Kampf gegen Kindesmissbrauch  

erstellt am
14  04. 10

 Marek: Breiter Schulterschluss notwendig
Round Table im Familienministerium zum Thema Kindesmissbrauch als Startschuss für eine nachhaltige Entwicklung
Wien (bmwfj) - "Wir wollen in die Zukunft blicken und Schritte setzen, um Kindesmissbrauch möglichst zu verhindern bzw. sehr frühzeitig zu erkennen. Es geht dabei um die drei wesentlichen Bereiche Prävention, Reaktion und Sensibilisierung", betonte Christine Marek, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, am 13.04. im Anschluss an den Round Table zum Thema Kindesmissbrauch, zu dem sie gemeinsam mit Justizministerin Claudia Bandion-Ortner rund 30 Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Bereichen ins Familienministerium geladen hatte. Marek weiter: "Wir mussten das Rad heute nicht neu erfinden. Unser Ziel war es, aufbauend auf den bereits entwickelten Standards sowie den bestehenden Handlungskonzepten in den unterschiedlichen Bereichen und Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden, Institutionen) aufzubauen."
Unmittelbarer Anlass für diesen Round Table waren die in jüngster Vergangenheit bekanntgewordenen Missbrauchsfälle, die die Öffentlichkeit sehr stark beschäftigen. Dabei gehe es aber bei weitem nicht nur um Fälle in der Kirche allein, sondern auch um Fälle in den Familien bzw. im familiären und sozialen Umfeld, betonte Marek. Thema des Round Table seien aber ganz bewusst nicht die Aufarbeitung der alten Fälle und allfällige Entschädigungszahlungen gewesen. Dennoch gebe es die Zusammenarbeit und den regelmäßigen Austausch mit Waltraud Klasnic, der Opferbeauftragten der katholischen Kirche, gefördert.

Zwtl.: Geplante Maßnahmen - Interdisziplinäres Expertengremium
Im Anschluss an die intensiven und sehr konstruktiven Gespräche mit den geladenen Expertinnen und Experten informierte Marek über die wichtigsten der gemeinsam erzielten Ergebnisse:

  • Das Familienministerium wird ein interdisziplinäres Expertengremium zur Verbesserung des Kinderschutzes zwischen Medizin und Jugendwohlfahrt installieren, das im Mai 2010 seine Arbeit aufnehmen wird. In diesem werden Familien-, Gesundheits- und Justizministerium sowie die Datenschutzkommission des Bundeskanzleramtes, die Abteilungen der Jugendwohlfahrt in den einzelnen Bundesländern, Kinderschutzgruppen, die Ärztekammer und der Hauptverband der Sozialversicherungsträger eingeladen sein. Ziele sind verbesserte Kommunikation, Kooperation und Informationsaustausch mit dem Ziel der Vertrauensbildung, verbesserte Diagnostik durch Aus- und Weiterbildung der Ärzt/innen und des medizinischen Personals; Verbesserung der Standards für die Arbeit der Kinderschutzgruppen; der flächendeckende Einsatz von präventiven Instrumenten wie z.B. ein Screening-Fragebogen sowie die Evaluierung der Kinderschutzarbeit in den Kliniken.
  • Weiters wurde beschlossen, ein Expertengremium einzuberufen, das sich dem Thema "Sexueller Missbrauch in geschlossenen Institutionen" (z.B. Schulen, Heimen etc.) widmen.
  • Um den im Zusammenhang mit dem Erkennen von Missbrauch von Kindern erforderlichen hohen Grad von Sensibilität und Know-How zu erreichen, wird man weiters an Bildungsministerin Claudia Schmied herantreten, um für alle Pädagog/innen eine verpflichtende Weiterbildung sowie die Verankerung des Themas Kindesmissbrauch sowohl in der Aus- als auch in der Fortbildung zu erreichen. Man wird Unterrichtsministerin Schmied ersuchen, im Rahmen der Ausbildungspläne entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Für Kindergartenpädagog/innen wird man gemeinsam mit dem BMUKK - nach dem Vorbild der bereits bestehenden Unterrichtsmaterialien für Tourismusschulen zum Thema "Kindersextourismus" - Unterrichtsmaterialien zum Thema Kindesmissbrauch erarbeiten.
  • Als weiteren Schritt kündigte Marek an, die bestehende Hotline der MÖWE Kinderschutzzentren auszubauen. Diese steht ab sofort unter 0800 80 80 88 - zum Nulltarif aus ganz Österreich - allen Menschen zur Verfügung, die von psychischer, physischer oder sexueller Gewalt betroffen waren bzw. sind. Das gelte auch für deren Angehörige und für alle, die einen Verdacht haben und nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen. Die Hotline ist an allen Werktagen, 10 Stunden täglich, von 9.00 bis 19.00 Uhr erreichbar. Ganz bewusst ist hier eine von der Kirche unabhängige Institution beauftragt worden.
  • Außerdem wird die erst kürzlich neu aufgelegte Broschüre "(K)ein sicherer Ort. Sexuelle Gewalt an Kindern" des Familienministeriums an alle Kindergärten anlässlich der Implementierung des zusätzlichen Moduls im Bildungsplan für 5-Jährige im Sommer 2010 bzw. September 2010 verteilt.
  • Um den Ursachen für Kindesmissbrauch auf den Grund zu gehen und die entsprechenden Rahmenbedingungen zu verbessern hat das Familienministerium weiters beim Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) eine Gewaltprävalenz-Studie in Auftrag gegeben um beispielsweise folgenden Fragen nachzugehen: Wie viel Gewalt erfahren die Menschen (in der Familie, im sozialen Umfeld/Nahraum, durch Fremde) in welchen Formen, in welchen situativen Umständen in welchem Ausmaß? Was für Folgen haben diese Gewalthandlungen z.B. psychische Störungen, gesundheitliche Probleme usw.? Ergebnisse werden im 1. Quartal 2011 vorliegen.


