Ohne die Protonen-Pumpen der Pflanzen gäbe es im Wein keine Säure
Würzburg (idw) - Wichtig sind diese Pumpen generell für die Vitalität von Pflanzen,
wie Forscher aus Würzburg und Heidelberg in der renommierten Zeitschrift "Proceedings" der Akademie
der Wissenschaften der USA berichten.
Bei der Photosynthese produzieren Pflanzen in der Regel mehr Nährstoffe als sie selber brauchen. Den Überschuss
lagern sie ein - unter anderem in ihren Vakuolen. Diese Vorratskammern machen in den Zellen 70 bis 90 Prozent des
Volumens aus. Sie sind mit einer wässrigen Lösung von Ionen und Nährstoffen gefüllt und von
einer Membran umgeben.
Zuckerrüben häufen in ihren Vakuolen Zucker an, Weintrauben und andere Früchte speichern dort zusätzlich
zum Zucker auch Fruchtsäuren. Mit welchen Inhaltsstoffen die Vakuolen gefüllt werden, hängt von
der Ausstattung ihrer Membranen mit speziellen Transportern ab. Denn einfach so gelangen Zucker und Säuren
nicht in die Vorratskammern hinein - die Pflanze verfrachtet sie gezielt dorthin, und das gelingt ihr nur mit der
Hilfe von Protonen-Pumpen.
Säuregrad von Wein ist durch Protonen bestimmt
Unter Aufwendung von Energie schaffen diese Pumpen Protonen in die Vakuole hinein. "Der Säuregrad
von Wein zum Beispiel geht allein auf die im Vakuolensaft angehäuften Protonen zurück", sagt Professor
Rainer Hedrich, Biophysiker an der Universität Würzburg. Rund 90 Prozent des Traubensafts stammen aus
den Vakuolen.
Die Aktivität der Pumpen sorgt dafür, dass die Vakuole viel mehr Protonen enthält als der Zellsaft.
In diesem Konzentrationsgefälle steckt Energie - die Protonen drängen mit aller Macht wieder hinaus aus
der überfüllten Vakuole, ähnlich wie Luft aus einem prall aufgeblasenen Ballon. Hier kommen nun
die speziellen Transporter ins Spiel, die in der Vakuolenmembran sitzen: Sie nutzen den energetisch begünstigten
Ausstrom von Protonen, um nach dem Austauschprinzip gleichzeitig Zucker und andere Moleküle in die Vakuole
zu schaffen.
"Dieses schrittweise Umsetzen von Energie ist ein allgemeines Prinzip in der Biologie. Speicherorgane wie
Zuckerrüben und Früchte, aber auch Blätter können damit Inhaltsstoffe um das Hundertfache und
darüber hinaus anreichern", so Hedrich. Die Pflanzen schaffen sich auf diese Weise wertvolle Ressourcen
für Zeiten, in denen Mangel herrscht - zum Beispiel nachts, wenn die Photosynthese zum Erliegen kommt.
Wie wichtig Protonen-Pumpen für die Vitalität und die Produktivität von Pflanzen sind, beschreiben
Rainer Hedrich und Professorin Karin Schumacher von der Universität Heidelberg gemeinsam in der Zeitschrift
"Proceedings". Die beiden Wissenschaftler kooperieren in einer überregionalen Vakuolen-Forschergruppe,
die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell gefördert wird.
Zwei verschiedene Protonen-Pumpen füllen die Vakuole
Zwei Typen von Protonen-Pumpen gibt es in der Vakuolenmembran. Der eine Typ braucht die energiereiche Phosphatverbindung
ATP als Brennstoff für seine Aktivität, der andere verwendet dafür das so genannte Pyrophosphat
(PP).
Die Aktivität beider Pumpen hat Rainer Hedrich erstmals gemessen - 1986 als Postdoktorand am Max-Planck-Institut
für Biophysikalische Chemie in Göttingen. Wie die zwei Pumpentypen miteinander in Verbindung stehen und
welche relative Bedeutung ihnen zukommt, war bislang weitgehend unklar.
Um diese Fragen zu klären, haben Hedrich und Schumacher jetzt an der genetischen Modellpflanze Arabidopsis
(Ackerschmalwand) die Gene für die ATP-abhängige Protonen-Pumpe ausgeschaltet. So war in den Pflanzen
nur noch der andere Pumpentyp aktiv.
Ohne Pumpen: Stress senkt die Produktivität
"Unter optimalen Wachstumsbedingungen wirkte sich das Fehlen der ATP- abhängigen Pumpe zunächst
nicht auf das Gedeihen der Pflanzen aus", erklärt Hedrich. Wurden die Pflanzen aber bestimmten Stressbedingungen
ausgesetzt, wie Stickstoffmangel und Schwermetallbelastung, blieben sie in Wachstum und Produktivität deutlich
zurück.
Erst unter den erschwerten Lebensbedingungen machte sich das Fehlen der Pumpen bemerkbar. Mit nur einem Typ der
Protonen-Pumpen kann die Pflanze ihre Vakuolen offenbar nicht mehr so gut mit Ionen und Stoffwechselprodukten füllen,
dass sie gut genug gegen Stress gewappnet wäre.
Angespornt durch diese Entdeckung wollen Rainer Hedrich und Karin Schumacher als nächstes versuchen, Pflanzen
zu erzeugen, die vermehrt bestimmte Protonen-Pumpen herstellen und dadurch Stressperioden besser überstehen.
Arabidopsis V-ATPase activity at the tonoplast is required for efficient nutrient storage but not for sodium accumulation.
Melanie Krebs, Diana Beyhl, Esther Görlich, Khaled A. S. Al-Rasheid, Irene Marten, York-Dieter Stierhof, Rainer
Hedrich, and Karin Schumacher; Proc Nat Acad Sci (USA), published online before print January 26, 2010; doi:10.1073/pnas.0913035107
Rainer Hedrich
Professor Rainer Hedrich gehört mit seinen Arbeiten über Ionenkanäle und -pumpen seit über
20 Jahren zu den weltweit bedeutendsten Wissenschaftlern auf dem Gebiet des Membrantransports. Die Faculty of 1000
stuft seine Arbeiten regelmäßig als besonders lesenswert ein. Das ISI Web of Knowledge rechnet ihn in
der Sektion Animal and Plant Sciences zu den besonders häufig zitierten Forschern. Erst im Januar 2010 hat
der Europäische Forschungsrat ihm einen der begehrten ERC Advanced Grants verliehen: Diese Auszeichnung ist
mit 2,5 Millionen Euro dotiert.
Mit der Analyse von Ionenkanälen und -pumpen mit hoch empfindlichen biophysikalischen Verfahren ist Rainer
Hedrich bestens vertraut. Im Labor des Nobelpreisträgers Professor Erwin Neher gelang ihm 1984 noch während
seiner Doktorarbeit erstmals der funktionelle Nachweis pflanzlicher Ionenkanäle. Seit dieser Entdeckung mit
Hilfe der Patch- Clamp-Technik hat er viele unterschiedliche Ionenkanaltypen und -pumpen sowohl in der pflanzlichen
Zellmembran als auch in den Membranen verschiedener Zellorganellen identifiziert und charakterisiert. Sein Fachwissen
über die molekulare und biophysikalische Analyse von Transportvorgängen macht ihn zum gesuchten Kooperationspartner
in Sonderforschungsbereichen, Graduiertenkollegs und nationalen sowie internationalen Forschungsverbünden.
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