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Lissabon-Vertrag macht Ausschuss der Regionen zum Wächter über die Subsidiarität |
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Brüssel (cor.europa) - Erstmals können die gewählten regionalen und lokalen Vertreter in
Europa vor dem Europäischen Gerichtshof neue EU-Rechtsvorschriften anfechten, die ihres Erachtens gegen das
Subsidiaritätsprinzip verstoßen - hinter diesem Prinzip steht der Gedanke, dass die Entscheidungen so
bürgernah wie möglich getroffen werden sollten. Nachdem er sich fünfzehn Jahre lang für dieses
Recht stark gemacht hatte und es nun mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Realität geworden ist,
legte der Ausschuss der Regionen (AdR) nur wenige Tage nach dem Inkrafttreten des neuen EU-Vertrags die Bestimmungen
für die Wahrnehmung dieses Rechts fest: Auf ihrer Plenartagung am 3./4. Dezember in Brüssel beschlossen
die AdR-Mitglieder, dass sie in Zukunft über Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof im Falle eines Verstoßes
gegen das Subsidiaritätsprinzip mit einfacher Mehrheit befinden werden. Mit dem Lissabon-Vertrag wird die Stellung der Regionen und Städte im politischen System der Europäischen Union aufgewertet und die institutionelle Rolle ihres Vertretungsorgans in Brüssel, des Ausschusses der Regionen (AdR), im gesamten Legislativprozess gestärkt. Neben der Ausweitung der obligatorischen Konsultation des Ausschusses bei der Verabschiedung von EU-Rechtsvorschriften wird dem AdR nun auch in zwei spezifischen Fällen ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof eingeräumt: Erstens zur Wahrung seiner eigenen institutionellen Befugnisse und zweitens, um eine Nichtigkeitsklage gegen Rechtsakte zu erheben, die in Politikbereichen, in denen der AdR laut EU-Vertrag angehört werden muss. Der Präsident des Ausschusses der Regionen, Luc Van den Brande (BE/EVP), betonte, dass nach jahrelangen Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten und den anderen Institutionen die Zuerkennung eines Klagerechtes vor dem Europäischen Gerichtshof allein schon als großer Erfolg zu werten sei. "Wir sehen dieses neue Recht auf Anfechtung von Rechtsvorschriften vor dem Gerichtshof eher als Abschreckungsmaßnahme denn als echte Drohung. Wir sind davon überzeugt, dass diese neue Möglichkeit zur Stärkung unserer Beziehungen zu den anderen EU-Institutionen und den nationalen Parlamenten beitragen wird. Wir werden dieses Recht mit Bedacht wahrnehmen, jedoch in Fällen, in denen wir der Auffassung sind, dass das Subsidiaritätsprinzip im Rahmen der EU-Rechtssetzung gewahrt werden muss, auch mit großer Entschlossenheit ausüben. Wir hoffen jedoch, dass es dank einer raschen Umsetzung aller Bestimmungen des Lissabon-Vertrages, die bereits in der prälegislativen Phase und während der Verabschiedung neuer EU-Rechtsvorschriften die Subsidiarität stärken, nicht dazu kommen wird", erklärte Van den Brande. Angesichts der neuen Bestimmungen des Vertrags von Lissabon musste der AdR seine Geschäftsordnung anpassen und die Verfahren zur Wahrnehmung dieser Rechte festlegen. Auf der Grundlage der Vorarbeiten einer kleinen Arbeitsgruppe von AdR-Mitgliedern unter dem Vorsitz von Karl-Heinz Lambertz (BE/SPE), Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, verabschiedeten die AdR-Mitglieder in derselben Woche, in der der Lissabon-Vertrag in Kraft trat, einstimmig eine überarbeitete Fassung der Geschäftsordnung, und stellten damit unter Beweis, dass der Ausschuss seiner neuen Verantwortung gerecht wird. 1. Einzelheiten des Verfahrens bei Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip In Zukunft kann der Präsident des Ausschusses der Regionen oder die mit der Ausarbeitung des Stellungnahmeentwurfs betraute Fachkommission vorschlagen, wegen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip durch Rechtsakte, zu denen der Ausschuss gemäß EU-Vertrag gehört werden muss, vor dem Europäischen Gerichtshof Klage zu erheben. Das AdR-Plenum, das fünf Mal pro Jahr zusammentritt, befindet dann mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen über diesen Vorschlag. Wird ein entsprechender Beschluss gefasst, reicht der Ausschusspräsident im Namen des Ausschusses die Klage ein. Trifft das Plenum innerhalb der im Lissabon-Vertrag festgelegten Frist von zwei Monaten keine Entscheidung, kann das Präsidium des Ausschusses der Regionen mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen über den Vorschlag des Präsidenten bzw. der AdR-Fachkommission befinden. Wird dieser Vorschlag angenommen, reicht der Präsident die Klage im Namen des Ausschusses ein und befasst die Plenarversammlung auf ihrer nächsten Tagung mit der Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Klage. 2. Der Vertrag von Lissabon und die Regionen und Städte Europas 1. Erstmals in ihrer Geschichte erkennt die Europäische Union neben dem wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt auch den "territorialen Zusammenhalt" ausdrücklich als ein wesentliches Ziel an. Eine weitere wichtige Änderung ist die erstmalige Verankerung des Rechts der lokalen und regionalen Ebenen auf Selbstverwaltung in einem EU-Vertrag. Bei künftigen EU-Gesetzesvorlagen müssen die Kompetenzen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften berücksichtigt werden und sie müssen vorab in umfangreichen Konsultationen gehört werden. Der Vertrag sieht auch eine verstärkte Subsidiaritätskontrolle durch nationale und regionale Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen vor (so genanntes "Gelbe-Karte-Verfahren"). 2. Gemäß dem Vertrag von Lissabon kann der Ausschuss der Regionen nicht nur von der Kommission und vom Rat, sondern auch vom Europäischen Parlament konsultiert werden. Darüber hinaus wird dem AdR gemäß dem neuen Vertrag das Recht eingeräumt, von allen drei Institutionen in neuen Politikbereichen, beispielsweise Energie und Klimawandel, angehört zu werden. Um die Mandatsperiode des Ausschusses an jene der anderen EU-Institutionen anzupassen, wurde das Mandat der AdR-Mitglieder von vier auf fünf Jahre verlängert. Der Ausschuss der Regionen Der Ausschuss der Regionen (AdR) ist die Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter der EU. Seine 344 Mitglieder aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten haben den Auftrag, die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und die durch sie vertretene Bevölkerung in den Beschlussfassungsprozess der EU einzubinden und sie über die EU-Politik zu informieren. Die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat sind verpflichtet, den AdR in den für die Städte und Regionen relevanten Politikbereichen anzuhören. Der AdR kann den Europäischen Gerichtshof anrufen, wenn seine Rechte verletzt wurden, oder wenn er der Auffassung ist, dass eine EU-Rechtsvorschrift gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt bzw. dass regionale oder lokale Kompetenzen missachtet werden. |
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Informationen: http://www.cor.europa.eu | ||
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