Ein Forschungsteam der Technischen Universität
(TU) Wien entwickelt Methoden, um Statistiken zur Armut in der EU verlässlicher und verständlicher zu
machen.
Wien (tu) - Die Europäische Union (EU) hat das Jahr 2010 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung
von Armut und sozialer Ausgrenzung erklärt. Die Armut in Zahlen zu fassen ist jedoch kein einfaches Unterfangen.
Ein Forschungsteam der TU Wien arbeitet seit zwei Jahren in europaweiten Kooperationen an der statistischen Erfassung
von Armut. "Hinter einem Armutsindikator, der eigentlich nur eine Zahl ist, steht eine Fülle von Einzeldaten,
Fehlerquellen und statistischer Bearbeitung", weiß Matthias Templ vom Institut für Statistik und
Wahrscheinlichkeitstheorie. Bei einer Konferenz von 24. bis 26. Februar, die Templ an der TU Wien organisiert,
diskutieren internationale ExpertInnen die neusten Entwicklungen zu Datenerhebungsmethoden und zur Schätzung
von Armutsindikatoren.
Kritischer Umgang mit Daten
Alljährlich werden in der gesamten EU pro Land an die 15.000 BürgerInnen zu ihrer Lebenssituation
befragt, das legt eine EU-Richtlinie fest. Die Art, wie diese Daten erhoben und weiterverarbeitet werden, ist entscheidend
dafür, wie aussagekräftig eine Armutsstatistik überhaupt sein kann. "Oft fehlen wichtige Daten,
weil Antworten verweigert werden, die müssen wir dann möglichst sinnvoll mit statistischen Methoden schätzen.
Oder es werden gar offensichtlich falsche Antworten gegeben", erklärt Statistiker Templ. Weil besonders
für die Arbeit mit kleinräumigen Regionen der Datensatz manchmal zu klein ist, müssen Templ und
sein Team zusätzliche Information durch komplexe Modelle einfließen lassen, um aussagekräftige
Schätzungen der Armut zu ermöglichen. Die Entwicklung der für all das benötigten Techniken
und deren Evaluierung durch Computersimulationen ist das zentrale Forschungsfeld des TU-Statistikteams.
Simulationsumgebung entwickelt
Computersimulationen haben heute auch in der Statistik eine große Bedeutung. Die TU-Statistikerinnen
und Statistiker haben ihre eigene Simulationsumgebung entwickelt, die Software mit Namen "R". Seit 1995
wird an dieser frei verfügbaren Open-Source-Software gearbeitet. "Open Source heißt, dass im Prinzip
jeder mitprogrammieren kann, deshalb werden neue statistische Techniken schnell implementiert, und die Nutzung
der Software ist zudem kostenlos", erklärt Templ. Heute wird "R" bereits weltweit genutzt.
Seit 1996, also schon seit den frühen Anfängen, gehören auch Forschende der TU Wien und der Wirtschaftsuniversität
Wien zum Kernentwicklungsteam. Und auch die EU-Kommission schätzt "R" mittlerweile als Statistikwerkzeug.
Verständliche Darstellung wichtig
Ein weiteres Gebiet, auf dem Templ und seine KollegInnen forschen, ist die visuelle Darstellung statistischer
Daten. "Oft sind Grafiken, die auf Statistiken beruhen, für Nicht-Statistiker nur schwer zu verstehen",
weiß er. Besonders EntscheidungsträgerInnen in der Politik sind aber auf die Verständlichkeit von
Datengrafiken angewiesen. Templ: "Deshalb arbeiten wir auch an der Entwicklung von neuen Visualisierungsmethoden
und an anderen Möglichkeiten, die statistische Informationen in auch für Laien verständlicher Form
zu präsentieren."
Enge Kontakte zur Praxis
Neben seiner Arbeit an der TU Wien hat Templ auch eine Stelle bei der Bundesbehörde Statistik Austria. Templ
betont die Besonderheit dieser Situation: "Durch unsere engen Kontakte haben wir Zugang zu hochqualitativen
statistischen Daten und können so sehr effizient arbeiten." Auch mit Eurostat, der Statistikbehörde
der Europäischen Kommission, arbeitet Templ intensiv zusammen. Im Zuge des 7. EU-Rahmenprogrammes für
Forschung der Europäischen Kommission haben er und sein Team bereits weitere neue Projekte zum Thema Statistikforschung
und Armut eingereicht. |