Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission
Wien (erste group) - Die neuen Frühjahrsprognosen bedeuten für die CEE5-Länder (Tschechische
Republik, Slowakei, Polen, Ungarn, Rumänien) zweierlei: Der BIP-Ausblick 2010 für diese Länder ist
wesentlich besser als in den Herbstprognosen der EK bzw. den von den einzelnen Ländern zu Jahresbeginn gelieferten
Stabilitätsprogrammen dargestellt und liegt sehr nahe an unseren Prognosen. Nach unten korrigiert wurde nur
der Ausblick für Griechenland, das im Vergleich zu den anderen Ländern des Euroraumes gezwungen wurde,
früher mit der Konsolidierung seiner Finanzen zu beginnen.
Die Analysten der Erste Group sind einer Meinung mit der EC, dass von den CEE-Ländern Polen, die Slowakei
und die Tschechische Republik im Jahr 2010 rascher als der Euroraum wachsen werden, während Rumänien
etwa an den Durchschnitt herankommen wird (Rumänien 2010F EB 0,9/EK 0,8 gegenüber Euroraum 2010F EB 0,7/EK
0,9). Weiters prognostizieren die Analysten der Erste Group (entsprechend der EK-Prognose), dass ab dem Jahr 2011
auch die rumänische und die ungarische Volkswirtschaft die Wachstumsrate des Euroraums - der unter den Folgen
der verzögerten Konsolidierung leiden wird - übertreffen werden
Noch interessanter als der BIP-Ausblick waren die über die Staatsfinanzen veröffentlichten Daten, da
die Defizite in ganz Europa hoch bleiben werden. Von den CEE5-Ländern sollten nur Polen und Rumänien
ein über dem Euroland-Durchschnitt (6,6%) liegendes Defizit einfahren, auf jeden Fall aber deutlich unter
den Defiziten der PIGS-Länder bleiben. Des Weiteren geht die EK davon aus, dass die PIGS-Länder zur Erreichung
dieser Prognosen wesentlich stärkere Konsolidierungsanstrengungen unternehmen müssen (Reduzierung der
strukturellen Defizite 2010 um 0,8 - 5,9 Prozentpunkte im Vergleich zu den für die CEE5 angenommenen 0,1 -
1,0 Prozentpunkten). Die Konsolidierung verläuft in den CEE5 im Vergleich zu den jüngst veröffentlichten
Stabilitätsberichten etwas langsamer, insbesondere in Rumänien, wo zur Reduzierung des strukturell bedingten
Defizits um 2 Prozentpunkte energischere Ausgabenkürzungen erforderlich sind. Die übrigen Mitglieder
des Euroraumes wollen mit ihrer Budgetkonsolidierung nicht vor 2011 beginnen, womit sich in einigen das strukturelle
Defizit 2010 sogar noch ausweiten wird.
Da die Haushaltskonsolidierung in CEE bereits früher begonnen wurde und die Staatsverschuldung ganz allgemein
wesentlich niedriger ist, haben die CEE5-Länder einen besseren Wachstumsausblick für die Jahre nach 2011.
Die Staatsverschuldung Ungarns im Verhältnis zum BIP sollte deutlich unter den Durchschnitt des Euroraums
fallen (79% gegenüber 85%), während die Staatsverschuldung Rumäniens, der Slowakei und der Tschechischen
Republik - ebenfalls im Verhältnis zum BIP - weniger als die Hälfe der Euroraum-Durchschnitts betragen
sollte. Die neuen Prognosen der EK zeigen eine massive Verbesserung der ungarischen Staatsfinanzen. Das strukturelle
Defizit Ungarns 2010 wird auf 2,1% geschätzt (und liegt damit jenem Deutschlands mit prognostizierten 3,6%
des BIP), während Rumänien und Polen ihre Konsolidierungsbemühungen noch intensivieren müssen,
um ihre entsprechenden Vorgaben zu erfüllen.
