Nationaler Forschungsschwerpunkt IM2: von der Forschung zur Anwendung
Lausanne (idw) - Das Start-up-Unternehmen nViso entwickelt im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts
(NFS) "IM2 - Interaktives multimodales Informationsmanagement" ein System, das durch die Analyse von
Gesichtsausdruck und Augenbewegungen Emotionen erkennt. Ziel der Forschenden ist es, innovative Lösungen im
Marketingbereich zu entwickeln.
Unser Körper kann manchmal etwas vollkommen anderes ausdrücken als das, was wir mit Worten sagen. "Die
Analyse der nonverbalen Kommunikation hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht", erklärt
Jean-Philippe Thiran, Professor am Laboratorium für Signalverarbeitung an der Eidgenössischen Technischen
Hochschule (ETH) Lausanne. "Am NFS IM2 entwickeln wir insbesondere Technologien, die in der Lage sind, Mimik
und Augenbewegungen zu erkennen." Dabei handelt es sich vornehmlich um Computermodelle, die mit Hilfe einer
Datenbank gespeicherter Gesichter in der Lage sind, mittels einer Kamera zunächst verschiedene Bereiche eines
Gesichts zu identifizieren, das Gesicht als solches zu erkennen und schliesslich die Veränderungen des Gesichts
in Raum und Zeit zu verfolgen und diese Veränderungen bestimmten Gesichtsausdrücken zuzuordnen. "Der
Grossteil dieser Analyse erfolgt durch Berechnungen zu den verschiedenen Winkeln und zu den unterschiedlich gefärbten
Bereichen eines Gesichts", präzisiert Jean-Philippe Thiran weiter. Die Augen sind ein wesentliches Element
dieses Identifikationsprozesses, der in seiner ausgefeiltesten Form auch in der Lage ist, die Pupillen zu erkennen
und Informationen über die Blickrichtung zu liefern.
Einsatzmöglichkeiten im Marketing
Eine solche Analyse des Gesichtsausdrucks bietet eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Matteo
Sorci, 36, hat unmittelbar nach dem Abschluss seiner von Jean-Philippe Thiran betreuten Dissertation im vergangenen
Jahr das Start-up-Unternehmen nViso mitgegründet. Seine Geschäftsidee: die Entwicklung technischer Systeme,
die durch Gefühle hervorgerufenen Gesichtsausdrücke erkennen können. "Wir haben festgestellt,
dass hierfür erhebliche kommerzielle Einsatzmöglichkeiten bestehen, insbesondere im Marketingbereich."
Das erste von nViso entwickelte Produkt ermöglicht es, mithilfe einer einfachen Webcam - also einem letztlich
anspruchslosen optischen Gerät - die Gesichtsausdrücke von Konsumenten beim Ausfüllen eines Marketingfragebogens
über das Internet zu analysieren, um die geschriebenen von den nonverbalen Antworten unterscheiden zu können.
Nun folgt der nächste Schritt hin zu einer weiteren Anwendung: "Diese soll - wieder mit Hilfe einer Webcam
- nicht nur die Emotionen erkennen, sondern auch durch die Beobachtung der Blickrichtung feststellen, welcher Bildschirmbereich
diese Reaktion hervorgerufen hat. Unsere Anwendung gewinnt noch einmal deutlich an Nutzen, wenn es uns gelingt,
präzise festzustellen, welchen Teil des Bildschirms die Augen fixieren."
Eine Frage bleibt: Gibt es keine ethischen Bedenken, derartige Informationen zu Marketingzwecken zu erheben? Jean-Philippe
Thiran kann solche Bedenken nachvollziehen, wendet aber ein: "Die Forschenden entwickeln die Technologien.
Die Gesellschaft hat es dann in der Hand festzulegen, wie sie sie einsetzen möchte. Als Bürger kann ich
nur hoffen, dass diese Technologie höchst transparent eingesetzt wird." |