Technikermangel: Risikofaktor für Österreichs Industrie   

erstellt am
15. 12. 09

Industrieforum: Verstärkt Frauen in technische Berufe holen - Aktiv Nachwuchssicherung für den Wirtschaftsstandort betreiben
Wien (pwk) - Eine ausreichende Zahl an Technikern und Technikerinnen mit den für die Industrie notwendigen Qualifikationen ist eine Grundvoraussetzung, um jenen technologischen Fortschritt sicher zu stellen, der für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit an einem Hochlohnstandort wie Österreich unverzichtbar ist.

Österreich ist eines der besten Beispiele dafür, dass ein Land ohne bedeutsame Standortvorteile oder Rohstoffvorkommen hinsichtlich Wirtschaftsleistung und Wohlstand zur Weltspitze zählen kann. Ein Spitzenplatz, der auf einer breiten Basis an hoch qualifizierten Menschen beruht. Umso alarmierender ist es, wenn sich seit Jahren in einem Segment der (Aus-)Bildung - nämlich in den industrienahen und produktionsorientierten Technikbereichen - ein nicht nur hartnäckiger, sondern sogar vergrößernder Abstand zwischen zu niedrigem Angebot und wachsender Nachfrage öffnet. Manfred Engelmann, Geschäftsführer der Bundessparte Industrie der WKÖ: "Wir können langfristig unseren Spitzenplatz nicht verteidigen, wenn entscheidende Bereiche der industriellen Aktivität in Österreich mangels ausreichender Anzahl an Personen mit entsprechenden Qualifikationen nicht aufrecht erhalten werden können."

Bildungsanforderungen ändern sich, müssen sich auch ändern. Die Unternehmen spüren diese Änderungen und reagieren. Gleichzeitig bestehen aber Versäumnisse der Politik, etwa hin-sichtlich einer Anpassung der Lehrpläne in den Schulen oder auch der Durchlässigkeit und Anrechenbarkeit zwischen den Technikerausbildungen in HTL, Fachhochschule und Universität "Gerade vor dem Hintergrund der Anstrengungen der österreichischen Industrie darf die Politik umso mehr in die Pflicht genommen werden, auch ihren Beitrag zu leisten", betont Engelmann.

"Die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften wird heute gerade von Leitbetrieben als wichtigster Standortfaktor angesehen", unterstreicht Gerhard RIEMER, Bereichsleiter Bildung, Innovation und Forschung in der Industriellenvereinigung. Unternehmensbefragungen haben gezeigt, dass die Industrie vor der Krise mit einem dramatischen Mangel an Technikern industrienaher Disziplinen zu kämpfen hatte. Und auch trotz Krise gibt es nach wie vor beachtliche Lücken bei der Deckung des Fachkräftebedarfs: So haben 42 % der Industrieunternehmen derzeit Probleme, genügend Fachkräfte im Bereich Technik & Produktion zu finden, sogar 54 % haben Probleme, genügend Hochqualifizierte im Bereich Forschung & Entwicklung zu finden.

In den kommenden Jahren wird eine weiter steigende Nachfrage auf ein zu geringes Angebot an Technikern treffen. Die Industriellenvereinigung hat schon vor Jahren im Aktionsplan "Menschen Schaffen Zukunft" einige Eckpunkte definiert, die im Zuge der Erstellung der Innovationsstrategie der Bundesregierung berücksichtigt werden müssen: Dies reicht von der generellen Steigerung des Innovationsbewusstseins der Gesellschaft über die Innovierung des Bildungssystems, die stärkere Einbeziehung von Frauen in Naturwissenschaften und Technik und die Verbesserung von Rahmenbedingungen für Forschungs- und Innovationsberufe bis hin zur Erhöhung der Mobilität und Forcierung des qualifizieren Zuzugs. Riemer: "Nachwuchssicherung muss von 'innen' - durch die Ausbildung einer ausreichenden Zahl an hochqualifizierten Absolventinnen und Absolventen - ebenso erfolgen wie durch Attraktivität nach 'außen' - für internationale Spitzenkräfte."

