsautonomie zusammenhänge und daher die jeweiligen Rektoren darauf antworten müssten. Was ihn generell an der gesamten Diskussion störe, sei die Tatsache, dass bei den Fachhochschulen und den pädagogischen Hochschulen selbstverständlich Zugangsbeschränkungen in Kauf genommen werden, bei der Universität, die nicht zur Resthochschule verkommen dürfe, aber nicht. Es müssen Lösungen überlegt werden, die darauf abzielen, dass sowohl die Eignungen als auch die Neigungen der Studierwilligen ausreichend berücksichtigt werden. Aufgrund der begrenzten Mittel könne man es sich nicht leisten, dass junge Menschen jahrelang das falsche Fach studieren oder dass sie an die Unis gehen, nur weil sie an den Fachhochschulen nicht genommen werden, war Schnider überzeugt. Dem Bundesrat Schennach sei aber darin zuzustimmen, dass auch eine Diskussion über eine bessere Gestaltung von Übergängen im Bildungssystem notwendig sei; mit der standardisierten Matura sei man aber bereits auf dem richtigen Weg. Schnider plädierte für eine offene Diskussion über die Zugänge, über den Umgang mit der Hochschulautonomie und darüber, ob wirklich alle drei Hochschultypen in Österreich den Namen Hochschule verdienen.

Bundesrat Reinhard TODT (S/W) wies darauf hin, dass in dieser Woche der Hochschuldialog zur Weiterentwicklung des österreichischen Universitäts- und Hochschulsystems stattfindet. Es bedürfe eines gesellschaftlichen Grundkonsenses. Ziel sei es, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen zu sichern und auszubauen. Teilnehmen sollen alle gesellschaftlichen Gruppen wie die ÖH, die Studierenden, Vertreter der Universitäten und Hochschulen, die Sozialpartner, die Vertreter der Regierung sowie Vertreter des Parlaments. Dieser Dialog sei erst der Anfang für eine neue Hochschulpartnerschaft, ein erster Schritt einer Gesamtkonzeption zur Gestaltung des Hochschulwesens, so Todt.

Bundesrätin Cornelia MICHALKE (F/V) meinte, die Studentendemonstrationen in den letzten Wochen haben werbewirksam aufgezeigt, dass es schon sehr lange eine unbefriedigende Situation im österreichischen Bildungswesen gibt. Man brauche Geld, die Universitäts-Milliarde sei laut den Ausführungen des Ministers bereits "auf Schiene". Bildung sei – zusammen mit der berufsorientierten Ausbildung – ein enormen Wert, der zur Sicherung des sozialen Friedens und des allgemeinen Wohlstands beitrage. Je höher das Bildungsniveau einer Gesellschaft ist, desto sicherer können die zukünftigen Herausforderungen bewältigt werden, unterstrich sie.

Bundesrätin Elisabeth GRIMLING (S/W) befasste sich mit der neuen Reifeprüfung und machte darauf aufmerksam, dass diese standardisiert und kompetenzorientiert sein werde. Die dafür notwendige Novellierung des Schulunterrichtsgesetzes wurde am 17. November kundgemacht. Diese Novelle sehe auch vor, dass ab dem Haupttermin 2015 an allen zur Reifeprüfung führenden Schularten die Reifeprüfung standardisiert und kompetenzorientiert abgelegt wird. Diese Reifeprüfung soll Leistungen von SchülerInnen vergleichbarer machen, Transparenz und höchstmögliche Objektivität gewährleisten, um die Aussagekraft von abschließenden Prüfungen zu erhöhen und an internationale Standards anschlussfähig zu machen, unterstrich die Bundesrätin.

Die Studienbeiträge haben aus Sicht der Bundesrätin Barbara EIBINGER (V/St) einen positiven Steuerungseffekt, so ist die Absolventenzahl gestiegen, gesunken sei die Quote jener Studenten, die keine Prüfungen abgelegt haben, nämlich von 40 % auf 15 %. Verständnis habe die ÖVP für die Proteste, aber nicht für die Sachbeschädigungen in besetzten Hörsälen, für die Störung von Sponsionsfeiern und auch nicht, dass jene Studierende vom Studium abgehalten werden, die wirklich studieren wollen. Auch gebe es jetzt kein Verständnis für die Demos, weil der Hochschuldialog übermorgen beginnen soll. Zum Online-Studium meinte die Bundesrätin, es sei ein gutes Zusatzangebot, aber es könne nur eine Unterstützung sein, weil der Kontakt mit den Vortragenden wichtig ist. Sinnvoll sei es ihrer Meinung nach, sich zum europäischen Hochschulraum zu bekennen, denn Österreich könne "nicht sein eigenes Süppchen" kochen.

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) meinte, die Probleme an den Universitäten gebe es schon länger, sie hängen aber nicht mit der Abschaffung der Studiengebühren zusammen. Der Minister habe sich in seiner heutigen Beantwortung sehr oft auf die Uni-Autonomie berufen, was aber nicht immer notwendig gewesen wäre. Wichtig sei für sie, dass diese Woche der Hochschuldialog beginnen werde.

Bundesminister Johannes HAHN gab bekannt, dass dem Hochschuldialog eine Zusammenkunft von ExpertInnen, die Daten liefern sollen, vorgeschaltet ist; innerhalb von ein, zwei Wochen sei es nicht möglich, so ein Meeting auf die Beine zu stellen. Hätte er auf diese Konferenz verzichtet, hätte man bereits vor zwei Wochen mit dem Dialog starten können. Der Hochschuldialog, der übermorgen beginnt, könne nur der Beginn eines Dialogs sein, weil man lösungsorientiert arbeiten möchte, hob der Ressortchef hervor. Man wolle zu einem möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens kommen. Im Zusammenhang mit den Studierendenzahlen wies Hahn darauf hin, dass sich durch die Einführung der Studienbeiträge 2001 40.000 Studierende von der Uni verabschiedet und exmatrikuliert haben. In den letzten Jahren haben sukzessive etwas mehr inskribiert, daher sei man jetzt wieder bei jenem Wert von Jahr 2000. Die Zahl jener, die tatsächlich studieren, konnte deutlich angehoben werden. Zu den Rankings meinte der Minister, all die Universitäten, die bei den Rankings vorne liegen, haben Zugangsregelungen und "keine schlampigen" Studienbeiträge. Auch verwies der Ressortleiter darauf, dass Österreich nach Irland den höchsten Anteil von Menschen, die einen postsekundären Abschluss vorweisen können, habe, weltweit liege unser Land an vierter Stelle. Die Ausbildungsqualität der ÖsterreicherInnen sei gar nicht schlecht. Menschen mit einer akademischen Berufsausbildung haben eine ungleich bessere Perspektive am Arbeitsmarkt als solche, die keinen Pflichtschulabschluss haben. Das bedeutet für Hahn: Wissen ist eine bessere Lebensperspektive. Zudem verwies er darauf, dass die Bildungsagenden keine EU-gesetzgeberische Kompetenz darstellen. Die EU könne nur durch Initiativen und Aktivitäten "Gleichklänge" erzeugen.
     
Informationen: http://www.parlament.gv.at    
     
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