WIFO-Prognose für 2010 und 2011
Wien (wifo) - Mitte 2009 stabilisierte sich die Konjunktur in Österreich, ausgehend vom Warenexport
und der Sachgütererzeugung. Die Tendenz gewann allerdings nicht an Dynamik, auch weil bislang keine Investitionskonjunktur
in Gang kam. Deshalb wird das BIP im Jahr 2010 real um nur 1,3% expandieren. 2011 soll die Konsolidierung der öffentlichen
Haushalte einsetzen; ihre Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage können derzeit nur vage geschätzt
werden. Das WIFO erwartet für 2011 ein Wirtschaftswachstum von real 1,4% bei einer Arbeitslosenquote von 7,7%
der unselbständig Erwerbstätigen, einer Inflationsrate von 1,8% und einem Finanzierungssaldo des Staates
von -4% des BIP.
Seit Mitte 2009 erholt sich die Weltwirtschaft von der tiefen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise. Die Belebung wird
von der expansiven Geld- und Fiskalpolitik getragen und fällt vor allem in Südostasien bereits recht
kräftig aus. Allerdings ist die Lage auf den internationalen Finanzmärkten nach wie vor labil. Im Jahr
2010 werden der Welthandel real um 10% und das weltweite BIP um 3,3% expandieren. Die Wirtschaft der Europäischen
Union (BIP +0,9%) hinkt diesem Aufschwung nach, weil die Binnennachfrage träge bleibt und in vielen Ländern
die Wirkungen der Immobilien- und Finanzmarktkrise anhalten; ab 2011 könnte die geplante Budgetkonsolidierung
nachfragedämpfende Effekte entfalten.
In Österreich reagierten zunächst wie für den Konjunkturaufschwung typisch Güterexport und
Sachgütererzeugung auf die internationale Erholung - sie nehmen seit dem III. Quartal 2009 real gegenüber
der Vorperiode zu. Der Warenexport dürfte heuer real um 5% und 2011 um 6% ausgeweitet werden. Die Impulse
kommen insbesondere von der weltmarktorientierten deutschen Exportwirtschaft. Hingegen verharren wichtige Handelspartner
in West und Ost - wie Italien oder Ungarn - heuer in der Rezession, die Entwicklung der österreichischen Ausfuhr
wird dadurch gedämpft. Getragen von der Exportbelebung expandiert die Wertschöpfung in der heimischen
Sachgütererzeugung 2010 und 2011 jeweils real um 4,2%. Sie würde damit über den Prognosehorizont
das Niveau von 2008 noch nicht erreichen. Aufgrund des tiefen Produktionseinbruchs gingen in der österreichischen
Industrie seit Mitte 2008 75.000 Arbeitsplätze verloren, trotz der beschäftigungsstabilisierenden Effekte
der staatlich geförderten Kurzarbeit.
Erst die Übertragung der Export- und Industriekonjunktur auf die Investitionstätigkeit der Unternehmen
würde die Konjunktur in einen Aufschwung überführen. Dafür fehlen wegen der ausgeprägten
Unsicherheit und der nach wie vor niedrigen Kapazitätsauslastung der Unternehmen vorerst alle Anzeichen. Die
Ausrüstungs- und Bauinvestitionen dürften heuer neuerlich zurückgehen (real -3,0% bzw. -1,0%) und
könnten erst 2011 mäßig steigen (+4,0% bzw. +0,3%).Die Konsumnachfrage der privaten Haushalte stabilisierte
während der Rezession die Konjunktur: Gestützt von hohen Reallohnzuwächsen, Ausweitung der Sozialtransfers
und Steuersenkungen wuchs sie leicht, aber stetig. 2010 und 2011 werden die Nettorealeinkommen pro Kopf etwas zurückgehen.
Dazu tragen die schwächeren Gehaltsabschlüsse und die wieder etwas höhere Inflationsrate (2010:
1,4%, 2011: 1,8%) bei. Dennoch sollte die Konsumnachfrage begünstigt von einem geringfügigen Rückgang
des Sparanteils am verfügbaren Einkommen jeweils real um 0,7% expandieren.
Zwar sorgte die Stabilisierung der Konjunktur in den letzen Monaten für eine vorsichtige Trendwende in der
Beschäftigungsentwicklung und eine Abflachung der Zunahme der Arbeitslosigkeit, doch die Konjunkturerholung
bleibt insgesamt zu verhalten, um einen Rückgang der Arbeitslosigkeit zu gewährleisten. Die Finanzmarkt-
und Wirtschaftskrise bewirkt einen Anstieg der Zahl der Arbeitslosen (registrierte Arbeitslose und Arbeitslose
in Kursmaßnahmen) auf 360.000 im Jahr 2011 (knapp +100.000 gegenüber 2008). Die Arbeitslosenquote dürfte
laut traditioneller österreichischer Berechnungsmethode 7,7% der unselbständigen Erwerbspersonen betragen
bzw. 5,4% der Erwerbspersonen laut Eurostat.
Auch in Österreich schwächte die kräftige Ausweitung des Budgetdefizits die Rezession ab und bremste
die Arbeitsplatzverluste. Der Finanzierungssaldo des Staates verschlechtert sich auf -4 3/4% des BIP (2010). Für
das kommende Jahr plant die Bundesregierung den Beginn der Budgetkonsolidierung: Durch eine gleichgewichtige Kürzung
von Ausgaben und Erhöhung von Steuern im Gesamtausmaß von 3,4 Mrd. Euro soll das Defizit auf 4% des
BIP gesenkt werden. In welchem Umfang diese Maßnahmen die Konsum- und Investitionsnachfrage dämpfen
oder über eine Verringerung der Sparquote der privaten Haushalte abgefangen werden, kann erst nach ihrer Konkretisierung
abgeschätzt werden. Entscheidend sind hier die Wirkungen auf die Verteilung der Einkommen und die Erwartungen
von privaten Haushalten und Investoren.
Die Konjunkturerholung ist in Österreich wie in der EU noch labil und unterliegt einer Reihe von Risken, vor
allem bezüglich des internationalen Umfelds. Entscheidend wird sein, ob ein starker Aufschwung der Investitionstätigkeit
der Unternehmen einsetzt, bevor mögliche nachfragedämpfende Effekte der zeitgleichen Budgetkonsolidierung
in allen EU-Ländern wirksam werden.
Methodische Hinweise und Kurzglossar Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte
Effekte bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen
in der Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Text wird von "saison- und arbeitstägig bereinigten
Veränderungen" gesprochen.
Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung
gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.Die Analyse der
saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über den aktuellen Konjunkturverlauf
und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen Revisionen, da die Saisonbereinigung
auf statistischen Methoden beruht.
Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden
Werte nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.
Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex
(VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist
die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität
innerhalb der Euro.
WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.100 österreichischen Unternehmen
zur Einschätzung ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine
halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit. Die Indikatoren sind Salden zwischen
dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten Unternehmen.
Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot
der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig
Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei
AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.Definition gemäß ILO und
Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz suchen.
Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde selbständig oder unselbständig
gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge zählen zu den Erwerbstätigen,
nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen
(Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis: Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).
Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für
die Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.
Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen
auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenz- und Zivildiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis.
Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".
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