Faymann
hält programmatische Rede in der Wiener Hofburg
Zahlreiche Prominenz aus Politik, Gesellschaft und Medien
Wien (sk) - "Österreich gemeinsam" - unter diesem Titel hielt Bundeskanzler Werner
Faymann am 02.12. eine programmatische Rede vor rund 1.600 geladenen Gästen aus Politik, Gesellschaft und
Medien in der Wiener Hofburg. In seiner gut einstündigen Rede zog der Bundeskanzler eine positive Bilanz über
ein Jahr an der Spitze der österreichischen Bundesregierung. Und er präsentierte auch Antworten auf die
großen Herausforderungen der Zukunft. Die breit gefächerte Palette an Themen spannte sich dabei von
der Bildung über den Arbeitsmarkt bis hin zum Budget.
Unter den mehr als 1.600 Zuhörern befanden sich fast das gesamte Regierungsteam genauso wie Bundespräsident
Heinz Fischer und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer sowie hochrangige Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft,
Kunst und Kultur. In den Zuhörerreihen waren u.a.: WIFO-Leiter Karl Aiginger, Arik, Naomi und Timna Brauer,
Attila Dogudan, Frauenministerin a.D. Johanna Dohnal, Milan Dor, Botschafter William Carlton Eacho III., ÖGB-Präsident
Erich Foglar, Thomas Glavinic, Mirko Kovats, Konrad Paul Liessmann, Erni Mangold, Heinz Marecek, Präsident
der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant, OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny, Stefan Ruzowitzky, Präsident
der Islamischen Glaubensgemeinschaft Anas Schakfeh, Kardinal Christoph Schönborn, IV-Präsident Veit Sorger,
Bundeskanzler a. D. Franz Vranitzky, Christoph Zielinski. Die Ansprache zum 1. Jahrestag der Bundesregierung, die
im Internet live übertragen wurde, kann im O-Ton unter www.oesterreich-gemeinsam.at abgerufen werden, wo auch
der gesamte Text der gesprochenen Rede zu finden ist.
"Wer Arbeitslosigkeit bekämpft, schafft Zukunft" - Zwei Gebote für Manager - Für
soziale EU
"Wir haben die zweitgeringste Arbeitslosigkeit und die zweitgeringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa
- das ist das beste Zeugnis, das wir nach einem Jahr ausstellen können. Denn wer Arbeitslosigkeit bekämpft,
schafft Zukunft. Und das ist im letzten Jahr sehr gut gelungen", so Faymann weiter. Die bewährten Grundsätze
"Weniger streiten, mehr erreichen" und "Weniger versprechen, mehr halten" müssten auch
weiter gelten, so Faymann, der klarstellte, dass "gemeinsam für und gemeinsam mit Österreich"
viel erreicht wurde. Die SPÖ-geführte Regierung habe mit raschen und richtigen Maßnahmen der Krise
entgegengehalten und den Zusammenbruch der Wirtschaft und der sozialen Sicherheit verhindert. Gerade in Krisenzeiten
habe sich gezeigt: "Nur Zusammenarbeit ist der richtige Weg für die Zukunft." Der Bundeskanzler
sprach sich weiters für zwei Gebote für Manager aus: So seien die gültigen deutschen Regelungen
einzuführen (Manager von börsennotierten Unternehmen müssen Gehälter offenlegen), außerdem
"darf die Allgemeinheit bei Supergagen nicht mehr mitzahlen", so Faymann, der betonte: "Spitzengehälter
über 500.000 Euro pro Jahr sind aus dem versteuerten Gewinn zu bezahlen."
