NR-Präsidentin fordert Auseinandersetzung mit Feindbildern
Wien (pk) - "Wir müssen die Auseinandersetzung mit Feindbildern, Vorurteilen und Rassismus
offensiv suchen und sachlich führen", formulierte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer einen
Auftrag an die Politik. Prammer hielt am 04.12. bei der Tagung des Bundesverbandes für Psychotherapie im AK-Bildungszentrum
in der Theresianumgasse ein Referat zum Thema "Demokratie braucht Zivilgesellschaft". Das Generalthema
der Tagung lautete "Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzungs- und Gewaltbereitschaft gegenüber ,Fremden’".
Prammer betonte eingangs den demokratiepolitischen Zusammenhang und zitierte dazu die heuer veröffentlichte
Studie "Wertewandel in Österreich". Laut dieser interessieren sich 44 Prozent der Befragten kaum
bis gar nicht für Politik. Überhaupt nur ein Fünftel der Unter-30jährigen hat "ziemlich
starkes Interesse" an politischen Entwicklungen. Dahinter verberge sich auch Perspektivenlosigkeit, argumentierte
Prammer.
Die Frage sei, so die Präsidentin, ob eine Gesellschaft bereit und fähig ist, sich mit Interessenskonflikten
auch demokratisch zu befassen – in der Schule, an den Universitäten, in den Betrieben, auch in den Familien.
Und Prammer weiter: "Wenn Auseinandersetzung per se als unnötig und falsch abgetan wird, erfolgt bald
die Abkehr von Demokratie."
Die NR-Präsidentin räumte in diesem Zusammenhang durchaus ein, dass die Politik zu dieser Entwicklung
beitrage. Etwa, indem sie sich zu sehr am Konflikt und weniger an der Lösung orientiere. Wenn jedoch demokratische
Auseinandersetzung zu einer rein parteitaktischen werde, gehe jeder zivilgesellschaftliche Dialog zwangsläufig
unter.
Erklärtes Ziel müsse sein, die Menschen zur Partizipation zu motivieren und zu befähigen. Prammer
zeigte zwei Wege dorthin auf: Zum einen brauche es eine Bevölkerung , die den Willen zur Artikulierung der
Meinung hat, auch die Lust am Austausch, an der Diskussion gesellschaftlich relevanter Themen; zum anderen brauche
es eine Sensibilisierung für Populismus, Stigmatisierung, Intoleranz und nicht zuletzt Fremdenfeindlichkeit.
Dem stehe das klare Bekenntnis zu den Menschenrechten gegenüber, argumentierte die Präsidentin.
2009 hätten in Europa rassistische Übergriffe deutlich zugenommen. Zugleich hätten jene politischen
Kräfte Zuspruch bekommen, die mit Ausgrenzung, Hetze und Diffamierung operieren, warnte Prammer: "Es
besteht durchaus die Gefahr, dass Rechtsradikalismus weiter in die Mitte unserer Gesellschaft vordringt."
Feindbilder hätten vielfach ihre Ursache in den Veränderungen seit 1989, in Migration und Multikulturalität.
Verantwortungsvolle Politik müsse Verunsicherungen und Unbehagen in der Bevölkerung ernst nehmen, aufgreifen
und zur Diskussion stellen. Allerdings könne Politik eine aktive Zivilgesellschaft nicht ersetzen, schloss
Prammer: "Ohne diese Zivilgesellschaft kann selbst das stärkste Parlament auf Dauer eine Demokratie nicht
aufrecht und lebendig erhalten." |