Gesetzesvorlage im Parlament
Wien (pk) - Die Regierung schlägt in Form eines umfangreichen Gesetzespakets eine Änderung des
ORF-Gesetzes und weiterer Mediengesetze sowie begleitende Verfassungsänderungen vor. Unter anderem will sie
den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF präzisieren und dessen Finanzierung EU-konform gestalten,
eine unabhängige Medienbehörde einrichten, Web-TV und Video-Abrufdienste in das Privatfernsehgesetz integrieren,
gesetzliche Grundlagen für digitales terrestrisches Radio schaffen und einige noch offene Punkte der EU-Mediendiensterichtlinie
in den einschlägigen Gesetzen berücksichtigen. Auch das Recht auf Kurzberichterstattung über von
einem Sender exklusiv ausgestrahlte Sport- und andere Übertragungen soll adaptiert werden.
Konkret sieht der Gesetzentwurf der Regierung vor, die derzeit beim Bundeskanzleramt eingerichtete KommAustria
in eine unabhängige Regulierungsbehörde für den Rundfunkbereich umzuwandeln und ihr gleichzeitig
zusätzliche Aufgaben zu übertragen. So soll sie künftig etwa neben den bisherigen Regulierungsaufgaben
auch für die Rechtsaufsicht über den ORF und die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Fernseh-Exklusivrechtegesetz
zuständig sein. Auch die Vergabe der Mittel nach dem Presseförderungsgesetz und dem Publizistikförderungsgesetz
werden in ihre Agenden fallen. Die fünf Mitglieder der KommAustria – ein Vorsitzender, ein Stellvertreter
und drei weitere Mitglieder – sollen vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung für die Dauer
von sechs Jahren bestellt werden. Entscheidungen sollen grundsätzlich in Dreier-Senaten erfolgen, in bestimmten
Angelegenheiten sind aber auch Einzel-Entscheidungen vorgesehen. Zweite Instanz bleibt der Bundeskommunikationssenat.
Im ORF-Gesetz ist unter anderem geplant, die Bestimmungen über die Produktplatzierung (product placement)
neu zu regeln und den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF im Bereich der Online-Dienste und der Spartenprogramme
neu zu formulieren. In diesem Zusammenhang wird der ORF etwa zur Einführung eines Qualitätssicherungssystems
verpflichtet. Außerdem erhält er den dezidierten gesetzlichen Auftrag, ein begleitendes Online-Angebot
bereitzustellen und – nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit – ein eigenes Sport-Spartenprogramm und
ein eigenes Informations- und Kultur-Spartenprogramm auszustrahlen. Anzeigenportale, Branchenverzeichnisse, Kontakt-
und Tauschbörsen, Business-Networks, Erotikangebote, Glücksspiele, Wetten und viele weitere Online-Angebote
bleiben dem ORF hingegen ausdrücklich untersagt.
Um unverhältnismäßige Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ist künftig ein Vorprüfungsverfahren
für neue ORF-Angebote vorgesehen. Dabei soll der öffentlich-rechtliche "Mehrwert" der geplanten
neuen Angebote, etwa neuer Spartenprogramme oder neuer Online-Dienste, unter die Lupe genommen werden. Zuständig
für die so genannte "Auftragsvorprüfung" soll die KommAustria sein, die Bundeswettbewerbsbehörde
kann Stellungnahmen abgeben.
Durch weitere gesetzliche Adaptierungen soll außerdem sichergestellt werden, dass der ORF Einnahmen aus Programmentgelten
ausschließlich zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags heranzieht. Um eine gewisse Flexibilität
zu gewährleisten, sind dabei in beschränktem Ausmaß Rücklagenbildungen möglich. Gleichzeitig
wird die Kontrolle der wirtschaftlichen Gebarung des ORF verstärkt. Spezialbestimmungen wie das Verbot des
Erwerbs von Senderechten zu überhöhten Preisen sollen gewährleisten, dass dem öffentlich-rechtlichen
Auftrag gewidmete Mittel nicht wettbewerbsverzerrend eingesetzt werden.
Die dem ORF entgehenden Programmentgelte durch Gebührenbefreiungen will die Regierung dem ORF in den nächsten
vier Jahren zumindest teilweise abgelten, und zwar in den Jahren 2010 und 2011 mit je 50 Mio. € und in den Jahren
2012 und 2013 mit je 30 Mio. €. Voraussetzung dafür sind allerdings der Fortführung des Film-Fernsehabkommens,
der Fortbestand des Radiosymphonieorchesters (RSO), der kontinuierliche Ausbau des Anteils österreichspezifischer
Fernsehfilme, -serien und -dokumentationen in Form von Eigen-, Ko- und Auftragsproduktionen am Gesamtprogramm,
die verstärkte Ausstrahlung barrierefrei zugänglicher Sendungen sowie ein striktes Sparprogramm des ORF
zur Reduzierung von Strukturkosten. Außerdem muss der ORF im Jahr 2011 – nach erfolgter "Auftragsvorprüfung"
– das Informations- und Kulturspartenprogramm starten.
In das ORF-Gesetz aufgenommen wird auch eine Reihe von Verpflichtungen zur Förderung der Gleichstellung von
Frauen und Männern. Dazu zählt etwa die Ausarbeitung eines Gleichstellungsplans und der vorübergehende
Vorrang von Frauen beim beruflichen Aufstieg und bei der Aus- und Weiterbildung. Außerdem wird eine ausgewogene
Vertretung beider Geschlechter in Organen und Gremien des ORF eingemahnt.
Zusätzliche Mittel soll aber nicht nur der ORF erhalten, auch für Privatsender ist eine Aufstockung der
Fördermittel vorgesehen. So wird die Dotierung des Fonds zur Förderung von privaten Rundfunk-Sendern
bis 2013 stufenweise von 5 auf 15 Mio. € angehoben. Die Fördermittel für nichtkommerziellen Rundfunk
steigen im gleichen Zeitraum schrittweise von einer auf drei Mio. €.
Weitere Punkte des Gesetzespakets betreffen die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für die Vergabe und
die Zulassung von Multiplex-Plattformen für digitalen terrestrischen Hörfunk und die Streichung der auf
analoges Fernsehen abgestimmten Bestimmungen im Privatfernsehgesetz. Das Privatfernsehgesetz umfasst künftig
außerdem auch andere audiovisuelle Mediendienste wie Web-TV und Abrufdienste (Video-on-Demand) und wird in
diesem Sinn in "Audiovisuelle Mediendienste-Gesetz" umbenannt. Für einen Beschluss des Gesetzespakets
ist eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erforderlich. |