RZB erwartet Normalisierung der Notenbanken-Geldpolitik – Abnehmende Wirtschaftsdynamik 2010,
Zinsen bleiben niedrig – Euroschwäche setzt sich im ersten Quartal fort
Wien (rzb) - Die Analysten der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB) erwarten in der zweiten
Jahreshälfte 2010 ein etwas schwächeres Wirtschaftswachstum als zuletzt. Chefanalyst Peter Brezinschek
sieht außerdem einen klaren Trend zur Normalisierung in der Liquiditätsversorgung am Finanzmarkt: "Die
Notenbanken bereiten sich nun auf den Ausstieg aus den Notmaßnahmen vor, die zuvor für die Stabilität
auf den Märkten wichtig waren."
Auf den Aktienmärkten sieht RZB-Experte Helge Rechberger unruhigere Zeiten: "Wir erwarten, dass sich
die konjunkturelle Grundstimmung im neuen Jahr tendenziell eintrüben wird." Rechberger favorisiert folglich
defensive Branchen wie den Versorger- und den Telekommunikationssektor und empfiehlt, Aktien zu verkaufen.
Notenbanken beginnen mit Liquiditätsabbau
Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Federal Reserve (Fed) haben ihre "Exit"-Strategie zum
langsamen Liquiditätsabbau bereits formuliert. Ziel ist es, die Geldmittelversorgung schrittweise einzudämmen,
nachdem sich die Situation in der Finanzwelt wieder gebessert hat. Geplant ist eine Verkürzung der Laufzeiten
von Krediten an die Geschäftsbanken. "Früher oder später sollte der Großteil des ausstehenden
Volumens wieder über die Hauptrefinanzierungsgeschäfte vergeben werden. Das bedeutet Laufzeiten von einer
Woche, wie es vor der Krise üblich war", so Brezinschek. Leitzinsanhebungen stellen aus Sicht der RZB-Analysten
erst den letzten Schritt aus der erweiterten Geldpolitik dar. Sie werden im ersten Halbjahr nicht auf dem Plan
stehen, sondern erst im Verlauf der zweiten Jahreshälfte einsetzen.
Abnehmende Wirtschaftsdynamik 2010 – Deutschland im Spitzenfeld
Im vierten Quartal sollten noch die Wachstumskräfte dominieren. In den großen Volkswirtschaften kann
der Jahresvergleich des Bruttoinlandsprodukts (BIP) deshalb ab dem ersten Quartal auch wieder ein Plus aufweisen.
Die Konjunkturdynamik lässt aber im Jahresverlauf nach. Es wird zwar weiterhin Wachstum geben, wenngleich
auch etwas schwächer als zuvor.
Von den großen Ländern sollte Deutschland mit einem BIP-Wachstum von 2,0 Prozent p.a. an der Spitze
liegen, die Schlusslichter markieren wenig überraschend Italien (0,7 Prozent) und Spanien (0,6 Prozent p.a.).
Exporte und Lagerinvestitionen stellen die Wachstumstreiber dar, Rückenwind gibt auch der öffentliche
Konsum, wogegen der private Konsum und Investitionen das Wirtschaftswachstum noch bremsen.
Euroschwäche setzt sich im ersten Quartal fort
Die jüngste Euro-Schwäche sollte sich im ersten Quartal 2010 fortsetzen. Der US-Arbeitsmarkt hingegen
verbessert sich und es kommt zu einem vorübergehenden ölpreisbedingten Inflationsanstieg. Dies könnte
diese Zinserwartungen im ersten Quartal 2010 trotz bereits sinkender US-Vorlaufindikatoren noch erhöhen. Die
Rückführung der großen Kreditaufnahmen in US-Dollar („Carry Trades“) und auch Ratingänderungen
in der Eurozone könnten den Devisenmarkt beeinflussen. All diese Faktoren würden den Euro gegenüber
dem US-Dollar-Kurs zwischenzeitig noch weiter unter Abwärtsdruck bringen.
Brezinschek erwartet den Beginn von US-Zinsanhebungen gegen Ende 2010 und rechnet deshalb für diesen Zeitraum
deshalb mit einem weiteren Rückgang des Euro zum US-Dollar-Kurs, der je nach Tempo der US-Zinsanhebungen anschließend
die Marke 1,40 auch deutlich unterschreiten dürfte.
Zinsen bleiben niedrig
Bis weit ins Frühjahr dürften die Geld- und Kapitalmarktsätze in den USA und der Eurozone auf niedrigem
Niveau verharren. Erst die Erwartung von Zinsanhebungen und höhere Risikoprämien für Staatspapiere
werden im zweiten Halbjahr zu höheren Renditen quer über die Laufzeiten führen. Die extrem steile
Zinskurve und die gedämpfte Inflation bremsen jedoch den Anstieg.
Stimmung auf den Aktienmärkten trübt sich ein
Vieles deutet darauf hin, dass sich der US-Aktienmarkt vor dem Übergang von einer liquiditätsgetriebenen
zu einer gewinngetriebenen Rallye befindet. "Die konjunkturelle Grundstimmung wird im neuen Jahr tendenziell
trübe. Das wird die Märkte noch einmal enttäuschen. Der weitere Jahresverlauf verspricht allerdings
durchaus wieder ein versöhnliches Ende", betont Rechberger. Einen ähnlichen Verlauf werden auch
die Aktienmärkte in der Eurozone nehmen. Die RZB-Analysten empfehlen, US-Aktien sowie Aktienmärkte in
der Eurozone im ersten Quartal zu verkaufen.
Asset Allocation: Defensive Sektoren sind Favorit
Rechberger favorisiert bei den Branchen defensive Sektoren wie Telekom und Versorger sowie ergänzend Energie.
Nach den massiven Kursanstiegen ist das Risiko einer Korrektur gewachsen, weshalb die Aktiengewichtung auf neutral
zurückgenommen wurde.
Der traditionell hohe Liquiditätszufluss zu Jahresbeginn sollte bald auslaufen. Für die RZB stellt dies
ein Signal für eine Untergewichtung von Aktien gegenüber Anleihen dar. EUR-Anleihen sind untergewichtet
gegenüber USD-Staatspapieren. Für Unternehmensanleihen ist wegen nur geringer Spreadänderung eine
neutrale Position angeraten. |