Parlament: Podiumsdiskussion zum Thema Medien, Macht und Demokratie   

erstellt am
14  04. 10

Journalisten orten Qualitätsverlust durch Zeitdruck und andere Zwänge
Wien (pk) - Das permanente Spannungsfeld und das unauflösbare Beziehungsgeflecht zwischen Medien, Macht und Demokratie waren das Thema einer Podiumsdiskussion am Abend des 13.04. im Palais Epstein. Auf Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und der "unabhängigen Denkwerkstatt für Zukunftsfragen" GLOBArt diskutierten die Chefredakteurin des Online-Standard Gerlinde Hinterleitner, Okto-TV-Mitarbeiterin Amina Handke, der Vorsitzende der Journalistengewerkschaft Franz C. Bauer sowie der langjährige ORF-Journalist Franz Kössler unter anderem über die Auswirkungen der Web-Revolution auf die Medienwelt, wirtschaftliche Zwänge in Krisenzeiten und ethische Normen für alte und neue Medien. Versagen Medien bei der Aufgabe, gesellschaftlichen Pluralismus abzubilden? Ist die Medienwelt noch in Balance? Und wer kontrolliert die Medien? lauteten einige der aufgeworfenen Fragestellungen.

Auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer konzentrierte sich in ihrer Begrüßungsrede auf Fragen. Man sei, was die demokratiepolitische Rolle der Medien betrifft, an einem Punkt angelangt, wo viele offene Fragen im Raum stünden, auf die bei weitem noch keine Antwort gefunden sei, meinte sie. "Wie gehen Medien mit der ihnen zugebilligten Macht um?", wollte Prammer etwa von den Podiumsgästen wissen. Spiegeln die Medien die Meinung der Bevölkerung wider oder machen sie sie selbst? Stellen sie jene Öffentlichkeit her, die für die Demokratie unverzichtbar ist? Sind sie immun gegen ökonomische und politische Gängelung? Das Parlament sei ein geeigneter Ort, um sich mit solchen Fragestellungen zu beschäftigen, betonte die Nationalratspräsidentin und verwies auch auf das Bemühen der im Palais Epstein eingerichteten "Demokratiewerkstatt", Kindern und Jugendlichen einen kritischen Umgang mit Medien zu vermitteln und sie für mögliche Manipulationen zu sensibilisieren.

Viele der gestellten Fragen, zu denen Gesprächsleiter Michael Kerbler noch einige hinzufügte, blieben bei der anschließenden Podiumsdiskussion offen. Man habe in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nur an der Oberfläche kratzen können, meinte der Ö1-Journalist. Er selbst sieht nicht zuletzt die Politik gefordert, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Journalismus zu verbessern und Meinungs- und Medienvielfalt sicherzustellen.

Sowohl Kerbler als auch Gerlinde Hinterleitner (derStandard.at) machten auf den großen Einfluss des Internets auf die moderne Medienwelt aufmerksam. Online-Medien hätten Tageszeitungen, die sich auf das Verbreiten von Nachrichten konzentrieren, stark unter Druck gesetzt, skizzierte Hinterleitner, da sie in Echtzeit berichten und bei entsprechenden Ressourcen auch eine umfassende Hintergrundberichterstattung anbieten könnten. Allerdings sind ihr zufolge angesichts der zunehmenden medialen Selbstorganisation von Aktivisten im Internet nicht nur die traditionellen, sondern auch die neuen Medien gefordert. Wenn sie es nicht schafften, eine Vermittlerrolle zwischen den BürgerInnen und der Politik zu spielen und zentraler Ort für den politischen Diskurs zu sein, werden sie untergehen, zeigte sie sich überzeugt. Als einen großen Vorteil des Internets wertete die Chefredakteurin die Chance, den Leser bzw. die Leserin aktiv zum Mitmachen zu animieren.

Was die Seriosität von Online-Medien betrifft, bekräftigte Hinterleitner, auch wenn der Standard.at ein eigenständiges Medium mit eigener Redaktion sei, verstehe er sich doch als "Standard" im Internet. Das "Zauberwort der Zukunft" für Online-Berichterstattung werde "Transparenz" heißen, meinte sie, also etwa die Offenlegung des Sachverhalts, dass die Glaubwürdigkeit einer Quelle nicht geprüft werden konnte oder dass ein Gegencheck der erhaltenen Information noch nicht erfolgt sei.

Zuvor hatte Franz C. Bauer geltend gemacht, dass die Verbreitung von Informationen im Internet nicht nur zu einer Demokratisierung der Öffentlichkeit führe, sondern auch breite Manipulationsmöglichkeiten eröffne. Gerade Internet-Journalisten fehle oft die Zeit, Meldungen gegenzuchecken, zudem sei es oft schwer zu eruieren, welche Quelle hinter einer Information stecke. Diesen Bedenken schloss sich auch Franz Kössler an, der etwa von hervorragend recherchierten Berichten im Internet über die aktuellen Vorgänge in Kirgisien berichtete, bei denen aber nicht auszuschließen sei, dass diese vom KGB oder dem CIA stammten. Auch die jüngste Staatskrise in Frankreich hat ihren Ursprung Kössler zufolge in einem Internet-Blog, bis dato habe es in Frankreich eine grundsätzliche Übereinkunft der Medien gegeben, nicht über private Affären von Politikern zu berichten.

Bauer beklagte darüber hinaus generell den Qualitätsverlust im Medienbereich, für den er Druck sowohl von Seiten der Wirtschaft als auch von Seiten der Politik verantwortlich machte. Journalisten hätten angesichts der immer schlechter werdenden wirtschaftlichen Bedingungen immer weniger Zeit, in die Tiefe zu gehen, meinte er. Politiker würden zudem eher danach streben, an der Macht zu bleiben, als eine intakte Medienlandschaft zu erhalten, was, so Bauer, unter anderem zur Bevorzugung großer Medien führe, etwa durch eine "asymmetrische Inseratenvergabe". Kössler sprach in diesem Zusammenhang von skandalösen "Gefälligkeitsanzeigen" und wertete es als ein Problem, dass die Öffentlichkeit in Österreich nicht wirklich gepflegt werde und das Interesse an einem offenen politischen Klima gering sei. Seiner Ansicht nach wäre es Aufgabe des Parlaments für Medienvielfalt zu sorgen und auch kleinen Medien wie Okto TV oder dem Falter das Überleben zu sichern. Hinterleitner regte in diesem Zusammenhang Stiftungsmodelle und eine Umgestaltung der Presseförderung zur Förderung von Qualitätsjournalismus an.

Amina Handke qualifizierte Okto-TV als ergänzendes Medium zu den traditionellen Medien. Dem Sender gehe es in erster Linie um partizipative Demokratie, skizzierte sie. Es sollten auch Leute zu Wort kommen, über die in anderen Medien gar nicht oder nur klischeehaft berichtet werde. Generell sieht Handke bei der Bevölkerung sehr wohl den Bedarf an aufbereiteter Information und Reflexion, dazu brauche es JournalistInnen.

Präsentiert wurden bei der Veranstaltung auch die Ergebnisse der von GLOBArt initiierten "Academy 2009", in deren Rahmen man sich auf die Suche nach nachhaltigen Innovationen, "witzigen" Ideen, alternativen Lebenskonzepten und neuen Projekten begab. Dazu gestaltete Sylvia Kummer auch eine Videoinstallation mit dem Titel "Demokratie – eine lebendige Herausforderung".
 
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