Die Entwicklung der Sprache erforschen   

erstellt am
07  04. 10

Wien (öaw) - Mit 1. April 2010 wurde die Unternehmung AAC - Austrian Academy Corpus der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in ein Institut der ÖAW umgewandelt. Das Institut für Corpuslinguistik und Texttechnologie (ICLTT) ist vorerst auf drei Jahre befristet. Direktor des neuen Instituts ist der Sprachwissenschafter Gerhard Budin.

Ausrichtung und Pläne des ICLTT
Die Unternehmung AAC - Austrian Academy Corpus der ÖAW wurde 2003 gegründet. Mit der Online-Edition der von Karl Kraus 1899 bis 1936 herausgegebenen Zeitschrift "Die Fackel" wurde ihre Arbeit auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Seit seinem Bestehen hat das AAC eine umfangreiche Corpussammlung erstellt sowie für dessen Aufbereitung und Untersuchung maßgeschneiderte Texttechnologien entwickelt.

Schwerpunkt der Sammlung sind Corpora deutschsprachiger Texte des 19. und 20. Jahrhunderts mit Bezug zu Österreich beziehungsweise zur Habsburger-Monarchie, wobei von literarischen Texten bis zu Fachtexten und Gebrauchstexten unterschiedlichste Textsorten vertreten sind. "Wir wollen auf der bisherigen Arbeit des AAC aufbauend auf breiter empirischer Basis die Entwicklung der deutschen Sprache in Österreich beziehungsweise dem Habsburger-Reich im 19. und 20. Jahrhundert untersuchen", sagt ICLTT-Direktor Gerhard Budin. Dabei sollen die Entstehung und der Gebrauch von Wörtern und komplexen sprachlichen Ausdrücken in Texten ebenso erforscht werden wie der historische Wandel von Bedeutungen und sprachlichen Formen sowie die Rezeption von Texten in interkulturellen Kontexten.

Die dazu geplanten Forschungsprojekte sind vielfältig und reichen von der Untersuchung der Wortschatzentwicklung der österreichischen Rechts- und Verwaltungssprache oder paralleler Corpora zu Freuds "Traumdeutung" über die Erforschung von Entstehung und Funktion der Textsorte "Interview" in Zeitungen und Zeitschriften bis zur Analyse lexikographischer Strukturen des 19. Jahrhunderts und deren "Übertragung" in die digitale Struktur des 21. Jahrhunderts.

Auch literatur- und kulturwissenschaftlichen Themen, der bisherigen Kernkompetenz des AAC, soll am Institut weiter nachgegangen werden. Budin: "Volltext-Digitalisierungen und Online-Editionen wie jene der 'Fackel' leisten einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des kulturellen Erbes und erfüllen auch den wichtigen Auftrag, die Öffentlichkeit an den Ergebnissen der Forschungsarbeit partizipieren zu lassen."

Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit
Für die Weiterentwicklung corpuslinguistischer und texttechnologischer Methoden will Budin die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene verstärken: "Es gilt internationale Standards zur Annotation und Modellierung von Sprachdaten und Corpora zu entwickeln." Das betrifft auch die corpuslinguistische und texttechnologische Weiterentwicklung der Technologien des "Semantic Web": "Hier streben wir Kooperationen mit international führenden Einrichtungen wie dem Deutschen Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz oder dem irländischen Digital Enterprise Research Institute an", so Budin.

Weiteres Ziel ist ein verstärktes Engagement in internationalen Netzwerken. Die aktive Mitarbeit im Projekt CLARIN (Common Language Resource and Technology Infrastructure) im 7. Rahmenprogramm der EU wird dabei im Mittelpunkt stehen. Budin: " Die Corpusarbeit und die Forschungsschwerpunkte des Instituts passen voll und ganz in die Ziele des CLARIN-Projekts, in dessen Rahmen auch eine nationale Forschungsinfrastruktur aufgebaut wird."

Gerhard Budin
Mit Gerhard Budin konnte die ÖAW einen Experten auf dem Gebiet der Corpuslinguistik und Texttechnologie als Direktor gewinnen. Seit 2005 ist der Sprachwissenschafter Universitätsprofessor für Translatorische Terminologiewissenschaft und Übersetzungstechnologie am Zentrum für Translationswissenschaft der Universität Wien. Dort koordiniert er auch den Forschungsschwerpunkt "Translation - Kognition - Technologien". Sein Forschungsinteresse umfasst Sprachtechnologien und Corpuslinguistik ebenso wie die Terminologiewissenschaft und Fachsprachenforschung, Kognitive Systeme und Wissenstechnologien, die Interkulturelle Kommunikation und Wissensorganisation sowie das Thema Fachübersetzung und Übersetzungstechnologien.
     
zurück