FPÖ und Grüne sehen desaströse Finanzsituation bei Gemeinden   

erstellt am
07  05. 10

Dringliche Anfrage an den Finanzminister im Bundesrat
Wien (pk) - Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W) hielt im Rahmen der Begründung der Dringlichen Anfrage am 06.05. fest, dass in den letzten Tagen sehr viel von der Finanzhilfe für Griechenland die Rede gewesen sei, niemand spreche aber über die "desaströse" Finanzsituation der Gemeinden. Dabei würden auch die Gemeinden unter der Wirtschaftskrise leiden und seien überdies mit immer mehr Verpflichtungen und Kosten konfrontiert, die für sie nicht steuerbar seien, skizzierte sie. Als Beispiel nannte Mühlwerth etwa die Bereiche Kinderbetreuung und Altenpflege. Folge sei, dass die Zahl der negativ bilanzierenden Gemeinden kontinuierlich steige.

Natürlich müssten auch die Gemeinden Sparpotenziale nutzen, sagte Mühlwerth, der Spielraum dafür ist ihrer Meinung nach aber nicht sehr hoch. Es sei einfach ein höherer Finanzbedarf erforderlich, man könne die Gemeinden nicht einfach "im Regen stehen lassen". Wenn Österreich Geld habe, um andere zu retten, müsse es auch Geld haben, um die Gemeinden zu retten, spielte sie auf die Griechenland-Hilfe an. Um einen Überblick über die jeweils aktuelle Finanzsituation der Gemeinden zu gewinnen, forderte Mühlwerth vom Finanzministerium die Vorlage eines jährlichen Berichts ein.

Staatssekretär Reinhold LOPATKA räumte ein, dass die Finanzsituation der Gemeinden angespannt sei, und betonte, das Finanzministerium sei sich dieser Problematik durchaus bewusst. Österreich stehe vor einer neuen Situation, erstmals gebe es in der zweiten Republik über mehrere Jahre hinweg ein deutliches Minus bei den Einnahmen. Das wirke sich auch auf die Ertragsanteile der Gemeinden aus.

Um die Situation zu entschärfen, sieht Lopatka aber nicht nur den Bund, sondern auch die Länder und die Gemeinden selbst gefordert. So machte er etwa geltend, dass nicht nur manche Länder, sondern auch etliche Gemeinden bei der Pensionsharmonisierung und der Anpassung des Dienstrechts säumig seien. Zudem verwies er auf die angestrebte Verwaltungsreform, wo seiner Meinung nach der Druck, "von der Rede zum Handeln zu kommen", noch nie so groß gewesen ist. Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Einnahmensteigerung sind für Lopatka positive Wachstumsraten von mehr als 1 %.

In Beantwortung der einzelnen Fragen machte der Staatssekretär geltend, dass der Bund die Kosten für die Finanzstabilisierungs- und Konjunkturpakete allein getragen und damit auch die Gemeinden entlastet habe. Überdies erhalten die Gemeinden ihm zufolge in der Finanzausgleichsperiode 2008-2013 insgesamt 633 Mio. € mehr als in der Finanzausgleichsperiode davor. Davon würden 477 Mio. € erst ab dem Jahr 2011 wirksam. Weiters verwies Lopatka auf zusätzliche 100 Mio. € für kleine Gemeinden.

Generell bezeichnete Lopatka den Finanzausgleich als "kompliziertes Gebilde", bei dem es viel Stückwerk und etliche intransparente Geldströme gebe. Man habe sich aber bereits darauf geeinigt, ihn von Experten durchleuchten zu lassen. Ziel sei nicht zuletzt eine Zusammenführung von Ausgaben-, Aufgaben- und Einnahmenverantwortung.

Was die Reform der Gemeindefinanzierung und riskante Veranlagungen mancher Gemeinden betrifft, sieht Lopatka in erster Linie die Länder am Zug. Spekulationen der gemeinden seien eine Sache der Gemeindeaufsicht, konstatierte er, einige Bundesländer hätten hier auch bereits strenge Richtlinien erlassen.

