Wien (rk) - "Einige Städte und Gemeinden sind bereits von massiver Verschuldung bedroht und
können daher viele Leistungen der Daseinsvorsorge nicht mehr gewährleisten. In letzter Konsequenz bekommen
dies die Bürgerinnen und Bürger zu spüren. Es muss im Interesse von Politik und Gesellschaft liegen,
den sozialen Zusammenhalt und damit den sozialen Frieden zu wahren," macht Thomas Weninger, Generalsekretär
des Österreichischen Städtebundes die prekäre Situation anlässlich der 54. Sitzung der Finanzkommission
am 26.01. deutlich.
Die Ertragsanteile der Städte und Gemeinden sind im Vergleich zum Vorjahr um 200 Millionen Euro gesunken,
wohingegen die Ausgaben speziell im Bereich Gesundheit und Soziales sprunghaft angestiegen sind. Das Ergebnis des
laufenden Budgets wird sich von 2009 auf 2010 nahezu halbieren. Die freie Finanzspitze, also der finanzielle autonome
Gestaltungsspielraum der Städte und Gemeinden, hat sich um 11,9% auf EUR 549,3 Mio. verschlechtert. Im heurigen
Jahr ist keine Verbesserung zu erwarten - somit ist anzunehmen, dass auch die freie Finanzspitze ab 2009 eine negative
Entwicklung aufweisen wird.
"Angesichts der miserablen Situation sind nun Bund und Länder gezwungen zu handeln, ohne deren finanzielle
Unterstützung wird keine Verbesserung der Lage möglich sein. Österreichs Städte leisten für
die Wirtschaft einen wichtigen Beitrag. Sie sind der größte öffentliche Investor und damit wichtiger
Partner der lokalen Klein- und Mittelbetriebe, die wiederum Arbeitgeber für tausende Menschen sind",
sagt Josef Hörnler, Vorsitzender der Finanzkommission und Finanzdirektor von Innsbruck. Städte leisten
auch ihren Beitrag zur finanzwirtschaftlichen Stabilität des Staates indem sie, übrigens als einzige
Gebietskörperschaftsebene, die Verpflichtungen aus dem innerösterreichischen Stabilitätspakt seit
Jahren kontinuierlich einhalten. "Ob dies auch 2010 möglich sein wird, ist abzuwarten - die Vorzeichen
dafür sehen jedenfalls schlecht aus," sagt Thomas Weninger.
Das KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung hat in einer Untersuchung erhoben, dass Städte und Gemeinden
Mittel in der Höhe von rund 1 Mrd. Euro benötigen würden, um das Schlimmste abzuwenden. Ein Betrag,
der angesichts der Euro-Milliarden, die zur Rettung anderer Wirtschaftssektoren aufgewendet wurden, zu vertreten
und zu argumentieren ist.
Verschwundene Mehrwertsteuer-Milliarden
Vor diesem Hintergrund ist es auch verwunderlich, dass in unserem Land relativ wenig Initiative gezeigt
wird, verschwundene Mehrwertsteuer-Milliarden, die im Zuge einer Ende Oktober 2009 veröffentlichten EU-Studie
aufgedeckt wurden, auch wieder "zurückzuholen". Wie die von EU-Kommissar Laszlo Kovacs beauftragte
Untersuchung belegt, sind in Österreich seit dem Jahr 2000 etwa 3,1 Mrd. Euro oder 14 Prozent der in diesem
Bereich zu erwartenden Einnahmen "verschwunden" (EU-weit sind es kumuliert 106,7 Mrd. Euro) - Gelder,
die eigentlich die Staatskassen dringend benötigen würden. Gründe für die Mehrwertsteuerlücke
gibt es viele - von Betrug und Steuerhinterziehung bis hin zu legaler Steuervermeidung und Konkurs-Ausfällen.
Alleine ein Drittel dieser verschwundenen 3,1 Mehrwertsteuer- Milliarden würde die Zukunft unserer Städte
und Gemeinden optimistischer aussehen lassen. Der Österreichische Städtebund würde es begrüßen,
mehr Elan bei der Bekämpfung des Steuerbetrugs zu sehen. Der Bund darf gerade in solch harten Zeiten nicht
auf die Städte und Gemeinden vergessen.
Resolution zur finanziellen Lage der Städte beschlossen
Um die Dramatik der Lage zu unterstreichen und auch dem Bund und den Ländern diese öffentlich zu
kommunizieren, hat der Österreichische Städtebund seinen Mitgliedern eine Resolution zur finanziellen
Lage der Städte zur Beschlussfassung im Gemeinderat zur Verfügung gestellt. "Die Resonanz auf die
Resolution ist überaus positiv. Rund 100 von 246 Städten haben die Resolution bereits beschlossen. Einige
Gemeinderatssitzungen finden erst im Frühling statt. Wir sind uns sicher, dass weitere Städte die Resolution
unterzeichen werden", erklärt Thomas Weninger.
