Dringliche Anfrage an den Finanzminister im Bundesrat
Wien (pk) - Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) hielt im Rahmen der Begründung der
Dringlichen Anfrage am 06.05. fest, dass in den letzten Tagen sehr viel von der Finanzhilfe für Griechenland
die Rede gewesen sei, niemand spreche aber über die "desaströse" Finanzsituation der Gemeinden.
Dabei würden auch die Gemeinden unter der Wirtschaftskrise leiden und seien überdies mit immer mehr Verpflichtungen
und Kosten konfrontiert, die für sie nicht steuerbar seien, skizzierte sie. Als Beispiel nannte Mühlwerth
etwa die Bereiche Kinderbetreuung und Altenpflege. Folge sei, dass die Zahl der negativ bilanzierenden Gemeinden
kontinuierlich steige.
Natürlich müssten auch die Gemeinden Sparpotenziale nutzen, sagte Mühlwerth, der Spielraum dafür
ist ihrer Meinung nach aber nicht sehr hoch. Es sei einfach ein höherer Finanzbedarf erforderlich, man könne
die Gemeinden nicht einfach "im Regen stehen lassen". Wenn Österreich Geld habe, um andere zu retten,
müsse es auch Geld haben, um die Gemeinden zu retten, spielte sie auf die Griechenland-Hilfe an. Um einen
Überblick über die jeweils aktuelle Finanzsituation der Gemeinden zu gewinnen, forderte Mühlwerth
vom Finanzministerium die Vorlage eines jährlichen Berichts ein.
Staatssekretär Reinhold LOPATKA räumte ein, dass die Finanzsituation der Gemeinden angespannt sei, und
betonte, das Finanzministerium sei sich dieser Problematik durchaus bewusst. Österreich stehe vor einer neuen
Situation, erstmals gebe es in der zweiten Republik über mehrere Jahre hinweg ein deutliches Minus bei den
Einnahmen. Das wirke sich auch auf die Ertragsanteile der Gemeinden aus.
Um die Situation zu entschärfen, sieht Lopatka aber nicht nur den Bund, sondern auch die Länder und die
Gemeinden selbst gefordert. So machte er etwa geltend, dass nicht nur manche Länder, sondern auch etliche
Gemeinden bei der Pensionsharmonisierung und der Anpassung des Dienstrechts säumig seien. Zudem verwies er
auf die angestrebte Verwaltungsreform, wo seiner Meinung nach der Druck, "von der Rede zum Handeln zu kommen",
noch nie so groß gewesen ist. Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Einnahmensteigerung sind für
Lopatka positive Wachstumsraten von mehr als 1 %.
In Beantwortung der einzelnen Fragen machte der Staatssekretär geltend, dass der Bund die Kosten für
die Finanzstabilisierungs- und Konjunkturpakete allein getragen und damit auch die Gemeinden entlastet habe. Überdies
erhalten die Gemeinden ihm zufolge in der Finanzausgleichsperiode 2008-2013 insgesamt 633 Mio. € mehr als in der
Finanzausgleichsperiode davor. Davon würden 477 Mio. € erst ab dem Jahr 2011 wirksam. Weiters verwies Lopatka
auf zusätzliche 100 Mio. € für kleine Gemeinden.
Generell bezeichnete Lopatka den Finanzausgleich als "kompliziertes Gebilde", bei dem es viel Stückwerk
und etliche intransparente Geldströme gebe. Man habe sich aber bereits darauf geeinigt, ihn von Experten durchleuchten
zu lassen. Ziel sei nicht zuletzt eine Zusammenführung von Ausgaben-, Aufgaben- und Einnahmenverantwortung.
Was die Reform der Gemeindefinanzierung und riskante Veranlagungen mancher Gemeinden betrifft, sieht Lopatka in
erster Linie die Länder am Zug. Spekulationen der gemeinden seien eine Sache der Gemeindeaufsicht, konstatierte
er, einige Bundesländer hätten hier auch bereits strenge Richtlinien erlassen.
Bundesrat Stefan SCHENNACH (G/W) hielt Staatssekretär Lopatka vor, das Problem zwar erkannt zu haben, sich
aber nicht dessen Dringlichkeit bewusst zu sein. Seiner Ansicht nach ist es notwendig, den Gemeinden rasch zu helfen,
um einen Kollaps mancher Städte zu vermeiden. Allein in Oberösterreich haben ihm zufolge 300 von 444
Gemeinden einen budgetären Abgang.