CEE5 - Länderweise Beurteilung
Ungarn: "Was Wachstum und Staatshaushalt betrifft, entspricht die neue Prognose weitgehend
unseren Erwartungen für die ungarische Wirtschaft im Zeitraum 2010-11. Allerdings erwarten wir für das
laufende Jahr ein etwas höheres BIP (0,3 gegenüber der EK-Schätzung von 0,0%), während die
Kommission in Bezug auf das Budgetdefizit 2010 gegenüber unserer Schätzung etwas optimistischer ist (wir
prognostizieren für 2010 ein Budgetdefizit von 4,2%). Das im ungarischen Konvergenzprogramm (vom Jänner
dieses Jahres) für 2010 festgelegte Defizitziel von 3,8% wird nicht eingehalten werden können, da es
laut EK möglicherweise zu höheren Ausgaben kommen wird. Für das Jahr 2011 sieht die Kommission eine
wesentlich deutlichere Differenz zwischen dem Haushaltsdefizit und der im Konvergenzprogramm enthaltenen Prognose
von 2,8%. Die EK-Schätzung für den strukturellen Haushaltssaldo entspricht zur Gänze dem im Konvergenzbericht
für 2010 genannten, doch ist die Schätzung der Kommission für 2011 viel ungünstiger (-2,3%
des BIP gegenüber den im Konvergenzprogramm angenommenen -1,5%). Der Unterschied ist durch die niedrigere
BIP-Wachstumsprognose der EK zu erklären (2,8% gegenüber 3,7% im Konvergenzprogramm). Dies entspricht
der von der Kommission bereits in der Vergangenheit geäußerten Warnung, die Makroprognose der vorherigen
Regierung sei zu optimistisch gewesen. Laut EK wird das Jahr 2011 für die Erfüllung des im November 2008
beschlossenen Finanzrahmens entscheidend sein. Zu erwähnen ist, dass die EK in ihrer Prognose von keinerlei
politischen Veränderungen ausging, d.h. keine möglicherweise das Defizit erhöhenden Maßnahmen
der zukünftigen Regierung berücksichtigt hat." Zoltan Arokszallasi - Chief Analyst, Erste Bank Hungary.
Rumänien: "Gegenüber dem Stabilitätsprogramm hat sich die Wachstumsprognose 2010
wegen der langsameren Belebung des Inlandskonsums auf unter 1% abgeschwächt, was unseren aktuellen Prognosen
entspricht. Die Europäische Kommission erwartet für 2011 rascheres Wachstum als Folge einer stärkeren
Erholung der Inlandsfrage sowohl beim Konsum als auch bei den Investitionen. Das Budgetdefizit bleibt eine Hauptsorge,
da die staatlichen Reformen hinter die Planung zurückgefallen sind. Auf Basis des aktuellen Szenarios wird
Rumänien bis 2012 kaum eine Konsolidierung seiner Staatsfinanzen schaffen (ein Budgetdefizit unter 3% des
BIP ESA), sofern die Regierung die Reformen nicht vorantreibt. Angesichts der deutlichen Mindereinnahmen des Staates
im ersten Quartal 2010 (insbesondere aus der MWSt., den Sozialversicherungsbeiträgen und der Einkommensteuer)
könnte der IWF für 2010 einem höheren Budgetdefizitziel zustimmen. Die Regierung könnte zur
Erreichung des neuen Zieldefizits zu einer Erhöhung der MWSt. und der Flat Tax gezwungen sein. Unserer Meinung
nach können Steuererhöhungen aber kein Ersatz für staatliche Reformen sein - ganz abgesehen von
dem dadurch erzeugten Inflationsdruck." Cristian Mladin - Analyst, Banca Comerciala Romana.
Tschechische Republik: "Das jüngste Stabilitätsprogramm der Tschechischen Republik
unterscheiden sich von der Frühjahrsprognose der EK dahingehend, dass die EK-Prognose (-5,7% für 2010
und 2011) pessimistischer als jene des Finanzministers ist (-5,3% bzw. -4,8%), was die Möglichkeiten der Tschechischen
Republik, das Defizit bald in Richtung auf die Maastricht-Grenze von 3% zu drücken, betrifft. Die EK erklärt
dies (für 2010) unter anderem damit, dass dies "vor den Wahlen beschlossenen zusätzlichen Ausgaben"
zuzuschreiben ist. Es ist schwer zu sagen, was dies bedeutet, da unserer Ansicht nach etwas dieser Art hier gar
nicht geschehen ist. Außerdem prognostiziert die EK, dass das Defizit 2010 und 2011 gleich bleiben wird -
ungeachtet des Anstiegs des BIP-Wachstums, des Rückgangs der Arbeitslosigkeit und der Belebung des privaten
Konsums. Dies scheint darauf hinzuweisen, dass die EK davon überzeugt ist, dass es zu einer Ausweitung der
Ausgaben kommen wird. Unserer Meinung nach werden die Probleme Griechenlands jede tschechische Regierung aber daran
erinnern, dass eine unbegrenzte Ausweitung der Verschuldung nicht der richtige Weg sein kann. Das heißt nicht,
dass das Defizit gesenkt werden wird, sollten die Linksparteien im Mai siegen - es bedeutet nur, dass wir keine
Ausgabensteigerung erwarten, der nicht auch eine Steuererhöhung gegenüber stehen würde. Außerdem
besteht auch noch die Möglichkeit einer auf breiter Basis gebildeten Rechtsregierung, die bei der Defizitreduktion
hoffentlich noch viel weiter gehen würde Da wir mit der EK hinsichtlich der BIP-Prognose weitgehend übereinstimmen,
erwarten wir für 2010 ein Defizit von gut unter 5%. Die EK ist in dieser Hinsicht verständlicherweise
etwas vorsichtiger." Martin Lobotka - Senior Analyst, Ceska Sporitelna.