Die Resolution, die von allen politischen Fraktionen gemeinsam erarbeitet wurde, beinhaltet folgende Punkte:
- * Städtische Haushalte fordern ein Finanzpaket zur Sicherung der Nachhaltigkeit.
- * Österreichs Städte beanspruchen eine faire Mittelaufteilung durch einen aufgabenorientierten Finanzausgleich,
der insbesondere eine Abgeltung für die vielfältigen zentralörtlichen Leistungen vorsieht.
- * Städte und Gemeinden bestehen auf Kompetenzbereinigungen im kommunalen Bereich. Vor allem Aufgaben und
Ausgabenverantwortung sollten wieder zusammengeführt werden - wie die Finanzierung der Krankenhäuser
und der Sozialhilfe, die Aufgabe der Länder ist.
- * Ballungszentren fordern das Ende der schleichenden Aushöhlung des Finanzausgleichs mittels Verlagerungen
von Aufgaben ohne ausreichende Mittel. Die öffentliche Sicherheit ist ebenso Aufgabe des Bundes wie die Sicherstellung
existenzsichernder Pensionen und Pflegegeldbestimmungen.
- * Eine gerechte Reform der Grundsteuer ist unabdingbar.
- * Die Modernisierung der Verwaltung findet in den Städten statt, obwohl seitens des Bundes Personaleinsparungen
getroffen wurden und sich der Aufgabenumfang für Städte und Gemeinden stetig erweitert. Eine Verwaltungsreform
wird ohne Aufgabenreform nicht durchführbar sein - wobei letztere ohne eine Staatsreform nicht auskommen wird.
Österreichs Städte und Gemeinden bekennen sich zu ihrer Verantwortung, im Rahmen ihrer Möglichkeiten
zur sparsamen und effizienten Mittelverwaltung und somit zu einem Teil der erforderlichen Einsparungen beizutragen.
Städte und Gemeinden stellen jedoch nachdrücklich fest, dass die derzeitige Situation sie veranlasst
hat, bis an die äußerste Grenze der Finanzierbarkeit zu gehen und sehen sich außer Stande, die
strukturellen Defizite alleine aus eigener Kraft auszugleichen. Dies war auch Grundtenor der Rede von Bernhard
Müller, Bürgermeister von Wiener Neustadt und Vertreter des Österreichischen Städtebundes bei
der letztwöchigen parlamentarischen Enquete zum Thema "Verteilungs- und Leistungsgerechtigkeit in Österreich":
"Solange es nicht gelingt, diese Gerechtigkeit bei Bund, Ländern und Gemeinden im institutionellen Bereich
sicherzustellen, wird es auch nicht möglich sein, eine solche im individuellen Rahmen zu erreichen. Es kann
nicht sein, dass sich eine Körperschaft eine Idee ausdenkt, die jedoch eine andere finanzieren soll. An dieser
Stelle muss man ansetzen, und zwar in ganzheitlichem Rahmen, denn eine solche Fehlentwicklung kann man auch auf
europäischer Ebene konstatieren."
Laut Meinung des WIFO seien Konsolidierungsmaßnahmen primär ausgabenseitig zu finden und der Sparwille
der Kommunen nicht zu unterschätzen. Es bestünde aber die Gefahr, dass Sozialleistungen nennenswert gekürzt
würden. "In diesem Lichte wird es ohne einen aufgabenorientierten Finanzausgleich nicht gehen. Leistungsgerechtigkeit
wird es nur geben, wenn man auch soziale Gerechtigkeit im Auge behält", so Müller.
Informationen über den Österreichischen Städtebund
Etwa 65 Prozent der Bevölkerung und 71 Prozent der Arbeitsplätze befinden sich in Österreichs Ballungsräumen.
Der Österreichische Städtebund ist die kommunale Interessenvertretung von insgesamt 246 Städten
und größeren Gemeinden.
Der Verein wurde am 24. September 1915 gegründet und hat heute neben Wien und den Landeshauptstädten
praktisch alle Gemeinden mit über 10.000 EinwohnerInnen als Mitglied. Die kleinste Mitgliedsgemeinde zählt
knapp 1.000 EinwohnerInnen.
Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Neben dem Österreichischen Gemeindebund, der die kleineren Gemeinden vertritt,
ist der Österreichische Städtebund Gesprächspartner für die Regierung auf Bundes- und Landesebene
und ist in der österreichischen Bundesverfassung (Art. 115 Abs. 3) ausdrücklich erwähnt.
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