Hundstorfer: Pflegeberufe sind Jobmotoren
Wien (pk) - Die 784. Sitzung des Bundesrats wurde am 05.05. unter dem Vorsitz von Bundesratspräsident
Peter Mitterer mit einer Aktuellen Stunde eröffnet. Thema waren die "Herausforderungen und Chancen im
Pflegebereich", zuständiger Ressortminister Sozialminister Rudolf Hundstorfer. MandatarInnen der Freiheitlichen
und der Grünen brachten gemeinsam eine Dringliche Anfrage an Finanzminister Josef Pröll ein, und zwar
"betreffend desaströse Finanzsituation der Gemeinden".
In der Aktuellen Stunde meinte Bundesrat Reinhard TODT (S/W) als erster Redner, die Gesellschaft habe die Verpflichtung,
dass alle Bürger unabhängig von ihrem Alter ihr Leben aktiv gestalten könnten. Es sei die Aufgabe
der Gesellschaft, dafür die Grundlagen zu schaffen. Der Redner äußerte die Besorgnis, dass die
Armut im Lande weiter zunehmen werde, was perspektivisch vor allem ältere Menschen betreffen werde. Dem müsse
mit geeigneten Maßnahmen gegengesteuert werden, unterstrich Todt. Dies illustrierte der Redner sodann anhand
des Pflegebereichs, wobei er dem Bundesminister für seine Aktivitäten dankte. In diese Richtung, so schloss
Todt, müsse man weitergehen, um die Zielsetzungen in Richtung eines Lebens in Würde auch im Alter bestmöglich
erreichen zu können.
Bundesrat Michael HAMMER (V/O) sprach von der Notwendigkeit einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und Ländern,
um den wichtigen Bereich der Pflege zeitgemäß zu gestalten. Hier brauche es nicht nur die erforderlichen
Grundlagen, sondern auch ein breit aufgefächertes Angebot und das entsprechende Personal. Nach wie vor sei
es erstrebenswert, in den eigenen vier Wänden von den eigenen Angehörigen gepflegt zu werden. Dazu müsse
aber das diesbezügliche Angebot in Richtung der Angehörigen attraktiv sein, denn es dürfe nicht
sein, dass die Pflege von Angehörigen dazu führe, dass man im Alter dann selbst in Schwierigkeiten gerät.
In Oberösterreich denke man bereits in diese Richtung und schaffe diesbezügliche Angebote, hielt Hammer
fest. So sollte vor allem das ehrenamtliche Engagement stärker gefördert und unterstützt und die
Attraktivität der Pflegeberufe verbessert werden, unterstrich der Redner.
Bundesrat Elmar PODGORSCHEK (F/O) konstatierte massive Veränderungen in unserer Gesellschaft, was dazu führe,
dass immer mehr Menschen nicht in ihrem eigenen Umfeld gepflegt werden könnten. Es sei eine zentrale Aufgabe
des Sozialstaats, auch diesen Menschen eine ansprechende Versorgung im Alter zu garantieren. Konkret votierte der
Redner für eine zeitgemäße Qualität der Ausbildung in Pflegeberufen und für einen ansprechenden
sozialen Rahmen in diesem Bereich. Auch wäre eine bundeseinheitliche Einrichtung als Träger für
den Pflegebereich anzudenken, um den Zugang zu diesem Angebot im Interesse der Pflegebedürftigen zu erleichtern.
Bundesminister Rudolf HUNDSTORFER erklärte, Österreich habe eines der besten Systeme in Sachen Pflegegeld.
Im internationalen Vergleich zeige sich, dass in Österreich doppelt so viele Leute von dieser Einrichtung
profitierten als in Deutschland. Österreich gab im Jahr 2008 insgesamt 2,1 Mrd. Euro für Pflegegeld aus,
dazu kämen noch einmal knapp 1,7 Mrd. Euro an Sachleistungen. 1,33 Prozent des BIP wende Österreich für
seine Pflegebedürftigen auf. Das Pflegegeldsystem funktioniere seit 1993 hervorragend, Österreich leiste
mithin auf diesem Gebiet Vorbildliches.
Sodann ging der Minister auf einzelne Detailaspekte des Pflegebereichs ein und kündigte weitere Aktivitäten
auf diesem Gebiet an, um das hohe Niveau in der Pflege auch weiterhin halten zu können. Hier müsse vor
allem im urbanen Bereich nachgebessert werden, um auch dort die Rahmenbedingungen zu optimieren. Generell sei man
aber gut auf dem Weg, erklärte das Regierungsmitglied.