Schennach gab zu bedenken, dass die Gemeinden die Keimzelle des Staates und der Demokratie seien und die bürgernahste
Institution darstellten. Sie bekämen aber immer mehr Aufgaben bei gleichzeitig geringeren Erträgen, kritisierte
er. Dadurch gerate ihre Rolle als wichtigster Motor für Investitionen und Impulsgeber für die regionale
Wirtschaft in Gefahr. Kritik übte Schennach in diesem Zusammenhang auch an den Ländern, wobei er insbesondere
bei den Bedarfszuweisungen an die Gemeinden "viel Sand im Getriebe" sieht. Er erachtet es aber auch für
notwendig, undurchsichtige Verflechtungen zwischen den Aufgaben der Länder und der Gemeinden abzubauen.
Wo sich die Gemeinden "selbst an der Nase nehmen können", ist Schennach zufolge beim Verzicht auf
Prestigeprojekte. Überdies mahnte er eine stärkere Vernetzung und Kooperation zwischen den Gemeinden
ein. Hinsichtlich der Einnahmenseite könnte man seiner Auffassung nach bei den Grundsteuern ansetzen.
Bundesrat Georg KEUSCHNIGG (V/T) bezeichnete es als "unsachlich", von einer "desaströsen"
Finanzlage der Gemeinden zu sprechen, wie es die Anfragestellerin getan habe. Es bestehe eine schwierige Finanzlage
auf allen Ebenen, in Summe würden die österreichischen Gemeinden aber eine relativ stabile Finanzsituation
aufweisen. Die Situation der Gemeindefinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland sei im Vergleich dazu wesentlich
dramatischer.
In Österreich schaffe eine Kommunalsteuer eine stabile Einkommenssituation. Gerade kleine Gemeinden würden
mit dem beschlossenen Finanzausgleich gut bedient und erhielten zusätzliche Mittel. Der Ausgleich zwischen
ärmeren und reicheren Gemeinden durch die Landesumlage funktioniere ebenfalls. Für die Zukunft sah er
in der interkommunalen Zusammenarbeit einen Weg, der vor allem in Hinblick auf die Gemeinden als Wirtschaftsstandorte
beschritten werden sollte. Es gebe auch andere Formen der Zusammenarbeit und Kooperation als nur Gemeindezusammenlegungen.
Zum Finanzausgleich vertrat er die Auffassung, dass man zu einem interkommunalen Finanzausgleich gelangen sollte.
Die Gemeinden als erste Ansprechpartner der BürgerInnen müssten finanziell stabil bleiben. Es handle
sich um ein komplexes Thema, in Österreich betreibe man hier eine vorausschauende, nachhaltige Politik.
Bundesrat Ewald LINDINGER (S/O) verwies auf den Gemeindefinanzbericht, der über die tatsächliche Lage
der Gemeinde Aufschluss gebe. Auf die Ausführungen von Bundesrat Schennach erwiderte er, dass die von ihm
kritisierte Teilung der Gemeinderessorts nach parteipolitischen Gesichtspunkten in Oberösterreich von den
Grünen mitgetragen worden sei.
Der Bundesrat sprach das Problem an, dass im ländlichen Raum viele Industriehallen leer stehen, und zitierte
eine Warnung aus einer Studie der Arbeiterkammer, wonach Städte und Gemeinde besonders von der Wirtschaftkrise
betroffen seien und ihre Einnahmen einbrechen würden, sodass sie wichtige Aufgabe nicht mehr erfüllen
könnten.
Die Wirtschaftkrise habe als Beschäftigungskrise auch Auswirkungen auf die öffentlichen Budgets. Für
die Gemeinden sei nicht so sehr Ausgabenentwicklung das Problem, sondern dass die Entwicklung der Ertragsanteile
nicht entspreche. Die Gemeinden hätten viele Fix- und Pflichtausgaben. Sie seien der größte öffentliche
Investor in den Regionen. Die Steuerverteilung spiegle das nicht ausreichend wieder. Da die Gemeinden sich zum
Großteil für wichtige Infrastrukturmaßnahmen verschuldet hätten, müssten sie hier vom
Schuldendienst entlastet werden, forderte der Redner. Es bedürfe eines neuen Konjunkturprogramms, um die öffentliche
Haushalte mittelfristig zu sanieren, und eines Städte- und Gemeindepakets.
