|
"Als Kirche stellen wir uns eindeutig auf die Seite der Opfer" |
|
erstellt am
22 03. 10
|
Schönborn: "Papst-Brief ist von wünschenswerter Klarheit" – Kirche erarbeitet
Gesamtkonzept zum Umgang mit sexuellen Missbrauchsfällen
Wien (pew) - „Als Kirche stellen wir uns eindeutig auf die Seite der Opfer, wie Papst Benedikt XVI.
und Kardinal Christoph Schönborn mehrfach betont haben“, heißt es in einem Rundschreiben des Generalvikars
der Erzdiözese Wien, Msgr. Franz Schuster, zur Missbrauchsdiskussion. In dem Rundschreiben an alle Pfarrer
sowie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erzdiözese heißt es wörtlich: „Ich bin persönlich
sehr betroffen über jeden erwiesenen Missbrauch. Wir alle in der Kirche müssen nun zusammenwirken, damit
sexueller Missbrauch aufgedeckt, den Opfern geholfen und die notwendige Konsequenz (bis hin zur Entlassung aus
dem priesterlichen bzw. haupt- oder ehrenamtlichen Dienst) für die Täter gezogen wird“. Insbesondere
gehe es auch darum, in Zukunft sexuellen Missbrauch in der Kirche überhaupt zu verhindern.
In der „Ombudsstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche“ seien in den letzten Tagen viele Telefonate
und Mails eingelangt, berichtete der Generalvikar. Jeder einzelne Fall werde von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
der Ombudsstelle geprüft. Im Hinblick auf die Konsequenzen für die Täter sei die dafür eigens
eingerichtete Kommission beauftragt, die Fälle nochmals zu prüfen und konkrete Vorschläge zu erstellen.
Im ORF-„Mittagsjournal“ stellte Generalvikar Schuster klar, dass es keine sang- und klanglose „Versetzung“ von
Tätern mehr gibt: „Wir können einen Priester, bei dem es ein so schweres Vorkommnis gegeben hat, nicht
mehr im seelsorglichen Dienst einsetzen, insbesondere nicht in der Kinder- und Jugendarbeit oder im Schuldienst.
Das wäre undenkbar“. Denkbar sei allenfalls ein Einsatz im Bereich der Verwaltung. In der Vergangenheit seien
die Informationen zwischen Diözesen oder zwischen Diözesen und Ordensgemeinschaften mitunter nicht weitergegeben
worden. Daher sei es dann leider auch manchmal möglich gewesen, dass ein Priester wieder eingesetzt wurde,
ohne über seine Vorgeschichte genau Bescheid zu wissen.
Die „Ombudsstelle“ arbeite unabhängig im Sinn einer Opferanwaltschaft und sei beauftragt, jeder Meldung gewissenhaft
nachzugehen, unterstrich Schuster im Rundschreiben an die Pfarrer und kirchlichen Mitarbeiter. Die Stelle biete
den Opfern professionelle Hilfe und Unterstützung und stehe jedem, der sich an sie wendet, zur Beratung zur
Verfügung. Wörtlich betonte der Wiener Generalvikar: „Wir alle leiden unter dieser schwierigen Situation
in der Kirche. Ich bin aber überzeugt, dass uns diese Situation zu einer noch größeren Klarheit
im Umgang mit sexuellem Missbrauch verhelfen wird“.
Generalvikar Schuster hatte auch beim Abschluss der 2. Delegiertenversammlung von „Apostelgeschichte 2010“ deutlich
gemacht, wie sehr er „die Trauer, die Sorge, die Betroffenheit“ der Priester und engagierten Laien über die
Missbrauchsfälle teile. In diesem Zusammenhang würdigte der Generalvikar die „Pionierarbeit“ seines Vorgängers
Msgr. Helmut Schüller, der 1996 die „Ombudsstelle“ als unabhängige Einrichtung initiiert hatte. Zugleich
erinnerte Schuster an den 2006 veröffentlichten Maßnahmenkatalog der Erzdiözese Wien zur „Verhinderung
sexuellen Missbrauchs“. Die darin enthaltenen Verhaltensregeln für alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der Erzdiözese Wien seien „verbindlich“. |
|
|
|
Schönborn: „Papst-Brief ist von wünschenswerter Klarheit“
„Der Brief des Papstes ist von wünschenswerter Klarheit, er schreibt ihn als ‚Hirt der weltweiten
Kirche‘, wir können ihn eins zu eins auch als Brief an die Kirche in Österreich lesen“: Dies betonte
Kardinal Christoph Schönborn am 20.03. im Gespräch mit dem „Pressedienst der Erzdiözese Wien“. Benedikt
XVI. spreche in seinem Hirtenbrief nicht diplomatisch, sondern ganz klar, „er ist von einer Offenheit und Direktheit,
die nichts verschleiert“. Im Punkt 7 werde den Missbrauchstätern gesagt, dass sie sich „vor dem allmächtigen
Gott und vor den zuständigen Gerichten“ für ihre Taten verantworten müssen. Auch an die Bischöfe
und Ordensoberen sage der Papst ein klares Wort: „Kooperiert weiter mit den staatlichen Behörden in ihrem
Bereich. Das gilt auch für die Ordensoberen“.