Bundesrat Efgani DÖNMEZ (G/O) unterstrich die Brisanz des Themas und erinnerte an die Debatte um den "Pflegenotstand"
im Jahr 2006. Nach wie vor bestehe auf diesem Gebiet Handlungsbedarf, zumal es in seiner Bedeutung auch weiterhin
zunehmen werde. Man müsse rasch und zukunftsorientiert handeln, es brauche ein zeitgemäßes Pflegemanagement
und eine ansprechende Attraktivierung der Pflegeberufe. Auch die Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden,
wie es generell bessere Rahmenbedingungen und Strukturen brauche, um die Pflege auch in Zukunft abzusichern.
Bundesrätin Monika KEMPERLE (S/W) sprach die Altersstruktur an, die sich immer mehr in Richtung alte Menschen
verschiebe, was bedeute, dass in 20 Jahren jeder neunte Bürger über 75 Jahre alt sein werde, was ein
entsprechendes Ansteigen der Pflegebedürftigkeit zur Folge haben werde. Andererseits sehe es derzeit am Arbeitsmarkt
nicht gerade optimal aus, sodass eine Investition in den Pflegebereich doppelt positiven Effekt haben werde. Dazu
müssten allerdings auch die Rahmen- und Arbeitsbedingungen im Pflegebereich optimiert werden. So brauche es
einen qualitativen und quantitativen Ausbau des Betreuungsangebots und auch weiterhin die Zurverfügungstellung
der erforderlichen Mittel.
Bundesrat Edgar MAYER (V/V) wies auf die steigende Zahl von Langzeitarbeitslosen hin und regte an, den Betroffenen
entsprechende Qualifikationsmaßnahmen anzubieten, um sie im Tourismus und im Pflegebereich einsetzen zu können.
In Vorarlberg gebe es bereits ein entsprechendes Projekt für langzeitarbeitslose Frauen, erklärte er.
Generell fürchtet Mayer, dass der bestehende Personalmangel im Pflegebereich weiter anwachsen werde. Er wertete
in diesem Sinn eine Initiative im Bereich der Pflegeberufe und eine dringende Aufwertung des Berufsbildes für
erforderlich. Nach wie vor leisten Mayer zufolge Familien einen Großteil der Pflegearbeit, so würden
etwa in Vorarlberg derzeit 90 % der Pflegebedürftigen zu Hause betreut.
Bundesrat Johann ERTL (F/N) gab zu bedenken, dass sich Österreich historisch gesehen in einer einmaligen Situation
befinde. Noch nie habe es so viele alte Menschen gegeben. Es gebe aber wenig taugliche Modelle für die Gestaltung
des Alltags hochbetagter Menschen, bemängelte er. Auch sei im Bewusstsein der Bevölkerung das Begriffspaar
alt und krank eng verwoben. Ertl glaubt, dass die Betreuung älterer Menschen in Zukunft Teil einer normalen
Lebensbiographie von Frauen sein werde und die Betreuung von Müttern und Vätern nahtlos an die Betreuung
von Kindern anschließen könnte. Gefordert sieht der Bundesrat die Politik, die für adäquate
Pflegeeinrichtungen zu sorgen habe und Menschen ein Altern in Würde ermöglichen müsse.
Bundesrat Peter ZWANZIGER (A/K) wies auf ein Pilotprojekt in Kärnten hin, das eine zentrale Planung für
die 12 bestehenden mobile Pflegedienste zum Ziel habe. Durch eine zentrale Steuerung des Mitarbeitereinsatzes sollen
ihm zufolge leere Kilometer durch lange Anfahrtswege des Pflegepersonals vermieden werden. Schließlich habe
eine Untersuchung gezeigt, dass die MitarbeiterInnen von mobilen Pflegediensten nur 60 % ihrer Arbeitszeit für
Pflege und Betreuung aufbringen, während 40 % für Verwaltung und Fahrzeit aufgehen. In einem ersten Pilotversuch
hätten 15 % der Kilometer und 10 % der Kosten eingespart werden können, skizzierte Zwanziger.
Sozialminister Rudolf HUNDSTORFER unterstrich in einer zweiten Wortmeldung, die Pflegeberufe seien derzeit einer
der größten Jobmotoren. Das AMS habe das Schulungs- und Qualifikationsangebot in diesem Bereich zuletzt
verdoppelt, schilderte er, für Absolventen gebe es eine hohe Vermittlungsquote. Allerdings merkten Hundstorfer
zufolge manche Betroffene nach einiger Zeit, dass dieses Berufsfeld nichts für sie sei. Um den Pflegeberuf
für ältere ArbeitnehmerInnen attraktiver zu machen, strebt Hundstorfer alternative Arbeitszeitmodelle
an. |