Die Altenpflege stelle die Gemeinden vor besondere Herausforderungen, schaffe aber auch Chancen für den Arbeitsmarkt.
Dazu sei eine Ausbildungs- und Beschäftigungsinitiative notwendig. Finanzierbar sei dies, wenn es einen Beitrag
der höchsten Vermögen im Land gebe. Der Redner rechnete vor, dass vor allem die Besteuerung von Vermögen
und von spekulativen Geschäften genug Mittel aufgebracht werden könnten, um die Probleme der Gemeinden
zu lösen.
Bundesrätin Cornelia MICHALKE (F/V) wies nochmals auf die schwierige Lage der Gemeinden hin, die ausreichend
durch Zahlen belegt sei. In Vorarlberg könnten nunmehr schon 40 % der Gemeinden mit ihren Einnahmen die laufenden
Ausgaben nicht mehr decken. Gerade der Gratiskindergarten und das verpflichtende Kindergartenjahr belasten die
Gemeinden zusätzlich, man müsse daher fragen, ob tatsächlich in Krisenzeiten alles gratis bleiben
könne. Weiters forderte die Rednerin eine Staats- und Verwaltungsreform nach föderalistischen Gesichtspunkten
und eine Stärkung der Länder. Sie beklagte, dass Vorschläge in diese Richtung, die dazu bereits
aus den Ländern gemacht wurden, von der Bundesebene umgehend abgelehnt worden seien.
Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) erläuterte anhand ihrer Heimatgemeinde, dass es keine großen
finanziellen Spielräume für eine Gemeinde gebe, sobald sie für Gesundheit, öffentlichen Verkehr
und Jugendwohlfahrt zu sorgen habe. Auch der Klimaschutz müsste vor allem auf Gemeindeebene stattfinden. Sparen
sei für Gemeinden nur bei Investitionen möglich, doch gerate man gerade auf diesem Weg längerfristig
in eine Abwärtsspirale. Während die Ertragsanteile der Gemeinden sinken, steigen die Anforderungen an
sie, ein Gemeindepaket sei daher dringend notwendig. Sie meinte, hier müsste der Bund mehr von den Ländern
einzufordern.
Bundesrat Elmar PODGORSCHEK (F/O) sah ebenfalls die Länder gefordert, denn die Lage der Gemeinden sei teilweise
desaströs. Es brauche eine gemeinsame Kraftanstrengung der Gemeinden und der Länder. Bisher seien viele
Bereiche ausgegliedert worden, langfristig würden Schulden so nur verschoben, aber nicht beseitigt worden,
das werde so nicht weitergehen können.
Der Bundesrat erläuterte typische Probleme am Beispiel seiner Heimatgemeinde. Er vertrat die Auffassung, dass
früher oder später Gemeindezusammenlegungen durchgeführt werden müssten. Man sollte auch über
Veränderungen vor allem auf der Verwaltungsebene nachdenken. Das Überleben der Gemeinden als wichtige
Träger der Wirtschaft müsse sichergestellt werden, schloss der Redner.
Bundesrat Georg SPIEGELFELD-SCHNEEBURG (V/O) meinte, er halte es für gefährlich, über Steuererhöhungen
nachzudenken, bevor Strukturreformen angegangen worden seien. In seiner Abschiedsrede anlässlich seines Ausscheidens
aus dem Bundesrat sprach er seinen Dank für die von gegenseitigen Respekt getragene Arbeitsatmosphäre
aus, die er hier in den letzten Jahren erleben dürfte. Die Institution des Bundesrats erfahre derzeit durch
seine Kompetenz im europäischen Recht eine bedeutende Aufwertung. Das Subsidiaritätsprinzip sollte ernst
genommen werden, um die Lebensqualität der Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Der Stellenwert des Bundesrats
im parlamentarischen System dieses Landes müsse auf jeden Fall erhalten werden, schloss Spiegelfeld-Schneeburg. |