Wissenschaftler weisen räumliche Trennung von Informationsverarbeitung
und Energiestoffwechsel in einem Prokaryoten nach
Regensburg (idw) - Höhere Zellen zeichnen sich durch eine räumliche Trennung wichtiger
zellulärer Funktionen aus. Sie haben einen Zellkern, der das Erbgut enthält, ein Cytoplasma, in dem die
Informationsverarbeitung sowie die Proteinsynthese abläuft und Organellen wie Mitochondrien, in denen die
Energieproduktion der Zellen stattfindet. Demgegenüber sind Prokrayoten (zumeist einzellige Organismen ohne
Zellkern) einfacher aufgebaut: ein Cytoplasma, in dem all diese Funktionen vereinigt sind, ist von der schützenden
cytoplasmatischen Membran umschlossen. Einige Bakterien haben darüber hinaus eine zweite äußere
Membran, die die Zellen vor Umwelteinflüssen schützt. Der sich daraus ergebende Zwischenraum (Periplasma)
gilt aber in der Regel als reaktionsarmer Bereich und entspricht eher dem Milieu des umgebenden Lebensraums als
dem des Zellinneren.
Vor einigen Jahren wurde am Institut für Biochemie, Genetik und Mikrobiologie der Universität Regensburg
das Archaeon (Urbakterium) Ignicoccus hospitalis ("gastliche Feuerkugel") aus einem untermeerischen Vulkangebiet
um Island isoliert. Durch eine optimale Wachstumstemperatur von 90°C und der Verwertung von Schwefel, Wasserstoff
und Kohlendioxid ist es bestens an solche urtümlichen Biotope angepasst. Als Besonderheit verfügt Ignicoccus
hospitalis als einziges Archaeon über zwei Membranen und über einen ungewöhnlich großen Intermembranraum,
über dessen Funktion bislang nur spekuliert wurde.
Jetzt hat eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universität Regensburg um PD Dr. Reinhard Rachel, Dr. Harald
Huber, Ulf Küper und Carolin Meyer in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Volker Müller von der Goethe Universität
Frankfurt am Main die Entdeckung gemacht, dass bei diesem Mikroorganismus die äußerste Membran der Ort
der Energieproduktion ist. Im Rahmen ihrer Untersuchungen konnten die Forscher nachweisen, dass sich bei Ignicoccus
die für die Energiegewinnung maßgeblichen Enzyme und Enzymkomplexe in dieser Membran und nicht etwa
in der inneren Cytoplasmamembran befinden. Zudem zeigten die Experimente eindeutig, dass die innere Membran die
DNA umschließt.
Zum ersten Mal konnte damit für einen Prokaryoten eine räumliche Trennung von Energiegewinnung und anderen
zellulären Prozessen - wie zum Beispiel der Biosynthese von Proteinen und Nukleinsäuren - nachgewiesen
werden. Diese Ergebnisse werfen zahlreiche weiterführende Fragen auf. So dürfte die Form der Kommunikation
zwischen den beiden Zellbestandteilen sowie Überlegungen zur allgemeinen Definition einer cytoplasmatischen
Membran im Zentrum künftiger Arbeiten stehen. Möglicherweise, so die Forscher, stellt Ignicoccus sogar
einen Vorläufer auf dem Weg zu den höheren Organismen (Eukaryonten) dar, bei denen zahlreiche membranumhüllte
Organellen die unterschiedlichen Aufgaben (Energiegewinnung, Informationsweitergabe) in den Zellen übernommen
haben.
Publikation: Ulf Küper, Carolin Meyer, Volker Müller, Reinhard Rachel, Harald Huber, "Energized
outer membrane and spatial separation of metabolic processes in the hyperthermophilic Archaeon Ignicoccus hospitalis"
(PNAS, electronic edition, Feb. 2010) |