Dirac-Gleichung, ein Eckstein der Physik, von Innsbrucker Quantenphysikern simuliert
Innsbruck (universität) - Forscher des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation
(IQOQI) verwendeten ein Ion zur Simulation eines relativistischen Quantenteilchens und konnten dabei ein Phänomen
nachweisen, das in der Natur nie direkt beobachtet wurde: die sogenannte Zitterbewegung. Sie berichten darüber
in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature.
Nachdem sich die Quantenmechanik in den 1920er-Jahren etabliert hatte, gelang es dem britischen Physiker Paul Dirac
1928 erstmals, diese Theorie auch mit der von Albert Einstein postulierten Speziellen Relativitätstheorie
zu verbinden. Damit konnte die Quantenphysik auch auf Teilchen anwendbar gemacht werden, für die relativistische
Verhältnisse gelten, die sich also mit extrem hoher Geschwindigkeit (nahe der Lichtgeschwindigkeit) bewegen.
Aus der von Dirac formulierten Gleichung entsprangen einige bahnbrechende neue Erkenntnisse wie jene, dass es zu
jedem Teilchen auch ein Antiteilchen (die Antimaterie) gibt, sowie eine natürliche Erklärung für
die Existenz des Elektronenspins. Der österreichische Nobelpreisträger Erwin Schrödinger postulierte
in der Folge 1930 die Existenz der sogenannten Zitterbewegung, einer Art Fluktuation in der Bewegung relativistischer
Teilchen. „Nach der Dirac-Gleichung bewegt sich ein solches Teilchen im freien Raum nicht geradlinig fort, sondern
‚zittert’ in allen drei Raumdimensionen“, erklärt Christian Roos vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation
(IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). „Es ist unklar, ob sich diese Zitterbewegung
in der Natur direkt beobachten lässt.“
Quantensimulation eines Quantenteilchens
Physikalische Phänomene werden oftmals durch Gleichungen beschrieben, die zu kompliziert sind, um
sie exakt zu lösen. In diesem Fall stützen sich Wissenschaftler oft auf Computersimulationen, um Antworten
auf offene Fragen zu erhalten. Da diese Strategie selbst für relativ kleine Quantensysteme an der mangelnden
Rechenleistung der Computer scheitert, haben Forscher wie Richard Feynman vorgeschlagen, diese Phänomene in
anderen Quantensystemen experimentell zu simulieren. Voraussetzung dafür sind freilich sehr detaillierte Kenntnisse
der Physik dieser Systeme und eine extrem gute Beherrschung der Technologie. All dies hat die Forschungsgruppe
um Prof. Rainer Blatt mit ihren Experimenten zu Quantencomputern in den vergangenen Jahren in Innsbruck aufgebaut
und ist daher nun in der Lage, solche Quantensimulationen im Labor durchzuführen. „Die Herausforderung besteht
darin, die Gleichungen in dem Quantensystem gut nachzubilden, die verschiedenen Parameter über einen weiten
Bereich zu kontrollieren und die Ergebnisse zu messen“, sagt Christian Roos. Die Innsbrucker Experimentalphysiker
haben dazu ein Kalziumatom in einer Ionenfalle gefangen und mit Lasern stark abgekühlt. In diesem wohldefinierten
Zustand wurden dem Teilchen mit Hilfe von weiteren Lasern die Eigenschaften des zu simulierenden relativistischen
Teilchens eingeschrieben. „Unser Quantensystem verhielt sich nun genau so wie ein freies, relativistisches Teilchen,
das den Gesetzmäßigkeiten der Dirac-Gleichung gehorcht“, erklärt Rene Gerritsma, niederländischer
Postdoc am IQOQI und Erstautor des Beitrags in der Fachzeitschrift Nature. Mit Hilfe von Messungen konnten die
Wissenschaftler schließlich die Eigenschaften dieses simulierten Teilchens charakterisieren. „So gelang es
uns, die Zitterbewegung in der Simulation nachzuweisen. Auch konnten wir die Wahrscheinlichkeit bestimmen, mit
der sich das Teilchen an einem bestimmten Ort befindet“, erläutert Gerritsma. In dem sehr kleinen Quantensystem
bildeten die Physiker die Dirac-Gleichung nur für eine räumliche Dimension nach. „Es handelt sich um
ein Demonstrationsexperiment“, sagt Roos, „das mit entsprechendem technologischen Aufwand auch auf dreidimensionale
Verhältnisse umgelegt werden kann.“
Auch Antiteilchen simuliert
Das Innsbrucker Experiment zeichnet sich durch eine extrem gute Beherrschung der physikalischen Eigenschaften
des simulierten Teilchens aus. So konnten die Physiker zum Beispiel die Masse des Objekts verändern und auch
Antiteilchen simulieren. „Letztendlich war unser Zugang sehr einfach, aber man muss erst einmal auf die Idee kommen,
es so zu machen“, sagt Christian Roos, dessen Team sich dabei vom theoretischen Vorschlag einer spanischen Forschergruppe
inspirieren ließ. Finanziell unterstützt wurden die Forscher unter anderem vom österreichischen
Wissenschaftsfonds FWF und der Europäischen Kommission. |