"Wer sich am Gemeinsamen vergreift, findet in mir unerbittlichen Gegner"
Die Absicherung der Banken und des Finanzmarktes sei wesentlich dafür gewesen, dass "niemand
Angst davor haben musste, seine Sparguthaben zu verlieren". Außerdem sei die Finanzmarkt-Absicherung
wichtig gewesen, um für eine Absicherung der Aufträge im Interesse der Beschäftigung, der Unternehmen
und Arbeitnehmer zu sorgen. Es gelte jetzt, jene in ihrer Arbeit zu stärken, die nicht ins Kasino der Finanzmärkte
gegangen sind. Anzusprechen sei hier auch die Frage der Lastenverteilung. Es müsse um gerechte Steuern, um
die Stärkung der Realwirtschaft und um die Abwehr von Spekulationen gehen. Und es gehe hier auch um "die
Belastung von Vermögenszuwächsen, wo dies möglich ist und darum, den Finanzjongleuren das Handwerk
zu legen". Denn klar sei: "Wer sich am Gemeinsamen vergreift, findet in mir und in uns einen unerbittlichen
Gegner." Faymann verdeutlichte weiters, dass durch eine Transaktionssteuer und durch den Entfall der Spekulationsfrist
bei Aktien dem Staat rund eine Milliarde Euro für wichtige Maßnahmen zur Verfügung stehen würden.
Für soziale Europäische Union
Die EU sei nicht nur das größte Friedensprojekt, sondern habe auch - z.B. mit der Koordinierung
und Organisation von Konjunkturpaketen - in der Krise gegengehalten, so Faymann, der betonte: "Wir waren in
der EU eine gute Feuerwehr." Jetzt gehe es darum, dass die Europäische Union auch den "Brandschutz"
rechtzeitig gewährleistet, so Faymann, der unterstrich, dass er für eine soziale Union sei, die die Union
als Friedensprojekt und als starkes Instrument zur Krisenbekämpfung ergänzt. Er kämpfe für
eine EU, die Reichtum danach definiert, wie gut es den Menschen geht, so Faymann.
"Wahre Stärke misst sich daran, wie gut es den Schwachen geht"
Der Bundeskanzler bekräftige in seiner Rede weiters, dass er für ein Land stehe, in dem Respekt,
Solidarität und das Gemeinsame zählen und nicht die Gier oder das Trennende. Daher sei er auch so stolz
auf das "sehr gute Verhältnis zwischen den Religionsgemeinschaften in Österreich". Mit Blick
auf die im letzten Jahr rasch und entschlossen umgesetzten Maßnahmen, wie z.B. die vorgezogene Steuerentlastung,
die Sanierung der Sozialversicherungsträger und die Förderung der Familien, betonte Faymann, dass "sich
die wahre Stärke daran misst, wie gut es den Schwachen geht". Herausgestrichen wurde von Faymann auch
die zentrale Bedeutung einer guten Zusammenarbeit von Staat und privaten Unternehmen. So hätten etwa durch
die Kurzarbeit 56.000 Menschen den Arbeitsplatz behalten können. Der Bundeskanzler bekräftigte außerdem,
dass der Erfolg seiner Arbeit immer auch der Erfolg einer Teamarbeit sei, daher bedanke er sich bei allen Regierungsmitgliedern
herzlich.
Arbeitsmarkt- und Qualifizierungspaket - 100.000 Menschen profitieren
"Ich will als Regierungschef unser Land wieder zur Vollbeschäftigung führen", betonte
Faymann. Gerade in Zeiten einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise sei die steigende Arbeitslosigkeit ein
Hauptproblem. Für die Sozialdemokratie sei die Wirtschaftskrise aber erst dann wirklich vorbei, wenn die Beschäftigung
wieder steigt. "Daher bereitet Sozialminister Rudolf Hundstorfer gerade ein Arbeitsmarkt- und Qualifizierungspaket
vor, von dem 2010 100.000 Menschen profitieren werden", so der Bundeskanzler.