Bundesrat Stefan SCHENNACH (G/W) hielt Staatssekretär Lopatka vor, das Problem zwar erkannt zu haben, sich aber nicht dessen Dringlichkeit bewusst zu sein. Seiner Ansicht nach ist es notwendig, den Gemeinden rasch zu helfen, um einen Kollaps mancher Städte zu vermeiden. Allein in Oberösterreich haben ihm zufolge 300 von 444 Gemeinden einen budgetären Abgang.

Schennach gab zu bedenken, dass die Gemeinden die Keimzelle des Staates und der Demokratie seien und die bürgernahste Institution darstellten. Sie bekämen aber immer mehr Aufgaben bei gleichzeitig geringeren Erträgen, kritisierte er. Dadurch gerate ihre Rolle als wichtigster Motor für Investitionen und Impulsgeber für die regionale Wirtschaft in Gefahr. Kritik übte Schennach in diesem Zusammenhang auch an den Ländern, wobei er insbesondere bei den Bedarfszuweisungen an die Gemeinden "viel Sand im Getriebe" sieht. Er erachtet es aber auch für notwendig, undurchsichtige Verflechtungen zwischen den Aufgaben der Länder und der Gemeinden abzubauen.

Wo sich die Gemeinden "selbst an der Nase nehmen können", ist Schennach zufolge beim Verzicht auf Prestigeprojekte. Überdies mahnte er eine stärkere Vernetzung und Kooperation zwischen den Gemeinden ein. Hinsichtlich der Einnahmenseite könnte man seiner Auffassung nach bei den Grundsteuern ansetzen.

Bundesrat Georg KEUSCHNIGG (V/T) bezeichnete es als "unsachlich", von einer "desaströsen" Finanzlage der Gemeinden zu sprechen, wie es die Anfragestellerin getan habe. Es bestehe eine schwierige Finanzlage auf allen Ebenen, in Summe würden die österreichischen Gemeinden aber eine relativ stabile Finanzsituation aufweisen. Die Situation der Gemeindefinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland sei im Vergleich dazu wesentlich dramatischer.

In Österreich schaffe eine Kommunalsteuer eine stabile Einkommenssituation. Gerade kleine Gemeinden würden mit dem beschlossenen Finanzausgleich gut bedient und erhielten zusätzliche Mittel. Der Ausgleich zwischen ärmeren und reicheren Gemeinden durch die Landesumlage funktioniere ebenfalls. Für die Zukunft sah er in der interkommunalen Zusammenarbeit einen Weg, der vor allem in Hinblick auf die Gemeinden als Wirtschaftsstandorte beschritten werden sollte. Es gebe auch andere Formen der Zusammenarbeit und Kooperation als nur Gemeindezusammenlegungen.

Zum Finanzausgleich vertrat er die Auffassung, dass man zu einem interkommunalen Finanzausgleich gelangen sollte. Die Gemeinden als erste Ansprechpartner der BürgerInnen müssten finanziell stabil bleiben. Es handle sich um ein komplexes Thema, in Österreich betreibe man hier eine vorausschauende, nachhaltige Politik.

Bundesrat Ewald LINDINGER (S/O) verwies auf den Gemeindefinanzbericht, der über die tatsächliche Lage der Gemeinde Aufschluss gebe. Auf die Ausführungen von Bundesrat Schennach erwiderte er, dass die von ihm kritisierte Teilung der Gemeinderessorts nach parteipolitischen Gesichtspunkten in Oberösterreich von den Grünen mitgetragen worden sei.

Der Bundesrat sprach das Problem an, dass im ländlichen Raum viele Industriehallen leer stehen, und zitierte eine Warnung aus einer Studie der Arbeiterkammer, wonach Städte und Gemeinde besonders von der Wirtschaftkrise betroffen seien und ihre Einnahmen einbrechen würden, sodass sie wichtige Aufgabe nicht mehr erfüllen könnten.

Die Wirtschaftkrise habe als Beschäftigungskrise auch Auswirkungen auf die öffentlichen Budgets. Für die Gemeinden sei nicht so sehr Ausgabenentwicklung das Problem, sondern dass die Entwicklung der Ertragsanteile nicht entspreche. Die Gemeinden hätten viele Fix- und Pflichtausgaben. Sie seien der größte öffentliche Investor in den Regionen. Die Steuerverteilung spiegle das nicht ausreichend wieder. Da die Gemeinden sich zum Großteil für wichtige Infrastrukturmaßnahmen verschuldet hätten, müssten sie hier vom Schuldendienst entlastet werden, forderte der Redner. Es bedürfe eines neuen Konjunkturprogramms, um die öffentliche Haushalte mittelfristig zu sanieren, und eines Städte- und Gemeindepakets.

