Dramatisches Aufleuchten verrät Innenleben von Jet
Innsbruck (universität) - Jets sind gewaltige, gerichtete Materieauswürfe aus Schwarzen
Löchern entfernter Galaxien. Laut einer am 17.02. in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Studie
verhalten sie sich anders als bisher geglaubt. Ein internationales Team von Wissenschaftlern – unter ihnen die
Innsbrucker Astroteilchenphysiker Dr. Anita Reimer und Prof. Olaf Reimer – konnte zeigen, dass der dominante Teil
der Jetstrahlung, nämlich Gammastrahlen, viel weiter entfernt vom Schwarzen Loch entsteht als bisher erwartet.
Die Forscher werteten dazu Daten von mehr als 20 verschiedenen Teleskopen, darunter das Fermi Gammastrahlen- Weltraumteleskop,
aus.
„Es wird vermutet, dass solche Jets durch ein supermassives Schwarzes Loch mit der Masse von hundert Millionen
bis einige Milliarden Sonnenmassen im Kernbereich einer aktiven Galaxie angetrieben werden“, veranschaulicht Dr.
Anita Reimer vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. „Die Jets machen sich durch
gerichtete Strahlung aus Gebieten von etwa der Größe unseres Sonnensystems bemerkbar. Die Strahlung
reicht von langen Radiowellen bis zu hochfrequenter Gammastrahlung, und die Emissionsgebiete bewegen sich im Jet
fast so schnell wie das Licht.“ Es wird vermutet, dass diese Jets durch starke Magnetfelder zusammengehalten werden;
die Jetstrahlung wird durch hochenergetische Teilchen produziert, die sich entlang der Magnetfeldlinien winden.
„Details waren bisher relativ unbekannt“, sagt Anita Reimer. „Die neuen Messergebnisse haben uns überrascht.
Sie erlauben ein tieferes Verständnis der Anatomie dieser interessanten Quellen.“
Dem Ursprung der Gammastrahlung auf der Spur
Helle Galaxienkerne, sogenannte Blasare, dominieren den extragalaktischen Gammastrahlenhimmel und stellen
möglicherweise die größten Teilchenbeschleuniger des Universums dar. Über ein Jahr lang stand
ein bestimmter Blasar, 3C279, im Sternbild der Jungfrau im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Wissenschaftler.
Sie untersuchten ihn über fast das gesamte elektromagnetische Spektrum. Im Februar des Vorjahres beobachteten
die Forscher dann ein dramatisches Aufleuchten des Jets mit spektakulären Änderungen im optischen Licht
und im Gammalicht. „Optisches Licht ist normalerweise unpolarisiert, d.h. es besteht aus einer Mischung verschiedenster
Polarisationsrichtungen. Energetische Teilchen in gerichteten Magnetfeldern können jedoch polarisierte Strahlung
erzeugen“, erklärt Anita Reimer. Während des zwanzigtägigen Gammastrahlenausbruchs änderte
sich die Polarisation des optischen Lichts deutlich und kontinuierlich. Dieses zeitliche Zusammentreffen und die
ersten monatelang weitgehend kontinuierlich durchgeführten Messungen dieser Quelle, untermauern die Vermutung,
dass das optische Licht und die Gammastrahlung einen gemeinsamen Ursprung haben. Zusammen mit der Dauer des Ausbruchs
deutet dies auf einen relativ großen Abstand des Ursprungsgebiets vom Schwarzen Loch hin. „Wir hatten erwartet,
dass die Gammastrahlen etwa ein bis zwei Lichttage vom Schwarzen Loch entfernt produziert werden. Nun weisen die
Daten aber eher auf ein Lichtjahr Entfernung hin. Dies ist durchaus unerwartet und überraschend“, sagt Reimer.
Jet folgt gekrümmter Bahn
Die gleichmäßige Änderung der Polarisation des optischen Lichts verrät auch Überraschendes
über die Struktur des Jets: Die Jetmaterie folgt vom Schwarzen Loch aus einer gekrümmten Bahn. Dieses
neue Verständnis der Physik von Blasar-Jets erfordert überarbeitete Modelle für die Struktur von
Jets. „Hier kommen nun die Theoretiker ins Spiel“, sagt Prof. Olaf Reimer vom Institut für Astro- und Teilchenphysik
der Universität Innsbruck. „Diese Studie setzt vollkommen neue Anforderungen an magnetische Jet-Modelle: Wie
muss ein Jet aussehen, der große Mengen an Energie weit entfernt vom Schwarzen Loch deponiert? Und wo kommt
die Jet-Krümmung ins Spiel?“, umreißt die Theoretikerin Anita Reimer die aktuellen Fragen und weist
darauf hin, dass die Berücksichtigung starker und komplexer Magnetfeldtopologien in Simulationen relativistischer
Jets extrem schwierig ist.
Diese und zukünftig geplante Messungen über weite Frequenzbereiche, insbesondere des energetisch dominanten
Gammastrahlenbereichs, werden es Forschern erlauben, Jet-Modelle zu testen und ein detailliertes Verständnis
dieser Objekte zu erlangen. Die Innsbrucker Wissenschaftler greifen hierfür nicht nur auf das 2008 gestartete
Fermi Gammasatellitenobservatorium zurück, sondern nutzen auch die in Namibia befindlichen H.E.S.S. Teleskope
zum Nachweis energiereicher Gammastrahlung. Am Bau der Detektoren auf Fermi und am Betrieb des Observatoriums sind
neben der NASA und dem US-Energieministerium Forschungseinrichtungen in den Vereinigten Staaten, in Frankreich,
Italien, Schweden, Deutschland und Japan beteiligt. Die optischen Polarisationsdaten wurden vom KANATA Teleskop
in Higashihiroshima, Japan, unter Leitung der KANATA Kollaboration aufgenommen. |