"Kinder sind unsere Zukunft: Kinder haben ein Recht darauf, ohne Missbrauch aufwachsen zu können. Leider werden wir auch im 21. Jahrhundert Missbrauchsfälle nie zu 100 Prozent verhindern können und deshalb ist es auch wichtig, dass Kinder bei Missbrauchserfahrungen von der Gesellschaft aufgefangen und betreut werden. Das gelingt uns nur mit einem breiten Schulterschluss, zu dem wir heute den Startschuss gegeben haben", betonte Marek abschließend.


 

 Musiol: "Runder Tisch ein Schlag ins Wasser"
Steinhauser: Regierung stiehlt sich mit Alibi-Maßnahmen aus der Verantwortung - Musiol: Opferhotline ohne Mittel
Wien (grüne) - "Der heutige runde Tisch war für die Betroffenen kirchlicher Gewalt ein Schlag ins Wasser mit wenigen Ergebnissen", kritisiert der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser Justizministerin Bandion-Ortner. Weder gibt es ein Bekenntnis zur Aufnahme von Verhandlungen mit der katholischen Kirche über mögliche Entschädigungen der Opfer, noch eine staatliche Untersuchungskommission. "Die Bundesregierung hat sich offensichtlich im kirchlichen Missbrauchsskandal für unzuständig und inkompetent erklärt", sieht Steinhauser mit der Bildung von Arbeitskreisen durch die Bundesregierung ein Totalversagen der Bundesregierung.

"Betroffene und die Öffentlichkeit erwartet sich mehr als, dass sich die Regierung mit Alibi-Maßnahmen aus der Verantwortung stiehlt." Selbst die angekündigte Opferhotline gibt es nicht wirklich. "Staatssekretärin Marek verkauft eine Mogelpackung. Sie will lediglich auf eine bestehende Beratungsstelle verweisen, die dafür aber keine zusätzlichen Mitteln bekommen soll", kritisiert Familiensprecherin Daniela Musiol. Dafür hätte es aber diesen runden Tisch nicht gebraucht. "Das ganze ist ein billiger PR-Gag, bei dem die ExpertInnen die Kulisse abgeben durften", so Musiol.
     

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