Als berührend bezeichnete der Wiener Erzbischof den Passus des Papstbriefs über die Begegnungen mit Opfern
des sexuellen Missbrauchs. Benedikt XVI. sage, dass er mehrfach seit seiner Wahl Opfer sexuellen Missbrauchs getroffen
habe (u.a. im Jahr 2008 in den USA und in Australien) und dass er bereit sei, das auch in Zukunft zu tun. Kardinal
Schönborn zitierte die Worte des Papstes: „Ich habe mit ihnen zusammen gesessen, habe ihre Geschichten gehört,
ihr Leiden wahrgenommen und mit ihnen und für sie gebetet“.
Der Wiener Erzbischof erinnerte auch an die Formulierung Benedikts XVI., dass die Kirche, „um von dieser tiefen
Wunde zu genesen, die schwere Sünde gegen schutzlose Kinder vor Gott und vor anderen offen zugeben muss“.
Diese Anerkennung, „begleitet durch ernste Reue für die Verletzung der Opfer und ihrer Familien“, müsse
zu einer gemeinsamen Anstrengung führen, um den Schutz von Kindern vor ähnlichen Verbrechen in Zukunft
sicher zu stellen. Im Zeichen dieser Reue wird am Mittwoch der Karwoche, 31. März, im Wiener Stephansdom ein
Bußgottesdienst stattfinden.
Der Brief des Papstes spreche auch die Enttäuschung und den Zorn vieler Priester und engagierten Laien angesichts
der Missbrauchsvorfälle an, sagte Kardinal Schönborn („Ich weiß, dass viele von euch von der Art
und Weise, wie diese Dinge von euren Oberen behandelt wurden, enttäuscht, verwirrt und verärgert sind“).
Darüberhinaus gebe es auch Hinweise auf die Notwendigkeit zur Erforschung der Ursachen von sexuellem Missbrauch
und Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen. In Österreich bestünden in diesem Zusammenhang große
Hoffnungen auf den „Runden Tisch“, zu dem Justizministerin Claudia Bandion-Ortner und Familien-Staatssekretärin
Christine Marek eingeladen haben, sagte Kardinal Schönborn. |
|
|
|
Kirche erarbeitet Gesamtkonzept zum Umgang mit sexuellen Missbrauchsfällen
Für die katholische Kirche in Österreich entsteht ein Gesamtkonzept zum Umgang mit sexuellen
Missbrauchsfällen im kirchlichen Bereich. Die von den österreichischen Bischöfen dafür eingesetzte
Projektgruppe unter Leitung des Wiener Generalvikars Msgr. Franz Schuster hat am Montag ihre Arbeit aufgenommen.
Insbesondere geht es um die "Erarbeitung von österreichweit gültigen Standards und Regelungen auf
Basis der bestehenden Richtlinien, wobei die in der Erzdiözese Wien geltenden Bestimmungen Vorbildcharakter
haben", um die österreichweite Vernetzung und Zusammenarbeit der diözesanen Ombudsstellen, um die
offizielle Einbindung der Männer- und Frauenorden in die Arbeit der diözesanen Ombudsstellen und um die
Förderung von Bewusstseinsbildung und Prävention zur Verhinderung sexuellen Missbrauchs. In die Arbeit
der Projektgruppe werden auch die Anweisungen einfließen, die Papst Benedikt XVI. in seinem Brief an die
Katholiken in Irland formuliert hat. Diese Anweisungen haben auch weltkirchlich Gültigkeit.
Vier Untergruppen der Projektgruppe beschäftigen sich mit rechtlichen Aspekten, dem Umgang der Verantwortlichen
im Anlassfall, mit der Koordination der Ombudsstellen und mit der Prävention. Eine vordringliche Aufgabe ist
auch die Erarbeitung einheitlicher Standards für die anonymisierte statistische Erfassung von Verdachts- und
Missbrauchsfällen im kirchlichen Bereich. |
|
|
|
zurück |
|
|