Das Arbeitsmarkt- und Qualifizierungspaket im Ausmaß von 69 Millionen Euro setze vor allem darauf, jene Maßnahmen
zu verstärken, die sich bisher bewährt haben. Da beispielsweise zwei Drittel aller Schulungsteilnehmer
im Anschluss wieder eine Arbeit finden, werde dies künftig stärker forciert. "Daher werden im Jahr
2010 10.000 gering qualifizierte Arbeitslose, doppelt so viele wie bisher, entsprechend ihren Fähigkeiten
zu Fachkräften qualifiziert", so Faymann, der weitere Maßnahmen aus dem Arbeitsmarkt- und Qualifizierungspaket
nannte: Eine Qualifizierungsoffensive in Gesundheits- und Sozialberufen für 6.000 Menschen, "denn das
sind Berufe mit Zukunft", eine Ausweitung und Aufstockung des Qualifizierungsbonus, eine weitere Flexibilisierung
der Kurzarbeit in Kombination mit Qualifizierungsmaßnahmen und die Beschäftigung von ca. 5.000 Langzeitarbeitslosen
in Gemeinden und gemeinnützigen Einrichtungen.
Die beste Bildung für unsere Kinder, soziale Schranken abbauen
"Wir wollen in Österreich die besten Kindergärten, die besten Schulen, die besten Hochschulen",
so Faymann weiter. Während des ersten Jahres der Regierung seien in Österreich ca. 75.000 Kinder geboren
worden. "Wenn diese 75.000 Kinder einmal zur Schule gehen, können wir ihnen wahrscheinlich noch nicht
die beste Schule der Welt bieten, aber sie sollen in eine bessere Schule gehen als wir sie jetzt haben," so
Faymann, der weiter ausführte, dass man mit dem kostenlosen Kindergartenjahr für alle 5-Jährigen
bereits den ersten Schritt in die richtige Richtung gesetzt habe. Bildung sei, so Faymann, der Schlüssel für
die Chancen unseres Landes und der Menschen, die darin leben. Darum sei es notwendig, alle Anstrengungen zu unternehmen,
um unseren Kindern die bestmögliche Schulbildung zu ermöglichen und soziale Schranken abzubauen. |
Als besonders wichtig hob der Bundeskanzler den Abbau von sozialen und finanziellen Hürden im Bildungsbereich
hervor. "In Österreich gibt es noch immer einen starken Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen.
80 Prozent der Kinder aus Akademikerfamilien besuchen eine höhere Schule, aber nur 20 Prozent aus Arbeiterfamilien.
Wir wollen, dass alle Kinder die selben Chancen haben, weil wir auf kein Kind verzichten können", so
der Bundeskanzler. Aus diesem Grund sei es wichtig, die gemeinsame Schule für alle 10- bis 14-Jährigen
weiter zu forcieren und "dieses Projekt darf nicht an der 10-Prozent-Grenze scheitern", so der Bundeskanzler.
In der Schule dürfe es nicht nur um "Ausbildung" gehen, so der Bundeskanzler. Fächerübergreifender
Unterricht, mehr Kleingruppen und gemeinsame Freizeitaktivitäten zur Konfliktvermeidung seien wichtig und
notwendig. "Dafür gibt es ein Modell, das von sehr vielen Eltern gewünscht wird: ganztägige
Schulformen", so Faymann, der kritisierte, dass aktuell österreichweit nur 4.000 Betreuungsplätze,
die den Kriterien einer modernen Ganztagesschule entsprechen, für 700.000 Schülerinnen und Schüler
zwischen 6 und 14 Jahren zur Verfügung stehen. 200.000 Plätze sollen es im Jahr 2018 sein, so Faymann.
Faymann zu Numerus-Clausus-Flüchtlingen: Brauchen internationale Lösung
Es sei allen klar, so Faymann, dass bei der Situation der österreichischen Hochschulen dringender
Handlungsbedarf herrscht. Österreich brauche mehr Akademiker und eine nachhaltige Finanzierung der Hochschulen.
