Wien (öaw) - Mit 1. April 2010 wurde die Unternehmung AAC - Austrian Academy Corpus der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in ein Institut der ÖAW umgewandelt. Das Institut für Corpuslinguistik
und Texttechnologie (ICLTT) ist vorerst auf drei Jahre befristet. Direktor des neuen Instituts ist der Sprachwissenschafter
Gerhard Budin.
Ausrichtung und Pläne des ICLTT
Die Unternehmung AAC - Austrian Academy Corpus der ÖAW wurde 2003 gegründet. Mit der Online-Edition
der von Karl Kraus 1899 bis 1936 herausgegebenen Zeitschrift "Die Fackel" wurde ihre Arbeit auch einer
breiteren Öffentlichkeit bekannt. Seit seinem Bestehen hat das AAC eine umfangreiche Corpussammlung erstellt
sowie für dessen Aufbereitung und Untersuchung maßgeschneiderte Texttechnologien entwickelt.
Schwerpunkt der Sammlung sind Corpora deutschsprachiger Texte des 19. und 20. Jahrhunderts mit Bezug zu Österreich
beziehungsweise zur Habsburger-Monarchie, wobei von literarischen Texten bis zu Fachtexten und Gebrauchstexten
unterschiedlichste Textsorten vertreten sind. "Wir wollen auf der bisherigen Arbeit des AAC aufbauend auf
breiter empirischer Basis die Entwicklung der deutschen Sprache in Österreich beziehungsweise dem Habsburger-Reich
im 19. und 20. Jahrhundert untersuchen", sagt ICLTT-Direktor Gerhard Budin. Dabei sollen die Entstehung und
der Gebrauch von Wörtern und komplexen sprachlichen Ausdrücken in Texten ebenso erforscht werden wie
der historische Wandel von Bedeutungen und sprachlichen Formen sowie die Rezeption von Texten in interkulturellen
Kontexten.
Die dazu geplanten Forschungsprojekte sind vielfältig und reichen von der Untersuchung der Wortschatzentwicklung
der österreichischen Rechts- und Verwaltungssprache oder paralleler Corpora zu Freuds "Traumdeutung"
über die Erforschung von Entstehung und Funktion der Textsorte "Interview" in Zeitungen und Zeitschriften
bis zur Analyse lexikographischer Strukturen des 19. Jahrhunderts und deren "Übertragung" in die
digitale Struktur des 21. Jahrhunderts.
Auch literatur- und kulturwissenschaftlichen Themen, der bisherigen Kernkompetenz des AAC, soll am Institut weiter
nachgegangen werden. Budin: "Volltext-Digitalisierungen und Online-Editionen wie jene der 'Fackel' leisten
einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des kulturellen Erbes und erfüllen auch den wichtigen Auftrag, die
Öffentlichkeit an den Ergebnissen der Forschungsarbeit partizipieren zu lassen."
Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit
Für die Weiterentwicklung corpuslinguistischer und texttechnologischer Methoden will Budin die Zusammenarbeit
auf internationaler Ebene verstärken: "Es gilt internationale Standards zur Annotation und Modellierung
von Sprachdaten und Corpora zu entwickeln." Das betrifft auch die corpuslinguistische und texttechnologische
Weiterentwicklung der Technologien des "Semantic Web": "Hier streben wir Kooperationen mit international
führenden Einrichtungen wie dem Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz oder dem
irländischen Digital Enterprise Research Institute an", so Budin.
Weiteres Ziel ist ein verstärktes Engagement in internationalen Netzwerken. Die aktive Mitarbeit im Projekt
CLARIN (Common Language Resource and Technology Infrastructure) im 7. Rahmenprogramm der EU wird dabei im Mittelpunkt
stehen. Budin: " Die Corpusarbeit und die Forschungsschwerpunkte des Instituts passen voll und ganz in die
Ziele des CLARIN-Projekts, in dessen Rahmen auch eine nationale Forschungsinfrastruktur aufgebaut wird."
Gerhard Budin
Mit Gerhard Budin konnte die ÖAW einen Experten auf dem Gebiet der Corpuslinguistik und Texttechnologie als
Direktor gewinnen. Seit 2005 ist der Sprachwissenschafter Universitätsprofessor für Translatorische
Terminologiewissenschaft und Übersetzungstechnologie am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität
Wien. Dort koordiniert er auch den Forschungsschwerpunkt "Translation - Kognition - Technologien". Sein
Forschungsinteresse umfasst Sprachtechnologien und Corpuslinguistik ebenso wie die Terminologiewissenschaft und
Fachsprachenforschung, Kognitive Systeme und Wissenstechnologien, die Interkulturelle Kommunikation und Wissensorganisation
sowie das Thema Fachübersetzung und Übersetzungstechnologien. |