Graz (idw) - Eine neue, sensationelle Methode, um gutes, keimfähiges Saatgut von abgestorbenen oder
gealterten Samen zu unterscheiden, haben ForscherInnen aus Graz gemeinsam mit KollegInnen an den "Royal Botanic
Gardens, Kew" in London entdeckt. Univ.-Doz. Dr. Ilse Kranner (England) und Ao.Univ.-Prof. Dr. Gerald Kastberger
vom Institut für Zoologie der Karl-Franzens-Universität Graz fanden eine Möglichkeit, die Qualität
von Samen mittels Infrarot-Temperaturmessungen zu bestimmen - innerhalb von zwei Stunden nach Zugabe von Wasser.
Je nach Keimfähigkeit zeigen sich verschiedene charakteristische Temperaturverläufe. Am 25. Jänner
2010 wurde das bislang unbekannte Phänomen auf PNAS Online veröffentlicht.
Ihre Tests haben die WissenschafterInnen zuerst an Erbsensaat durchgeführt. "Kommt ein Same mit Wasser
in Kontakt, löst sich der in ihm enthaltene, schnell verfügbare Zucker. Innerhalb von 60 bis 100 Minuten
sinkt die Temperatur der Lösung dann um bis zu drei Grad Celsius", berichten die ForscherInnen von der
erstmals gemachten Beobachtung. Ob keimfähig, tot oder gealtert - bei allen Erbsensamen zeigte sich diese
Abkühlung. Unterschiede waren aber im Bezug auf den Zeitpunkt festzustellen. Bei abgestorbenen Samen fiel
die Temperatur um zehn bis 15 Minuten früher als bei den keimfähigen, die gealterten brauchten am längsten.
Nach dem ersten "Temperatursturz" halten lebende Samen ihre negativen Temperaturen, weil ständig
Stärke in Zucker umgewandelt wird. Tote Samen können dies nicht oder nur schlecht - ihre Temperatur glich
sich nach wenigen Stunden wieder an die Umgebungstemperatur an. Man wisse zwar schon länger, dass Samen mit
schlechter Keimfähigkeit Probleme damit haben, ihre Reservestoffe abzubauen, aber dieses Versagen mit einer
nicht-invasiven Methode völlig berührungsfrei diagnostizieren zu können, sei im wahrsten Sinn des
Wortes "cool", so Kastberger.
Für eine präzise Interpretation der Sachverhalte war es dann notwendig, die Termperaturkurven hunderter
einzelner Samen zu untersuchen und mit denen von Zuckern und anderen Reservestoffen in vitro zu vergleichen. Dafür
wurden 22.000 digitale Einzelbilder für jeden einzelnen Samen mittels Bildverarbeitung analysiert. Neben den
Erbsen untersuchten die WissenschafterInnen auch Samen von Weizen und Raps. Und auch diese Tests bestätigten
die neuen Erkenntnisse. "Die Temperaturabnahme ist zwar entsprechend dem geringeren Volumen der Weizen- und
Rapssaat schwächer, der zeitliche Verlauf im Prinzip aber der gleiche", so Kastberger. Die Ergebnisse
lassen darauf schließen, dass sich grundsätzlich alle Samen auf diese Weise hinsichtlich ihrer Keimfähigkeit
beurteilen lassen, ist der Wissenschafter vom neuen Diagnoseverfahren begeistert, das noch dazu eine Treffsicherheit
von bis über 90 Prozent aufweise. Die Entdeckung ist vor allem für die Forschung von großem Vorteil,
da sie die Auswahl von optimalem Ausgangsmaterial an Samen für verschiedenste Studien ermöglicht. "Einige
Forschungsgruppen haben bereits Interesse an unserem Verfahren bekundet", freut sich Kastberger
Publikation:
Noninvasive diagnosis of seed viability using infrared thermography Ilse Kranner, Hugh W. Pritchard (Royal
Botanic Gardens) Gerald Kastberger, Manfred Hartbauer (Karl-Franzens-Universität Graz) Fachartikelnummer:
DOI: 10.1073/pnas.0914197107 |