Das Linz09-Projekt am Schillerplatz hat seine Pforten geschlossen
Linz (linz09) - Zwei Monate war der ehemalige Bibliothekscontainer am Vorplatz der Oö. Landesbibliothek
ein Treffpunkt für multikulturelle Veranstaltungen und Lesebetrieb für eine Vielzahl von Menschen aus
unterschiedlichen Herkunftsländern. Mit 30. November schloss die "Bibliothek der 100 Sprachen" ihre
Pforten. Zeit für eine Bilanz: 712 Bücher haben die Leserinnen und Leser gesammelt und im oberen Stock
des Bibliothekscontainers - fein säuberlich nach Sprachen sortiert - eingestellt. In diesen zwei Monaten beherbergte
der Container aber nicht nur Bücher und Veranstaltungen, in seinem auffälligen "Pink" und der
Aufschrift "Bibliothek der 100 Sprachen" in zwölf verschiedenen Sprachen stand er selbst als Botschaft
für die Vielzahl an Sprachen, die in Linz gesprochen werden.
Auch eine Vielzahl von ausländischen Botschaften hat sich an der "Bibliothek der 100 Sprachen"
beteiligt und Geschenke und Leihgaben eingestellt. Ganz zu vorderst die portugiesische Botschaft, die etwa 70 Bücher
zur Verfügung gestellt hat, knapp gefolgt von der russischen Botschaft, die Klassiker der Weltliteratur, aber
auch das Kinderbuch "Die Raupe Nimmersatt" auf russisch der Bibliothek zur Verfügung gestellt hat.
Der Kooperationspartner "Stadtbibliothek im Wissensturm" hat eine Vielzahl von Kinderbüchern in
albanisch, türkisch und serbokroatisch als Leihgaben beigesteuert. Auch Bücher in Gebärdensprache
waren präsent, dank Leihgaben des Gehörlosenverbandes.
Dem Kurator der Ausstellung der Linzer Künstler, Kurator und Kunsterzieher Robert Hinterleitner, war es
ein besonderes Anliegen, eine Beziehung zwischen der Leihgeberin/dem Leihgeber und der Leihgabe herzustellen: So
gab es zu jedem Buch einen Fragebogen, in dem man beantworten konnte, warum ein Buch ausgewählt wurde und
welche Textstelle von besonderer Bedeutung für den oder die Leihgeber/-in war. Zahlreiche Leihgeber haben
von dieser persönlichen Annotierung auch Gebrauch gemacht.
Die einzelnen Sprach"communities" zu erreichen, zu Veranstaltungen zu animieren und sie auch zum Lesen
im Container anzuregen, war eine nicht einfache Aufgabe für Kurator und Kontaktpersonen.: Ca 500 Menschen
haben die 17 Veranstaltungen besucht und 3868 virtuelle Besucher haben 134.855 Internetseiten der "Bibliothek
der 100 Sprachen" bis zum Projektende aufgerufen.
Besonders zum Erfolg beigetragen haben aber die "Bibliothekarinnen" der "Bibliothek der 100 Sprachen":
sie waren keine ausgebildeten Bibliothekarinnen, sondern repräsentierten mit ihrem migrantischen Hintergrund
auch die multikulturelle Zusammensetzung der Linzer Bevölkerung. Eine Gruppe von bisher im "Kulturlotsinnen-Projekt"
für Linz09 Tätigen hat sich im Verein "ibuk" zusammengeschlossen und hat täglich 8 Stunden
die "Bibliothek der 100 Sprachen" betreut. Daliborka Mijastovic, Mitgeschäftsführerin im Verein
IBUK versah ebenfalls Bibliotheksdienst im Container: "Mir hat die Idee der multilingualen Bibliothek sehr
gut gefallen, die einzelnen Sprachgruppen haben sehr viel Persönliches eingebracht und haben in diversen Veranstaltungen
viel von sich erzählt".
Azar Dodgasou, Künstlerin iranischer Herkunft ergänzt: "Leider hat niemand Bücher in persisch
("Farsi") eingestellt, obwohl sie nachgefragt worden wären".
Bogdana Bologescu stammt aus Rumänien und hat die Lesung "Fremden Sprachen lauschen. 6 Linzerinnen lesen
Texte in ihren Muttersprachen" samt deutscher Übersetzung organisiert. Sie bedauert, dass die "Bibliothek
der 100 Sprachen" keine Dauereinrichtung in Linz bleibt.
Bei der Eröffnungsveranstaltung am 2. Oktober 2009 konnte man "lebende Bücher" für eine
halbe Stunde "buchen". Diese "living books" erzählten ihre persönliche Geschichte
und beantworteten Fragen zu ihren Herkunftsländern.
Gut gefallen hat vielen Besucherinnen und Besuchern auch die "wohnzimmerhaft" gestaltete Einrichtung
von Kurator Robert Hinterleitner, der eine bewusst vertraute Leseatmosphäre in die nüchternen Container
gezaubert hat.
Neben dem Lesebetrieb waren es aber besonders die Veranstaltungen, die Kinder und Erwachsene der unterschiedlichen
Sprachgruppen angezogen haben. Besonders in Erinnerung ist eine Lesung mit dem aus Ghana stammenden Leondinger
Autor Patrick Addai, der mit seinem Vortrag in seiner Stammessprache "Ashanti" und in Deutsch die Herzen
der Kinder eroberte.
Was bleibt von der "Bibliothek der 100 Sprachen"?
- Ein starkes Zeichen für eine multikulturelle Kulturhauptstadt, das die kulturelle und sprachliche Vielfalt
sowie das Verbindende in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestellt hat.
- Die Bibliothek der 100 Sprachen ist ein wichtiger Impuls für den Aufbau einer umfangreichen Sammlung fremdsprachiger
Bücher; sämtliche im Rahmen des Projektes geschenkte Bücher gehen in den Bibliotheksbestand über,
die BIBLIOTHEK DER 100 SPRACHEN lebt also auch in den bestehenden Sammlungen weiter.
- Die Landesbibliothek hat zur BIBLIOTHEK DER 100 SPRACHEN eine multilinguale Webseite erstellt, die die Veranstaltungen
und die eingestellten Bücher gleichermaßen in Bildern und eingescannten Titelseiten dokumentiert und
diese Webseite wird über das Projektende hinaus weitergepflegt.
- Der Verein "ibuk", in dem sich die Bibliothekarinnen auf Zeit organisiert haben, denkt über
die Weiterführung der multilingualen Bibliothek nach Resümee: Ein schönes Sammlungsergebnis fremdsprachiger
Bücher bei inhaltlich durchwegs überzeugenden Veranstaltungen, die sich noch mehr Besucher verdient hätten.
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