Über die Ursachen der Krise und Wege aus der Staatsverschuldung
Wien (pk) - Die Finanzdelegation der Schweizer Bundesversammlung, bestehend aus Mitgliedern des Nationalrats
und des Ständerats, traf am Vormittag des 30.04. unter der Leitung ihres Präsidenten Hans Altherr im
Parlament mit Mitgliedern des Finanzausschusses des Nationalrats zu einem Gedankenaustausch über aktuelle
finanzpolitische Fragen zusammen. Der Vorsitzende des Finanzausschusses, Abgeordneter Günter Stummvoll, begrüßte
die Gäste und leitete das mehrstündige Gespräch, das in ebenso sachlicher wie betont freundschaftlicher
Atmosphäre verlief. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bemühungen um eine internationale Finanzhilfe für
Griechenland tauschten die Schweizer Finanzexperten mit ihren österreichischen Fachkollegen ihre Ansichten
über die Ursachen der Finanzkrise aus, die sich, so die gemeinsame Auffassung, zu einer globalen Wirtschaftskrise
ausgeweitet habe und nun zu einer Gefahr für die Staatsfinanzen zu werden drohe. Ganz im Zentrum des ausführlichen
Gesprächs standen daher die Grundsätze, Methoden und Zielsetzungen der Schweiz und Österreichs in
ihren jeweiligen Bemühungen um die Konsolidierung der durch die Krise in Anspruch genommenen Staatsfinanzen.
Abgeordneter Stummvoll erläuterte den Gästen aus der Schweiz das neue Budgetrecht in Österreich,
das einen vierjährigen Finanzrahmen ermögliche und informierte die Kollegen aus der Eidgenossenschaft
über die Absicht der Bundesregierung und der Koalitionsparteien, die österreichischen Staatsfinanzen
nach der Formel 40 % Steuererhöhungen und 60 % Ausgabeneinsparungen zu konsolidieren. Angesichts sehr unterschiedlicher
Meinungen zwischen den Parteien seien spannende Diskussionen über die Art der Budgetkonsolidierung sowohl
zwischen den Koalitionsparteien als auch zwischen Regierung und Opposition zu erwarten.
Hans Altherr berichtete, dass beim Konsolidierungsprogramm der Schweiz keine Steuererhöhungen geplant seien.
Die relativ gute Budgetlage der Schweiz führte Altherr auf den erfolgreichen Einsatz der im Jahr 2000 eingeführten
"Schuldenbremse" zurück. Dieses Instrument, das zunehmend internationales Interesse erwecke, schreibe
dem Staat in konjunkturell guten Jahren vor, Überschüsse zu erwirtschaften, was es ihm ermögliche,
in konjunkturell schlechten Zeiten Defizite zuzulassen, ohne in eine Überschuldung zu geraten.
Vorschläge für Konsequenzen nach der Bankenkrise werden derzeit von Experten ausgearbeitet. Priorität
haben strengere Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften, wobei das Eigenkapital umso höher sein müsse,
je höher das Risiko sei. Auch über einen Banken-Deckungsfonds werde diskutiert, ein solcher Risikofonds
sei aber nur international denkbar. Eine Inflation wäre äußerst problematisch, weil sie die Verzinsung
der Staatsschulden und Kredite für KMU – das Rückgrat der österreichischen wie der Schweizer Wirtschaft
- verteuern würde.
Abgeordneter Robert Lugar (B) warnte davor, mit einer finanziellen Griechenlandhilfe ein Signal für "moral
hazard" in anderen Staaten zu geben. Die Ursache der Krise sah Lugar im enormen Geldmengenwachstum in den
USA und in Europa und sah diesbezüglich Handlungsbedarf. Schuld an der Krise seien nicht die Banken, die im
Rahmen der Spielregeln versucht hätten, Geld zu verdienen, sondern die Politik, die für diese Spielregeln
verantwortlich sei. Das Hauptproblem sei die Politik des billigen Geldes, denn je billiger Geld sei, desto stärker
werde es fehlgeleitet.
Abgeordneter Christoph Matznetter (S) sah die Staaten dazu aufgerufen, strengere Regeln für Investmentbanken
vorzusehen. Eine Inflation wäre nicht beherrschbar, gab Matznetter den Schweizer Gästen recht.
Fragen der Schweizer Finanzpolitiker nach den Standpunkten der österreichischen Parteien in der Frage der
Konsolidierung der österreichischen Staatsfinanzen beantwortete zunächst VP-Abgeordneter Günter
Stummvoll, indem er meinte, es sei zweckmäßig, zuerst über Reformen und Ausgabeneinsparungen zu
reden und erst dann über Steuererhöhungen. Eine Bankenabgabe hielt Stummvoll für problematisch,
weil man von den Banken nicht gleichzeitig mehr Eigenkapital, mehr Kredite für KMU und höhere Steuern
verlangen könnte. Bei den Sozialtransfers trete seine Partei für mehr Transparenz ein. Die Mehrwertsteuer
wolle in Österreich niemand erhöhen.
Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) sah die ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen als eine der Ursachen
der Krise an, weil sie den Konsum und damit das Wirtschaftswachstum behindere. Die SPÖ wolle große Vermögen
sowie die Verursacher und Profiteure der Krise stärker besteuern und zur Konsolidierung heranziehen. Dem diene
das 7 Punkte-Steuerprogramm der SPÖ sowie das Engagement der Europäischen Sozialdemokraten für die
Einführung einer Finanztransaktionssteuer.
Abgeordneter Roman Haider (F) zeigte sich besorgt wegen der Gefahr, dass statt Einsparungen Steuern im Ausmaß
von 80:20 erhöht und unter dem Titel einer Ökologisierung des Steuersystems Treibstoffe verteuert und
eine CO2-Steuer eingeführt werden könnten.
Abgeordneter Robert Lugar (B) hielt es angesichts der hohen Sozialquote in Österreich für notwendig,
die soziale Treffsicherheit zu erhöhen und dafür zu sorgen, dass in konjunkturell guten Zeiten nach dem
Vorbild der Schweiz bei den Staatsausgaben gespart werde. |