Slowakei: "Die EK erwartet eine Wirtschaftsentwicklung, die sich weitgehend mit unserer Einschätzung
deckt. Während das Wachstum EU-weit Spitzenwerte erreichen sollte, wird es immer noch unter dem Niveau der
Vorkrisenjahre bleiben. Die EK erwartet für 2010 und 2011 ein höheres Budgetdefizit als im Stabilitätsprogramm
festgelegt (-6,0% und -5,4% des BIP, d.h. 0,5 bzw 1,2 Prozentpunkte mehr als die Regierung). Die EK hat dabei die
Überschreitung des für 2009 geplanten Defizits berücksichtigt und erwartet für 2010 niedrigere
Staatseinnahmen. Zudem sieht die EK Risiken für höhere Defizite, insbesondere aufgrund von durch Wahlen
bedingten Ausgaben und zu optimistisch angesetzten Budgets der Gemeinden, wo das Stabilitätsprogramm von ausgeglichenen
Budgets ausgeht. Die Entwicklung im laufenden Jahr hat unserer Meinung nach die noch oben bestehenden Risiken bestätigt
(wie erwarten für 2010-11 Defizite in Höhe von 7,5% und 6,0% des BIP). Nach Meinung der EK wird das strukturelle
Defizit vermutlich sinken, da sich die Outputlücke dieses Jahr schließen sollte, aber auch wegen der
erwarteten Konsolidierungsbemühungen der Regierung." Maria Valachyova - Senior Analyst, Slovenska Sporitelna
Polen: "Die Entwicklung des polnischen BIP wird im Stabilitätsprogramm optimistischer gesehen (insbesondere
für 2011) als im letzten EK-Bericht, während letzterer unseren Erwartungen sehr nahe kommt. Das niedrigere
prognostizierte BIP-Wachstum kommt auch in den etwas höheren Schätzungen für das Budgetdefizit und
in den Verschuldungszahlen zum Ausdruck. Die Kommission weist darauf hin, dass die starken Steigerungen des Defizits
auf die Wirkung der automatischen Stabilisatoren während der Krise, aber auch auf die Wirkung der Konjunkturmaßnahmen
(in geschätzter Höhe von 2% des BIP) zurückzuführen sind. Dazu zählten etwa die Senkung
der persönlichen Einkommensteuer (seit Jan09) und die Erhöhung der Infrastrukturinvestitionen. Wichtig
ist, dass die Kommission erwartet, dass bei der gegenwärtig verfolgten Politik und den Wachstumsprognosen,
das Gesamtdefizit sich stabilisieren wird, und das strukturelle Defizit sich über den Prognosehorizont leicht
abschwächen wird (von -7,2% des BIP 2009 auf -5,7% des BIP 2011). Sowohl Ausgaben als auch Einnahmen sollten
ansteigen, auch aufgrund des Zustroms von EU-Strukturmitteln (vor der Fußball-Euro 2012 werden einige Projekte
fertig gestellt). Verglichen mit unserer Prognose ist die Kommission hinsichtlich der Entwicklung des Gesamtdefizits
pessimistischer, da sie für die nächsten zwei Jahre fast keine Verbesserungen erwartet. Obwohl der jüngste
Konsolidierungsplan der Regierung relativ vage im Detail ist, glauben wird, dass die gesetzlich festgeschriebenen
Sicherheitsgrenzen für die Staatsverschuldung (die erste Grenze wurde 2009 nur um 0,1% nicht verfehlt und
wird 2010 verfehlt werden, was für 2012 automatisch Sparmaßnahmen bedeutet; bei Verfehlung der zweiten
Grenze, die "nur" 5% entfernt ist, würden sogar noch strengere Restriktionen greifen) Anreize für
zumindest eine gewisse Konsolidierung bieten sollten. Die Nähe der nächsten Parlamentswahlen (2011) stellen
jedoch ein Risiko dar und werden dramatischen Maßnahmen vermutlich entgegen stehen" Jana Krajcova -
Senior Analyst, Ceska sporitelna. |