Diskussion im Palais Epstein zum Internationalen Roma-Tag
Wien (pk) - Welche Zukunft haben Roma in Europa? Diese Frage stand heute im Mittelpunkt einer Diskussionsveranstaltung,
zu der anlässlich des Internationalen Roma-Tages Nationalratspräsidentin Barbara Prammer gemeinsam mit
dem Kulturverein Österreichischer Roma, dem Romano Centro, dem Verein Ketami, dem Verein Roma und dem Verein
Roma Service ins Palais Epstein eingeladen hatte. Ziel war es, eine Bilanz darüber zu ziehen, inwieweit die
bisherigen Projekte der EU die Lebenssituation der Roma und Sinti zum Positiven verändert haben und in welchen
Bereichen es noch massiver Verbesserungen bedarf.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer meinte, das Thema der Veranstaltung könnte nicht aktueller sein.
Sie sprach von zunehmender Gewalt und Feindseligkeit gegen Roma und auch davon, dass die Kluft zwischen den Roma
und der restlichen Bevölkerung in den Bereichen Bildung, Wohnen und Beschäftigung immer alarmierender
werde. Die österreichische Gesellschaft sei durch die Attentate von Oberwart vor 15 Jahren wachgerüttelt
worden, man erkenne heute, wie wichtig die Arbeit mit den Roma und deren zahlreichen Vereinen sei. Positiv merkte
Prammer auch an, dass in Österreich im Gegensatz zu einigen anderen Staaten Europas die Roma denselben Status
wie jede andere Volksgruppe haben. Von der EU erwartete sie sich konkrete Maßnahmen vor Ort zugunsten der
Roma durch einen entsprechenden Einsatz von Geldern etwa aus dem Strukturfonds oder dem Sozialfonds der Gemeinschaft.
Rudolf Sarközi, Obmann des Kulturvereins Österreichischer Roma, erinnerte an die späten Achtzigerjahre,
in denen die Roma begonnen haben, Selbstbewusstsein zu entwickelt und an die Bevölkerung heranzutreten. Beim
damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky und dessen Regierung, aber auch bei allen Abgeordneten habe man für
die Anliegen der Roma offene Türen vorgefunden. Sarközi hob den einstimmigen Beschluss des Nationalrats
auf Anerkennung der Roma als Volksgruppe ebenso wie die Gleichstellung der Roma im Opferfürsorgegesetz hervor
und verwies auf die Arbeit der Roma-Vereine insbesondere auf dem Gebiet der Bildung. Durch die EU-Erweiterung 2004
sah er neuen Handlungsbedarf für Europa, wobei er u.a. die Einrichtung eines EU-Kommissars für Angelegenheiten
der Roma und Sinti forderte.
Franz Vranitzky, Bundeskanzler a.D., sah alle politisch Verantwortlichen, die nationalen Regierungen ebenso wie
die internationalen Organisationen aufgerufen, gegen Diskriminierung und Verfolgung der Roma aufzutreten, und gab
zu bedenken, von selbst werde nichts zur Verbesserung der Lage entstehen. Auf internationaler Ebene forderte er
vor allem die Vorsitzländer der Organisationen wie OSZE und EU, aber auch den Europarat auf, Initiativen zu
ergreifen und jenen Mitgliedstaaten, die Minderheitenrechte verletzen, klar zu machen, dass sie einer Gemeinschaft
angehören, in der sie sich zur Einhaltung dieser Minderheitenrechte verpflichtet haben.
Jo Goodey, Leiterin der Forschungsabteilung der EU-Grundrechtsagentur, präsentierte die Ergebnisse einer Umfrage
der EU aus dem Jahr 2009 über die Lage der Roma und Sinti, aus denen sich ein, wie sie sagte, düsteres
Bild ergibt. Demnach habe jeder zweite Rom über Diskriminierungen aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit
berichtet, jeder fünfte sei Opfer rassistisch motivierter Angriffe geworden. Roma und Sinti seien die am meisten
diskriminierte Volksgruppe in Europa, resümierte sie und meinte, die bestehenden Gesetze würden zwar
reichen, echte Fortschritte könne es aber nur mit voller Unterstützung und Teilnahme der Roma selbst
geben. Es gelte daher, auf lokaler Ebene Maßnahmen für Roma gemeinsam mit den Roma zu setzen.
Mirjam Karoly, OSZE-Beraterin für Roma und Sinti, sprach ebenfalls von einer Situation, die von sozialem Ausschluss,
mangelnder Integration und rassistischer Diskriminierung gekennzeichnet ist, und betonte, Minderheitenpolitik allein
könne die notwendige Integration nicht erwirken, sämtliche Programme würden nur dann erfolgreich
sein, wenn sie von den Betroffenen mitgetragen werden.
Nicole Sevik, Geschäftsführerin des Vereins Ketami, wies ihrerseits auf den Stellenwert der Ausbildung
für die Roma hin und meinte abschließend, sie wünsche, dass man ihrer Tochter einmal vorurteilsfrei
entgegentreten und ihr die Chance geben werde zu beweisen, dass auch Roma Europa sind und als gut ausgebildete
Menschen ihren Beitrag leisten können. |