Menschen, Menschenwürde, Menschenrechte und Gesetze   

erstellt am
20  04. 10

Veranstaltung zum Thema "Schutz der Menschenwürde" im Parlament
Wien (pk) - "Schutz der Menschenwürde in Österreich" war das Thema einer Veranstaltung, zu der der Zweite Präsident des Nationalrats, Fritz Neugebauer, und der Katholische Laienrat Österreichs, die österreichweite Plattform der Gemeinschaften des organisierten Laienapostolats, am 19.04. ins Parlament luden. Präsident Neugebauer wies eingangs auf das Spannungsverhältnis zwischen Menschenwürde, Menschenrechten und deren gesetzlicher Konkretisierung hin und sprach dabei die Themen Kinderrechte, das Grundrecht auf Familie, Sterbehilfe und Stammzellenforschung an.

Im weltanschaulich neutralen Staat sei Menschenwürde ein "sperriger Gegenstand", führte der Präsident des Laienrats, Wolfgang Rank, in die Thematik ein. In der EU stehe die Unantastbarkeit der Menschenwürde zwar an vorderster Stelle, doch komme es auf die Umsetzung in der Praxis an.

Als erster Referent beleuchtete der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Karl Korinek, den Schutz der Menschenwürde in internationalen und im österreichischen Recht. Bereits im ABGB sei von "angeborenen Rechten" die Rede, was als "Zentralnorm" zu werten sei. Vom Verfassungsgerichtshof werde der Schutz der Menschenwürde als allgemeiner Wirkungsgrundsatz gesehen, als Leitgedanke und als Fundament des Staates. Konkretisiert werde dieser Gedanke im Gleichheitsgrundsatz, in den Freiheitsrechten und in den sozialen Rechten. Genau darin sei auch das Verbot des Nationalsozialismus und bestimmter Organisationen begründet.

Korinek setzte sich dann mit den Regelungen auf europäischer und auf internationaler Ebene auseinander, beginnend mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1948 und der europäischen Menschenrechtskonvention, die Bestandteil der österreichischen Bundesverfassung sei. Menschenwürde und –rechte hätten einen unantastbaren Kern, aber auch ihre Grenze in der Würde des anderen, sagte Korinek und kam dann auf aktuelle Gefährdungen durch die Bio- und durch die Informationstechnologie zu sprechen. Korinek vertrat in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass bei den Straßenaufnahmen durch Google zu überlegen sei, ob hier nicht die Würde der Menschen verletzt werde und daher der Staat in seinen Schutzpflichten gefordert sei.

Der Moraltheologe und Ethiker Günter Virt befasste sich mit den Themen Lebensschutz, Menschenwürde und deren Zusammenhang. Da alle anderen Güter auf das Leben aufbauten, sei dessen Schutz eine grundlegende Aufgabe des Gemeinwesens, sein Wert könne nicht nachrangig behandelt und nicht "graduiert" werden. "Ein wirksamer Schutz des Lebens ist von seiner Mitte bis zu seinen Rändern zu gewährleisten", forderte Virt. Die Menschenwürde sei durch das Menschsein gegeben, nicht durch Ansehen und nicht durch Person-Sein. Die Menschenwürde sei daher nicht nur zu achten, sondern auch zu schützen, die Schwächsten einer Gesellschaft seien auch die Schutzbedürftigsten. Auf der Menschenwürde bauten die Freiheits- und Sozialrechte auf, und wer Freiheitsrechte nicht in Anspruch nehmen könne, habe auch keine Sozialrechte. Eine ethische Theorie komme zwar nicht ohne Güterabwägung aus, betonte Virt, doch sei die Menschenwürde der "Eichpunkt dieser Waage".

Virt schloss seinen Vortrag mit "drei Bitten eines Ethikers an das Hohe Haus": Erstens bat er um Ratifizierung der Menschenrechtskonvention des Europarats zur Biomedizin durch das Parlament. Zweitens bat er darum, dass die ParlamenterierInnen sich dafür einsetzten, die Billigung der Tötung auf Verlangen zu verhindern, damit ein EU-weiter "Flächenbrand", ausgehend von den Benelux-Staaten, nicht um sich greife. Drittens ersuchte er darum, das Verbot der Tötung auf Verlangen und das Recht, in Würde zu sterben, in den Verfassungsrang zu haben. Präsident Neugebauer berichtete in diesem Zusammenhang über einen Vorschlag, der vor Ostern dem Koalitionspartner übergeben worden sei und worüber mit allen Fraktionen beraten werden sollte.

Der Sozialrechtler Wolfgang Mazal ging zunächst auf Beispiele für konkrete Umsetzung von in der Menschenwürde begründeten Schutzregeln ein. Er nannte u.a. die Familienhospizkarenz, den Behindertenschutz, die Mindestsicherung und die Krankenversicherung. Es gebe aber auch Schutzdefizite, die in einer Unterversorgung, aber auch in Überversorgung sowie in inadäquaten Schutzregelungen begründet sein könnten. Als Beispiele nannte Mazal u.a. die Themen "wrongful birth", psychische Versorgung, Arbeitsverbot für Asylwerber, überlange Verfahren und überlange Arbeitszeiten. Wenn es gelänge, das europäische Wohlfahrtsstaatsmodell zu erhalten, bestehe kein Grund zur Sorge; angesichts des Umstands, dass fast die Hälfte der Bevölkerung Österreichs ohne Transferleistungen armutgefährdet sei, müsse man die Frage stellen, ob nicht die Eigenverantwortlichkeit der Menschen missachtet werde. Abschließend wies Mazal auf die Notwendigkeit hin, das Thema Menschenwürde auch in "Alltagsentscheidungen" einfließen zu lassen.
 
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