Städtebund: Autonomer Gestaltungsspielraum der Städte enorm eingeschränkt   

erstellt am
14. 12. 09

Gemeindefinanzbericht 2009: Sozialausgaben steigen rapide an; trotz finanzieller Restriktionen erfüllen Gemeinden innerösterreichischen Stabilitätspakt
Wien (rk) - "Die Haushaltssituation der Städte und Gemeinden hat sich dieses Jahr trotz der guten Ergebnisse 2008 drastisch verschärft", erklärt Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes anlässlich der Präsentation des aktuell erschienenen "Gemeindefinanzberichts 2009", der in Zusammenarbeit mit der Kommunalkredit Austria AG und dem Österreichischen Gemeindebund jährlich veröffentlicht wird.

Eine bedeutsame Entwicklung im Jahr 2008 war die Wende von einer guten Konjunkturlage im Zeitraum zwischen 2005 und 2008 zu einer Rezession, die sich bereits im Herbst des Jahres 2008 ankündigte und schon im ersten Halbjahr 2009 zu einem Schrumpfen des BIP und zu einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit führte. Die Städte und Gemeinden sind von den Auswirkungen dieser Finanz- und Wirtschaftskrise massiv betroffen, weil die Einnahmen aus den Bundes-ertragsanteilen im Jahr 2009 dramatisch gesunken sind.

Die freie Finanzspitze, also der finanzielle autonome Gestaltungsspielraum der Städte und Gemeinden, hat sich um 11,9 Prozent auf EUR 549,3 Millionen verschlechtert. Im heurigen Jahr ist keine Verbesserung zu erwarten - somit ist anzunehmen, dass die freie Finanzspitze ab 2009 eine negative Entwicklung aufweisen wird. Gleichbleibende Einnahmen aus Gemeindeabgaben und Gebühren im Jahr 2008 bremsten zudem die Einnahmen-Erwartungen für das nächste Jahr - und das obwohl die Ertragsanteile 2008 stark gestiegen sind.

Kommunen bleiben wichtigster Investor
"Trotz der prekären Lage, bleiben Österreichs Städte und Gemeinden weiterhin der wichtigste öffentliche Investor. Und man muss auch betonen, dass sie es wieder als einzige Gebietskörperschaft geschafft haben, den innerösterreichischen Stabilitätspakt zu erfüllen und somit dem Bund und den Bundesländern als Vorbild dienen", sagt Weninger. Das Maastricht- Ergebnis ist mit EUR 187,9 Millionen zwar deutlich geringer ausgefallen als im Vorjahr (EUR 445,4 Millionen) - dennoch ist ein ausgeglichener Haushalt gelungen.

Die Nettoausgaben (Ausgaben abzüglich der Einnahmen des jeweiligen Bereiches) erhöhten sich in allen kommunalen Aufgabenbereichen. Besonders hoch waren die Veränderungen im Bereich Straßen-, Wasserbau und Verkehr (+ 23,8 Prozent auf EUR 588 Millionen) sowie bei den Dienstleistungen (+10,7 Prozent auf EUR 577 Millionen). Größter Ausgabenblock für Österreichs Gemeinden ist der Bildungsbereich mit EUR 1.412 Millionen (+ 7,9 Prozent). Gleichzeitig sind auch die Ausgaben für den Bereich der Sozialen Wohlfahrt sowie für Unterricht, Erziehung, Sport & Wissenschaft um durchschnittlich fast 10 Prozent angewachsen. Diese Entwicklung ist, nicht nur im Lichte der sinkenden Einnahmen, eine zunehmend unbewältigbare Herausforderung für die Städte und Gemeinden. "Der Österreichische Städtebund fordert bereits seit Längerem ein kommunales Infrastrukturinvestitionspaket, das ein Volumen von 3 Milliarden Euro für kommunale Infrastrukturinvestitionen bereits stellen soll. Österreichs Kommunen sollten wir schnell unter die Arme greifen, bevor es zu spät ist," betont Weninger. Die Sicherung des Wohlfahrtsstaats in seiner Gesamtheit erfordert umgehend gesamtheitliche Lösungen - die zwischen Bund, Ländern und Städten/Gemeinden in partnerschaftlichen Verhandlungen erarbeitet werden sollten.

Weiters sollte eine umfassende Verwaltungs- und Aufgabenreform auf Basis einer Staatsreform sowie auch einer Steuerreform umgesetzt werden. Um soziale Verträglichkeit zu garantieren, sollte im Zentrum der Reformen die Einbeziehung der Besteuerung von Spekulationsgewinnen aus Finanztransaktionen stehen - wobei die Durchsetzung im europäischen Gleichklang erfolgen sollte. Um das hohe und für die gesamte Wirtschaft bedeutende Investitionsniveau auch während der aktuellen wirtschaftlichen Situation aufrecht erhalten zu können, sollten die Länder und der Bund den Städten Sonderfinanzierungsmittel zur Verfügung stellen.