Ein besonderes Problem ist der geringe Anteil von Frauen in technischen Berufen. In der Festo GesmbH, Österreich-Tochter des im Bereich der pneumatischen Automatisierungstechnik global tätigen Festo Konzerns (Umsatz rund 1,7 Mrd. Euro), wurde vor sieben Jahren begonnen, sich mit dem Thema "Frau und Technik" zu befassen. Dies hat zu mehreren Initiativen geführt, beispielsweise zur Abhaltung von "Töchtertagen" oder der Bereitstellung sogenannter "Technikboxen" für Volksschulen. Katharina SIGL, Festo-Marketingleiterin: "Unsere Erfahrung ist, dass die jüngeren Teilnehmerinnen mehr Offenheit mitbringen; Begeisterung zu wecken wird offenbar mit zunehmendem Alter schwieriger und damit auch die Möglichkeit, eine Berufswahl entsprechend zu beeinflussen." SIGL plädiert aufgrund der Erfahrung bei den "Töchtertagen" für eine möglichst frühzeitige Möglichkeit, im Rahmen der Schulausbildung mit Technik in Kontakt zu kommen, sinnvoller Weise bereits in der Volksschule. "Wichtig wäre in allen Schulstufen eine Veränderung der Lehrpläne, die etwa der Beschäftigung mit physikalischen Grundlagen einen höheren Stellenwert einräumt."

Für Berndt-Thomas Krafft, Geschäftsführer des Fachverbands Maschinen & Metallwaren Indust-rie, ist die schulische Vorbildung eine entscheidende Weichenstellung für eine spätere technische Ausbildung, sei dies nun eine technische Lehre oder der Besuch einer HTL, Fachhochschule oder Universität. Gerade bei den Bewerbern für Lehrstellen im technischen Bereich müssen die Unternehmen immer wieder einen erschreckenden Mangel an Vorqualifikation feststellen: "Absolventen der Pflichtschulen sind oft nicht in der Lage einen Lehrvertrag einzugehen, da Grundkenntnisse fehlen; zumindest das Beherrschen der Grundrechnungsarten wird beim Bewerbungsverfahren aber eingefordert." Qualifizierte Jugendliche sind in Österreichs Industrieunternehmen als Lehrlinge hoch willkommen. Trotz des derzeit schwierigen wirtschaftlichen Umfelds ist es für die Unternehmen eine der obersten Prioritäten, den Abbau von Ausbildungsplätzen zu verhindern. Dies einerseits aufgrund der künftigen demographischen Entwicklung und andererseits im Hinblick auf einen vermehrten Fachkräftebedarf im kommenden Wirtschaftsaufschwung.

Der Bildungsforscher Arthur Schneeberger (Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, ibw) präzisiert das Schlagwort vom "Technikermangel": Diesen gibt es nämlich nicht generell, sondern in einzelnen Bereichen der Technik, insbesondere in produktionsorientierten Disziplinen. Internationale Vergleiche, die einen generellen Technikermangel in Österreich ausweisen, sind oft insofern irreführend, als sie den in Österreich weit verbreiteten HTL-Ingenieur nicht berücksichtigen (sofern er nicht über die Kolleg-Variante erreicht wurde): "Wir müssen uns bewusst werden, dass unser Bildungssystem eine grundsätzlich andere Struktur hat als die in Europa und weltweit übliche respektive sich durchsetzende." Notwendig sei daher eine Verbesserung der internationalen Transparenz der österreichischen Ausbildungsabschlüsse.

"Wir brauchen für die Zukunft außerdem eine Verschiebung des Studienanfängerstroms in Richtung der betrieblichen Qualifikationsnachfrage nach Fachrichtungen und nach Einstiegslevels", betont Schneeberger. So bedeutet der TU-Diplomabschluss nach 7 bis 8 Jahren Studiendauer als Erstabschluss für 70 Prozent der am Ingenieurarbeitsmarkt angebotenen Stellen Überqualifizierung.
     
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