Saisonalen Hormonschwankungen auf der Spur   

erstellt am
24  02. 10

Grazer Forscher finden einen Zusammenhang zwischen Jahreszeit, Vitamin D und Testosteron bei Männern
Graz (medunigraz) - Männer haben am Ende des Winters deutlich niedrigere Spiegel des Sexualhormons Testosteron im Blut als im Hochsommer. In einer Aufsehen erregenden Studie konnten Endokrinologen der Med Uni Graz zeigen, dass für die jahreszeitlichen Schwankungen des Testosteronspiegels Vitamin D verantwortlich sein könnte. Diese Erkenntnis könnte für die Männergesundheit von großer Bedeutung sein: Testosteronmangel ist weit verbreitet, ein Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen und zudem mit einer nachweislich erhöhten Sterblichkeit assoziiert. Wenn sich ein solcher Mangel durch eine Vitamin-D-Substitution zumindest teilweise beheben ließe, stünde damit eine kostengünstige und sichere Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung.

Saisonale Schwankungen der männlichen Sexualhormone findet man nicht nur beim Menschen, sondern auch bei vielen Tieren. Aus evolutionärer Sicht macht das auch durchaus Sinn: Da der Testosteronspiegel mit dem Fortpflanzungserfolg korreliert, kann auf diese Weise die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass der Nachwuchs in einer günstigen Jahreszeit geboren wird.

Bei Testosteronmangel entsteht u.a. eine bauchbetonte Fettanlagerung, verringerte Muskelmasse und ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und Osteoporose. All das führt zu einer deutlich erhöhten Sterblichkeit der betroffenen Männer, die zusätzlich auch unter schnellerer Ermüdbarkeit, Leistungsschwäche und Libidoverlust leiden. Da der Testosteronspiegel mit dem Alter abnimmt, ist ein klinisch relevanter Hormonmangel bei älteren Männern besonders häufig zu finden. "Bei den über 65-Jährigen haben sicher 20-25% zu wenig Testosteron", schätzt Dr. Elisabeth Wehr. "Rechnet man noch die Männer dazu, deren Werte sich zwar noch im unteren Normbereich befinden, die aber wahrscheinlich auch schon einen Hormonmangel haben, kommt man auf 30-40%."

Dass ein Zusammenhang zwischen erniedrigten Testosteronspiegeln und Vitamin-D-Mangel besteht, entdeckten die Forscher bei der Analyse der Serumproben von 2.299 älteren Männern, bei denen eine Untersuchung der Herzkranzgefäße durchgeführt wurde ("LURIC-Studie", Leitung Univ.-Prof. Dr. W. März). Dabei zeigten sich nicht nur ausgeprägte jahreszeitliche Schwankungen des durchschnittlichen Testosteronspiegels um das Doppelte des Winterwertes, sondern auch fast deckungsgleiche saisonale Veränderungen des Vitamin-D-Spiegels. Männer mit ausreichendem Vitamin D (I30 ng/ml) hatten signifikant höhere Testosteronwerte als Männer mit Vitamin-D-Mangel. Hinweise, dass zwischen beiden Parametern tatsächlich ein kausaler Zusammenhang besteht, kommen von Tiermodellen und Untersuchungen auf molekularer Ebene: Eine wichtige Rolle dürften dabei Vitamin-D-Rezeptoren in verschiedenen Körperorganen, u.a. im Hodengewebe und auf Spermien spielen. Die genauen pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen Vitamin-D- und Testosteronmangel sollen nun in einem weiteren Projekt erforscht werden, das die molekularen Wechselwirkungen untersucht. Geplant ist auch eine Studie bei Männern mit Testosteronmangel, in der untersucht werden soll, ob Vitamin-D-Substitutionen tatsächlich die erwarteten Auswirkungen auf die Testosteronspiegel haben.

Zu den spannenden Fragen gehört auch, wie sich Vitamin D auf die Testosteronproduktion bei Frauen auswirkt. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass hier die Wirkung gegenläufig sein dürfte: Bei Frauen scheint Vitamin D die Testosteronwerte zu senken. Eine Studie, bei der Frauen mit polyzystischem Ovarsyndrom, die erhöhte Testosteronwerte haben, mit Vitamin D behandelt werden, steht kurz vor dem Abschluss. Erste Zwischenauswertungen zeigen, dass Vitamin D den Testosteronspiegel senkt und somit ein vielversprechender therapeutischer Ansatz sein könnte.

Ähnlich wie ein Testosteronmangel sind auch unzureichende Serumspiegel von Vitamin D ein Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen. Das Spektrum der möglichen Folgen reicht von Osteoporose, Hochdruck, Gefäßverkalkung, Diabetes und Karzinomen bis hin zu kardiovaskulären und autoimmunologischen Erkrankungen. Damit assoziiert ist auch wiederum eine signifikant erhöhte Mortalität. "Besonders ungünstig ist, wenn gleichzeitig ein Vitamin-DMangel und ein Testosteronmangel vorliegen", betont Univ.-Prof. Dr. Barbara Obermayer- Pietsch, stellvertretende Leiterin der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinik für Innere Medizin. "Aus meiner Sicht sollten Messungen des Vitamin-D- und Testosteron-Spiegels ein obligater Bestandteil von Gesundenuntersuchungen sein. Anzustreben ist ein Vitamin-D-Wert von mindestens 30 ng/ml.

Da Sonnenbäder und Solarien aus dermatologischer Sicht umstritten sind und es schwierig ist, ausreichende Vitamin-D-Mengen mit der Nahrung zu sich zu nehmen, rät die Expertin im Falle eines Vitaminmangels zu einer Vitamin-D-Supplementation. Sollte sich in den Folgestudien bestätigen, dass die Testosteronproduktion mit Vitamin D angekurbelt werden kann, würde das auch die Behandlung des männlichen Sexualhormonmangels wesentlich erleichtern: "Vitamin D ist preiswert, hat praktisch keine Nebenwirkungen und kann gut dosiert werden."
     
Informationen: http://www.medunigraz.at    
     
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