München (idw) - Gegenwärtig können Hirntumore nur selten geheilt werden. Die Ergebnisse einer
unter Federführung von Forschern des Max-Planck- Instituts für neurologische Forschung entstandenen und
jetzt im Journal of Nuclear Medicine veröffentlichten Langzeitstudie lassen hoffen, zukünftig die Tumorprogression
bei Gliom-Patienten besser diagnostizieren zu können.
Primäre Hirntumore wie Gliome nach Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) richtig zu klassifizieren
hat einerseits einen hohen prognostischen Wert für den betroffenen Patienten und ist andererseits von großer
klinischer Bedeutung für die behandelnden Ärzte. Während beispielsweise ein Tumor der Kategorie
II nur operativ angegangen und mit einer Überlebensspanne von 6 - 8 Jahren angegeben wird, werden solche der
Kategorie III nach erfolgter Operation zusätzlich bestrahlt und chemotherapeutisch behandelt. Hier liegt die
zu erwartende Überlebenszeit bei ca. 3 Jahren. Da Krebszellen im Hirn typischerweise auch gesundes Gewebe
durchsetzen, verbleiben unabhängig von der Behandlungsmethode transformierte Zellen im Kopf. Deren weitere
Zellteilung führt zu einem Rezidiv, welches nach WHO-Vorgaben häufig einer höheren Kategorie zuzuordnen
ist. Dies ist ein Fall maligner Progression, der nach einem Therapiewechsel verlangt. Diese biologische Wertigkeit
eines Hirntumors richtig einzuschätzen, war bisher schwierig.
Ein Silberstreif am diagnostischen Horizont ist eine Aminosäure namens Methionin (MET). Diese hat bereits
seit etwa 20 Jahren ihren Platz in der bildgebenden Darstellung von Hirntumoren inne, offenbarte nun aber in einer
retrospektiven Langzeitstudie ein weiteres Potenzial: ihre veränderte Anreicherung im Tumorgewebe könnte
zukünftig zur Bestimmung einer malignen Progression dienen. "Es gibt erstmalig ein nicht- invasiv gewonnenes
Kriterium, welches mit hoher Genauigkeit Ärzten und Patienten gleichermaßen die bestmögliche Therapieform
nahelegt", so Roland Ullrich vom Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln, der an
dieser Studie mitwirkte.
Die 1993 begonnenen Messungen nutzten den in Krebszellen erhöhten Stoffwechsel aus. Dieses besonders aktive
Gewebe benötigt neben Zuckermolekülen und Sauerstoff auch Aminosäuren wie zum Beispiel das MET.
Schleust man eine solche, zuvor radioaktiv markierte Aminosäure als Tracer-Substanz über die Armvene
in den Körper, so reichert sich diese im Tumorgewebe an und kann mittels der Positronen-Emissions- Tomographie
(PET) detektiert werden. Mit einer MET-Halbwertszeit von lediglich 20 Minuten kann diese Art von Messung nur an
Forschungseinrichtungen durchgeführt werden, die diesen Tracer selbst herstellen können. Nach 17 Jahren
der Zusammenarbeit des MPI für neurologische Forschung mit Wissenschaftlern vom Wolfson Molecular Imaging
Center (Manchester) sowie dem European Institute for Molecular Imaging (Münster) legt die Auswertung des Datenmaterials
nahe, dass eine maligne Progression mit einer Zunahme der MET-Anreicherung im Tumor von knapp 15% bezogen auf den
individuellen Ausgangswert einhergeht. Es konnte außerdem beobachtet werden, dass diese Zunahme einhergeht
mit einer erhöhten Menge an Substanzen, die für die Neubildung von Blutgefäßen verantwortlich
sind - ein möglicher Ansatzpunkt für neue Therapiemaßnahmen.
Originalarbeit:
Roland T. Ullrich, Lutz Kracht, Anna Brunn, Karl Herholz, Peter Frommolt, Hrvoje Miletic, Martina Deckert,
Wolf-Dieter Heiss, Andreas H. Jacobs (2009). 'Methyl-L-11C-Methionine PET as a Diagnostic Marker for Malignant
Progression in Patients with Glioma'. Journal of Nuclear Medicine, 50 (12), 1962-1968. |