Ein Schalter für Pflanzengene - neuer Regulator identifiziert   

erstellt am
22  04. 10

Wien (öaw) - Marjori und Antonius Matzke vom GMI haben in Zusammenarbeit mit amerikanischen Wissenschafter(innen) einen neuen epigenetischen Genregulator in Pflanzenzellen identifiziert. Der Regulator spielt eine wichtige Rolle bei der Stilllegung von Genen mittels RNA-induzierter Methylierung von DNA. Die Ergebnisse der Studie wurden in der aktuellen Onlineausgabe von Nature publiziert.

Es ist seit langem bekannt, dass jede Zelle eines Organismus, Hautzellen ebenso wie Nerven- oder Herzmuskelzellen, alle Gene enthält. Damit eine Zelle eine Spezialfunktion innerhalb eines Gewebes ausüben kann, dürfen aber eine zeitlang nur ganz bestimmte Gene zum Zug kommen: Gene, die für die charakteristischen Enzyme und Strukturproteine des entsprechenden Zelltyps kodieren. Im menschlichen Körper gibt es rund 200 unterschiedliche Zelltypen. In jedem von ihnen ist ein unterschiedlicher Satz aus der Gesamtheit von rund 23.000 Genen eingeschaltet, und nur ein geringerer Teil ist in allen Zellen aktiv.

Aufzuklären, wo bei jenem komplexen Differenzierungsprozess „die Entscheidungen getroffen werden“, gehört zu den kompetitivsten Forschungsgebieten der Molekularbiologie. Von Wien aus sind Marjori und Antonius Matzke und ihr Team am Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) vorne mit dabei. Sie erforschen das komplexe Zusammenspiel von Proteinen und kleinen spezifischen RNA-Sequenzen im Zellkern. In einer charakteristischen Reaktionskette sind jene beiden Komponenten an einer reversiblen epigenetischen Modifikation der DNA beteiligt. Die DNA-Sequenz wird dadurch nicht verändert. Sie wird aber durch Anfügen von Methylgruppen „verpackt“. Auf diese Weise kann das betroffene Gen (vorübergehend) nicht mehr abgelesen werden. Der Prozess wird RNA-induzierte Methylierung von DNA (RdDM - RNA-directed DNA methylation) genannt. Er spielt sich im Zellkern ab. Marjori und Antonius Matzke, Senior Gruppenleiter am GMI, und ihre Kollege(innen) aus Österreich und den USA haben ihn im Detail untersucht. Sie hielten nach einem Regulatorprotein im Methylierungsprozess Ausschau.

Genetic Screens
Die Wissenschafter(innen) haben einen experimentellen Ansatz entwickelt, mit dessen Hilfe sie die Bedeutung aller an der RdDM-Regulierung beteiligten Proteine abschätzen konnten. Mit solchen, als „Genetic Screens“ bezeichneten Experimenten, versuchten sie, Gen und Funktionszusammenhang anhand der involvierten Proteine zu erfassen. Sie erzeugten zunächst zufällige Mutationen im Genom der Modellpflanze Arabidopsis thaliana und untersuchten dann die Auswirkungen auf ein ganz bestimmtes Gen.

In ihrem jüngsten Screen gelang es Marjori und Antonius Matzke, das entscheidende Regulatorprotein RDM1 (RNA-directed DNA methylation 1) zu identifizieren. Auf RDM1 kommt es an, ob der RNA-induzierter Methylierungsprozess an der DNA statt finden kann oder nicht. So lange das Protein RDM1 in einer Pflanzenzelle nicht vorhanden ist, kann die DNA ungehindert abgelesen werden. Sobald aber RDM1 da ist, werden die durch kleine RNA kenntlich gemachten DNA-Sequenzen mittels Methylierung stillgelegt.

„Die RNA-induzierte DNA-Methylierung ist essentiell für die Entwicklung von Pflanzen“, stellt Marjori Matzke fest und freut sich, dass ihre Gruppe am GMI mit dem Protein RDM1 eine wichtige Komponente im komplexen Zusammenspiel von Wachstum und Differenzierung gefunden hat. Epigenetische Stilllegungsmechanismen sind aber nicht nur für die Entwicklung wichtig. Dass man an gestressten Pflanzen häufig ein verändertes Methylierungsmuster ihrer DNA beobachten kann, deutet darauf hin, dass das neu identifizierte Regulatorprotein RDM1 wahrscheinlich auch bei der Anpassung an aktuelle Umweltbedingungen beteiligt ist.

Publikation: http://dx.doi.org/10.1038/nature09025


http://www.gmi.oeaw.ac.at

Über das GMI
Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Jahr 2000 gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu fördern. Das GMI, organisiert als GmbH, ist die einzige internationale Grundlagenforschungseinrichtung auf diesem Gebiet in Österreich. Die Forschung am GMI gilt primär den Grundlagen der Pflanzenbiologie und umfasst vor allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen, Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und Entwicklungsbiologie. Die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana ist die am meisten verwendete Versuchspflanze. Das GMI hat ca. 80 Mitarbeiter(innen) aus 22 verschiedenen Ländern. Die Umgangssprache ist Englisch. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, das im Januar 2006 fertig gestellt wurde. Dieses gehört zum Vienna Biocenter Campus (VBC), auf dem mehrere Forschungseinrichtungen sowie Biotechnologie-Firmen angesiedelt sind.
 
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