Die Altenpflege stelle die Gemeinden vor besondere Herausforderungen, schaffe aber auch Chancen für den Arbeitsmarkt. Dazu sei eine Ausbildungs- und Beschäftigungsinitiative notwendig. Finanzierbar sei dies, wenn es einen Beitrag der höchsten Vermögen im Land gebe. Der Redner rechnete vor, dass vor allem die Besteuerung von Vermögen und von spekulativen Geschäften genug Mittel aufgebracht werden könnten, um die Probleme der Gemeinden zu lösen.

Bundesrätin Cornelia MICHALKE (F/V) wies nochmals auf die schwierige Lage der Gemeinden hin, die ausreichend durch Zahlen belegt sei. In Vorarlberg könnten nunmehr schon 40 % der Gemeinden mit ihren Einnahmen die laufenden Ausgaben nicht mehr decken. Gerade der Gratiskindergarten und das verpflichtende Kindergartenjahr belasten die Gemeinden zusätzlich, man müsse daher fragen, ob tatsächlich in Krisenzeiten alles gratis bleiben könne. Weiters forderte die Rednerin eine Staats- und Verwaltungsreform nach föderalistischen Gesichtspunkten und eine Stärkung der Länder. Sie beklagte, dass Vorschläge in diese Richtung, die dazu bereits aus den Ländern gemacht wurden, von der Bundesebene umgehend abgelehnt worden seien.

Bundesrätin Elisabeth KERSCHBAUM (G/N) erläuterte anhand ihrer Heimatgemeinde, dass es keine großen finanziellen Spielräume für eine Gemeinde gebe, sobald sie für Gesundheit, öffentlichen Verkehr und Jugendwohlfahrt zu sorgen habe. Auch der Klimaschutz müsste vor allem auf Gemeindeebene stattfinden. Sparen sei für Gemeinden nur bei Investitionen möglich, doch gerate man gerade auf diesem Weg längerfristig in eine Abwärtsspirale. Während die Ertragsanteile der Gemeinden sinken, steigen die Anforderungen an sie, ein Gemeindepaket sei daher dringend notwendig. Sie meinte, hier müsste der Bund mehr von den Ländern einzufordern.

Bundesrat Elmar PODGORSCHEK (F/O) sah ebenfalls die Länder gefordert, denn die Lage der Gemeinden sei teilweise desaströs. Es brauche eine gemeinsame Kraftanstrengung der Gemeinden und der Länder. Bisher seien viele Bereiche ausgegliedert worden, langfristig würden Schulden so nur verschoben, aber nicht beseitigt worden, das werde so nicht weitergehen können.

Der Bundesrat erläuterte typische Probleme am Beispiel seiner Heimatgemeinde. Er vertrat die Auffassung, dass früher oder später Gemeindezusammenlegungen durchgeführt werden müssten. Man sollte auch über Veränderungen vor allem auf der Verwaltungsebene nachdenken. Das Überleben der Gemeinden als wichtige Träger der Wirtschaft müsse sichergestellt werden, schloss der Redner.

Bundesrat Georg SPIEGELFELD-SCHNEEBURG (V/O) meinte, er halte es für gefährlich, über Steuererhöhungen nachzudenken, bevor Strukturreformen angegangen worden seien. In seiner Abschiedsrede anlässlich seines Ausscheidens aus dem Bundesrat sprach er seinen Dank für die von gegenseitigen Respekt getragene Arbeitsatmosphäre aus, die er hier in den letzten Jahren erleben dürfte. Die Institution des Bundesrats erfahre derzeit durch seine Kompetenz im europäischen Recht eine bedeutende Aufwertung. Das Subsidiaritätsprinzip sollte ernst genommen werden, um die Lebensqualität der Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Der Stellenwert des Bundesrats im parlamentarischen System dieses Landes müsse auf jeden Fall erhalten werden, schloss Spiegelfeld-Schneeburg.
     
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