Internationale Beispiele zeigen, dass ein hohes Maß an Sozialleistungen nicht mit einer
geringen Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft in Verbindung steht.
Wien (wifo) - Sozialpolitik kann über verschiedene Transmissionsmechanismen positiv auf Wirtschaftswachstum
und Beschäftigung wirken. Dafür müssen Anreizwirkungen berücksichtigt werden und Maßnahmen
auch in anderen Politikfeldern aktiv den Strukturwandel der Wirtschaft begleiten.
Sozialpolitische Strategien in den Bereichen Bildung, Familie und Arbeitsmarkt, die auf eine Erhöhung der
Arbeitsmarktbeteiligung abzielen, sind nicht nur die effektivste Möglichkeit zur Verringerung von Armut, sondern
tragen über eine Erweiterung der individuellen Teilhabechancen auch zur gesellschaftlichen Stabilität
sowie zur nachhaltigen Finanzierung des sozialen Sicherungssystems bei.
Für Frauen bedeutet eine verstärkte Integration in den Arbeitsmarkt eine eigenständige soziale Absicherung,
die angesichts des Anstiegs von Scheidungsrate und Lebenserwartung an Bedeutung gewinnt. Studien belegen, dass
sich mit einem eigenen Erwerbseinkommen die Verhandlungsposition von Frauen innerhalb der Familie verbessert und
sie weniger häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Zudem ist ihre geringere Arbeitsmarkteinbindung ein wichtiger
Erklärungsfaktor für die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede. Auf der Makroebene trägt eine
Erhöhung der Frauenbeschäftigung zur nachhaltigen Sicherung eines qualifizierten Arbeitskräftepotentials
bei.
Ein effektives Mittel zur verstärkten Arbeitsmarktintegration von Frauen liegt in der Schaffung eines flächendeckend
verfügbaren, qualitativ hochwertigen, erschwinglichen und mit den Arbeitszeiten kompatiblen Angebotes an institutioneller
Kinderbetreuung und Pflege. Mit einem Ausbau der sozialen Infrastruktur werden Teile der Haushaltsproduktion auf
den Markt verlagert und so durch die Beschäftigungsmöglichkeiten für Betreuungspersonen direkt Arbeitsplätze
geschaffen. Empirische Studien belegen außerdem eine förderliche Wirkung eines quantitativ und qualitativ
geeigneten Betreuungsangebotes auf die Fertilität.
Investitionen in eine qualitativ hochwertige Bildung, beginnend mit der frühkindlichen Bildung über das
Erstausbildungssystem bis hin zur Weiterbildung in anschließenden Erwerbs- und Lebensphasen, bilden eine
wichtige Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und wirken darüber hinaus positiv auf Indikatoren wie
die Stabilität der Arbeitsmarktintegration, die Einkommenssituation, den Gesundheitszustand, die Lebenserwartung
und die soziale Integration.
Für die Erwerbstätigen ist eine zukunftsorientierte Weiterbildungsstrategie notwendig, um den immer höheren
Qualifikationsanforderungen Rechnung zu tragen, die der technologische Fortschritt stellt. Die Betonung mittlerer
beruflicher Qualifikationen ist nicht mehr adäquat. Zentrales Element einer zukunftsorientierten Strategie
wäre die Höherqualifizierung von Arbeitskräften mit geringer und mittlerer Qualifikation.
Besondere Bedeutung kommt einer aktiven Bildungspolitik für Kleinkinder zu. Die Lernfähigkeiten eines
Kindes werden vor allem in den ersten Lebensjahren geformt. Gleichzeitig unterscheiden sich Eltern in ihrer Fähigkeit,
in ihre Kinder zu investieren und ihnen den Weg in die Bildungsgesellschaft zu ebnen. Eine qualitativ hochwertige
Betreuung, Erziehung und Bildung bereits von Kleinkindern trägt zu einer Verringerung der sozialen Vererbung,
einer Egalisierung der Startbedingungen und zu einer besseren Erschließung der Bildungspotentiale aller Kinder
bei. Bildungsausgaben sind im frühkindlichen Bereich (ab einem Alter von zwei Jahren) am effektivsten. Wie
empirische Studien zeigen, trägt in demokratischen Ländern eine egalitäre Verteilung zur gesellschaftlichen
Stabilität bei und wirkt sich somit positiv auf Kapital- und Humankapitalinvestitionen sowie auf die Wettbewerbsfähigkeit
aus. Sozialpolitische Transfers verbessern die gesellschaftliche Integration und die Teilhabe von gesellschaftlichen
Randgruppen. Auch sie können die soziale Vererbung mindern. Überdies geben Personen, die sozialpolitische
Transfers erhalten, einen großen Teil ihres Einkommens für Konsumgüter aus, sodass diese Leistungen
eine konjunkturstabilisierende Wirkung haben. |