Faymann sprach sich für faire Studieneingangsphasen aus und erteilte Knock-Out-Prüfungen und finanziellen
Barrieren eine klare Absage. Zur Thematik der Numerus-Clausus-Flüchtlinge betonte der Bundeskanzler, dass
man "nicht den Bedarf eines Nachbarlandes decken" könne. Es brauche Lösungen auf internationaler
Ebene, beispielsweise Ausgleichszahlungen von Deutschland, wie es z.B. das Skandinavische Modell vorsieht.
Weniger Egoismus, mehr Solidarität!
"Weitere wichtige Themen der Zukunft sind Umwelt, Forschung und Entwicklung. Ohne Forschung und Entwicklung
lassen sich viele Fragen der Zukunft nicht lösen", bekräftigte Faymann. Im Zentrum stehe die Entwicklung
von neuen Technologien zur Reduktion des CO2-Ausstoßes, besonders im Transport. Erschwert werde dieses Ziel
durch den Transit in Österreich. "Österreich verzeichnet nicht nur eine normale Verkehrssteigerung
durch erhöhte Mobilität wie in anderen Ländern, sondern auch durch einen starken Anstieg des Gütertransports",
erklärte der Bundeskanzler. Zum Erreichen der gesetzten klima- und umweltpolitischen Ziele bis 2020 gehöre
daher "die Verlagerung des Transports von der Straße auf die Schiene, das müssen wir in die Hand
nehmen." In dieses Vorhaben werden 20 Mrd. Euro investiert. Umwelt, Forschung und Infrastruktur dürfen
"nie tagespolitischen Interessen untergeordnet werden, dazu sind sie zu wichtig für die Zukunft unseres
Landes", so Faymann.
Als Unterstützung für die Forschung ist das Zwölf-Prozent-Modell geplant. Dieser Vorschlag des Wirtschaftsforschungs-Instituts
sieht vor, dass jedes Unternehmen unabhängig von seiner Größe und von seinem Gewinn von einer Prämie
von 12 Prozent der Forschungsausgaben profitieren soll. "Das ist gut für die, die am Anfang stehen, die
sich mit Mut etwas trauen, denn Forschung ist nicht nur für die Eliten da. Forschung und der Wettbewerb der
Ideen sind maßgeblich für die Zukunft unseres Landes", so Faymann.
Starke Steigerung der Bedeutung von Pflege- und Gesundheitsberufen
Gesundheit und Pflege waren weitere Punkte, über die der Bundeskanzler sprach. Hier sei besonders
der Pflegebereich als "Arbeitsmarkt der Zukunft" erwähnt. Zwei Mrd. Euro, zum Teil aus einer Transaktionssteuer
generiert, könnten 40-50.000 Arbeitsplätze schaffen. "Pflege- und Gesundheitsberufe sind die wichtigsten
Zukunftsberufe in Österreich", betonte Faymann. Auch im Gesundheitsbereich gilt: "Weniger Egoismus,
mehr Solidarität. Wir wollen keine Zweiklassen-Medizin in Österreich."
Konsolidierung der Staatsfinanzen: 3,5 Mrd. Euro durch Verwaltungsreform
Zum Thema Einsparungen und Konsolidierung der Staatsfinanzen betonte der Bundeskanzler, dass ein vierteljährlicher
Bericht die reale Einsparung sowie die Effizienzsteigerung der Verwaltung aufzeigen und damit auch eine Kontrollinstanz
darstellen soll. 3 bis 3,5 Mrd. Euro Verwaltungskosten sollen in dieser Legislaturperiode eingespart werden. "Sparen
ja, aber richtig! Sparen beim Staat, nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern", so Faymann.
"Wir schauen darauf, wie sich der Gewinn aller und nicht nur des einzelnen erhöht. Ich bin froh, Bundeskanzler
in einem Land zu sein, in dem Arbeitslosenzahlen nicht nur kalte Statistiken sind. Einem Land, das so viel Kultur
und Vielfalt kennt und das in Europa hohe Anerkennung wegen seiner wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leistungen
erfährt", so die Abschlussworte des Bundeskanzlers. |