Kommunales Infrastrukturinvestitionspaket (KIIP)

  1. Der Bund soll Österreichs Städten und Gemeinden den Zugang zu günstigen Finanzierungsmöglichkeiten, etwa durch die Auflage von Anleihen, ermöglichen. Dies wäre durch ein einfaches Bundesgesetz möglich, indem der Bund ermächtigt wird, für die Kommunen Garantien bzw. Haftungen im Bereich von Infrastrukturinvestitionen zu übernehmen.
  2. Bund und Länder sollen diese Anstrengungen der Kommunen auch finanziell unterstützen, indem sie Zinsenzuschüsse von 50 Prozent - Bund und 25 Prozent - Land gewähren. Die Tilgung und weitere 25 Prozent der Zinsenlast übernehmen die Kommunen.
  3. Wenn die vom Bund zur Verfügung gestellten Finanzmittel verbraucht sind, sollen für den weiteren Investitionsbedarf kommunaler Infrastrukturmaßnahmen die Rahmenbedingungen für Bankdarlehen verbessert werden.
  4. Zur schnellen Durchführung soll bei der nunmehr staatseigenen Kommunalkredit, die über das entsprechende Know-how verfügt, eine eigene zentrale Abwicklungsstelle eingerichtet werden. Hier sollen die Anträge rasch auf ihre Förderwürdigkeit überprüft werden und die Förderungen von Bund und Land koordiniert veranlasst werden.
  5. Im Bereich der Verwaltung sind beschleunigte Verfahrensabwicklungen anzustreben, damit etwaige Zeitverzögerungen hintan gehalten werden können. Die Rahmenbedingungen, nach denen die Gemeindeaufsichtsbehörden die Darlehensaufnahme für zusätzliche Investitionen von Kommunen behandeln müssen, sind an das Programmziel anzupassen.


Forderung nach Reform des Finanzausgleichs aufrecht
Eine stärker aufgabenorientierte Mittelzuweisung muss sich an den unterschiedlichen Aufgaben der Kommunen orientieren. "Die Forderung des Österreichischen Städtebundes nach einer grundlegenden Reform des Finanzausgleichs bleibt aufrecht, denn wir sollten Aufgaben statt Köpfe finanzieren", sagt Weninger.

Städte als Wirtschaftsmotor
Österreichs Städte leisten für die österreichische Wirtschaft einen wichtigen Beitrag, wie auch ein Blick auf die regionale Gesamtrechnung und die Arbeitsplatzstatistiken verrät. Zudem sind sie weiterhin der größte öffentliche Investor und Arbeitgeber für über 110.000 Menschen (inkl. Wien). Städte leisten auch ihren Beitrag zur finanzwirtschaftlichen Stabilität des Staates indem sie, übrigens als einzige Gebietskörperschaftsebene, die Verpflichtungen aus dem innerösterreichischen Stabilitätspakt seit Jahren kontinuierlich einhalten. Auch die Verwaltungsreform wird von unseren Städten gelebt und von ständiger Innovation und Weiterentwicklung im Dienste der BürgerInnen begleitet - dies belegen auch zahlreiche Auszeichnungen.

Österreichs Städte sind lebenswert
Eine Tatsache die durch den beständigen Zuzug, Umfragen zur Zufriedenheit mit den Leistungen der Daseinsvorsorge und auch durch internationale Studien laufend bestätigt wird. Die Vorzüge des Stadtlebens liegen auf der Hand: Österreichs Ballungszentren bieten eine hohe Lebensqualität dazu gehört ein ausgezeichnetes Angebot an guten Arbeitsplätzen und auch bessere Aufstiegschancen für die BürgerInnen. Dies belegen die Ergebnisse der Studie "Städtebarometer", die das SORA-Institut im Auftrag des Österreichischen Städtebundes durchgeführt hat. "Wir können davon ausgehen, dass Städte in Zukunft eine weit größere Rolle spielen werden, als bisher. 60 Prozent der EinwohnerInnen der EU leben heute in Städten mit mehr als 50.000 EinwohnerInnen. In Österreich leben 45 Prozent der Bevölkerung in einer der 73 österreichischen Städte mit 10.000 und mehr EinwohnerInnen. Österreich wird sich dem Trend "Hinein in die Stadt" - weiterhin nicht entziehen können. Die größten Zuwachsraten wird es in den städtischen Räumen Wien, Linz, Graz, Salzburg und Innsbruck sowie dem städtischen Raum im Rheintal, also Bregenz, Dornbirn, Hohenems und Feldkirch geben", so Weninger.

Die Beweggründe um in die Stadt zu ziehen sind vielfältig, meist sind es Arbeit und Beruf, Bildung und Ausbildung sowie die Steigerung der Lebensqualität allgemein aber auch private Gründe wie z.B. die Gründung eines gemeinsamen Haushaltes. Das Angebot an (guten) Arbeitsplätzen bzw. Lehrstellen ist nicht nur ein wesentliches Zuwanderungsmotiv in den städtischen Raum, sondern stellt mit dem damit erhofften sozialen Aufstieg einen wesentlichen Bestandteil des Lebensgefühls in Österreichs Städten dar.

Informationen über den Österreichischen Städtebund
Etwa 65 Prozent der Bevölkerung und 71 Prozent der Arbeitsplätze befinden sich in Österreichs Ballungsräumen. Der Österreichische Städtebund ist die kommunale Interessenvertretung von insgesamt 246 Städten und größeren Gemeinden. Der Verein wurde am 24. September 1915 gegründet und hat heute neben Wien und den Landeshauptstädten praktisch alle Gemeinden mit über 10.000 EinwohnerInnen als Mitglied. Die kleinste Mitgliedsgemeinde zählt knapp 1.000 EinwohnerInnen.

Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Neben dem Österreichischen Gemeindebund, der die kleineren Gemeinden vertritt, ist der Österreichische Städtebund Gesprächspartner für die Regierung auf Bundes- und Landesebene und ist in der österreichischen Bundesverfassung (Art. 115 Abs. 3) ausdrücklich erwähnt.

     
Informationen: http://www.staedtebund.gv.at    
     
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