Der Euro-"Rettungsschirm" und seine Auswirkungen  

erstellt am
14  05. 10

Europa hat ein Wachstumsproblem, nicht (nur) ein Budgetproblem
Wien (wifo) - Europa wird von den Finanzmärkten vor sich hergetrieben. Die hohen Budgetdefizite in Griechenland, Portugal und Spanien haben die Zinssätze für Staatsanleihen erhöht und zu Spekulationen gegen den Euro geführt. Europa hat mit dem 750 Mrd. Euro-Paket darauf reagiert (Europäischer Stabilitätsmechanismus; ECOFIN; 9. Mai 2010); spät, aber entschlossen und solidarisch, auch Länder außerhalb der Eurozone (nicht aber Großbritannien) machen mit. Jetzt verlangt die Europäische Kommission die Budgetdefizite noch schneller abzubauen. Bei diesen Schritten darf jedoch das darunter liegende Problem - die Wachstumsschwäche Europas - nicht übersehen werden.

Die Vorgabe, den Defizitabbau rasch in Angriff zu nehmen gilt für die südeuropäischen Ländern, dann auch für Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Bisher war als Vorgabe für die meisten Länder ein Abbau von einem halben bis drei Viertel Prozent (relativ zur Wirtschaftsleistung) verlangt worden. Es ist sinnvoll die Architektur des Stabilitätspaktes zu straffen: der präventive Arm des Paktes, der Budgetdisziplin in den guten Konjunkturlagen verlangt, soll gestärkt werden. Die EU-Kommission verlangt, dass ihr die nationalen Budgets schon vor der Beschlussfassung vorgelegt werden müssen. Sanktionen sollen verbindlicher werden, automatische Schuldenbremsen werden diskutiert. Neben dem laufenden Defizit soll der Schuldenstand zusätzlich zum aktuellen Defizit berücksichtig (womit Italien deutlich gefordert ist). Auch das sind Maßnahmen, die mittelfristig sinnvoll sind, aber verschärfte Sparbemühungen sind nur ein Teil der richtigen Antwort.

Schulden sind ein Problem, Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit mindestens ebenso schwerwiegend
Das Schuldenproblem wird unkritisch als das größte und vordringlichste Problem Europas betrachtet, von den Finanzmärkten und nun auch von der Europäischen Politik. Es soll nicht unterschätzt werden. Dennoch: das aktuelle Budgetdefizit Europas ist geringer als in den USA, der Schuldenstand relativ zur Wirtschaftsleistung ist etwa gleich (und steigt in Europa weniger) und Europa hat im Unterschied zu den USA kein außenwirtschaftliches Defizit.

Und Europas Schuldenproblem ist teilweise nur die Folge eines tieferen, größeren Problems. Das zentrale Problem Europas ist die geringe Dynamik. Die europäische Wirtschaft wächst deutlich schwächer als die Weltwirtschaft und auch deutlich weniger als die Wirtschaft der USA. Europa ist vor der Krise (2000 bis 2007), während der Krise (2008/09) und in der - seit Jahresmitte 2009 erfolgten zögernden - Erholungsphase schwächer gewachsen als die USA. Dies hat mittelgroße Defizite zu untragbar großen Budgetdefiziten gemacht, Spanien, Irland und Deutschland hatten vor der Krise noch Budgetüberschüsse.

Noch stärker als die Budgetdisziplin hat Europa in den letzten Jahren die aktiven Strategien in Richtung Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch hochwertige Investitionen, Bildung, Forschung vernachlässigt. Die südeuropäischen Länder haben ihre Produktion nicht an die neue Konkurrenz der globalisierten Welt angepasst, haben alte Industrien verloren und haben es verabsäumt, die Dienstleistungen zu modernisieren. In Griechenland ist der Anteil der Industrie von 13% im Jahr 1990 auf 8% (2009) geschrumpft, das Handelsdefizit mit Waren beträgt 17% der Wirtschaftsleistung, und bleibt inklusive Dienstleitungen zweistellig. Das Außendefizit Griechenlands bei Waren ist doppelt so hoch wie der Industrieanteil! Ähnlich hoch liegen die Außenhandelsdefizite bei Waren und Dienstleistungen in Portugal, in Spanien liegen sie immerhin halb so hoch.

Bessere Koordination der Wirtschaftspolitik ist nötig und soll Ungleichgewichte reduzieren
Defizite in Europa wiegen schwerer, weil Europa noch immer als Summe von Einzelstaaten betrachtet wird und nicht als Einheit. Die Europäische Wirtschaftsleistung ist gemeinsam betrachtet höher als jene der USA. Die laufenden Budgetprobleme Kaliforniens sind größer als jene von Griechenland, Portugal und Spanien. Die Anerkennung der EU als Wirtschaftsblock kann und muss durch eine stärkere Koordinierung und durch glaubwürdige Hilfe wie auch effektive Sanktionen erfolgen. Aber dies wird nur funktionieren, wenn die Wirtschaft insgesamt dynamischer ist, dann können die schwächeren Länder auch produzieren, investieren und aufholen.

Produktionsbasis muss gestärkt und qualitativ verbessert werden
Die gegenseitige Hilfe und eine bessere sowie stärkere Koordination der Wirtschaftspolitik sind wichtig. Letztlich ist aber entscheidend, die schwache Dynamik nicht noch mehr zu bremsen. Die Konsolidierung der Defizite muss so erfolgen, dass Ausgaben welche die Wirtschaftsstruktur verbessern und Wachstum forcieren, nicht gekürzt sondern verstärkt werden. Die Kürzung der Mittel der Strukturfonds für Länder mit Defiziten - wie sie in der Europäischen Kommission diskutiert wurde - ist deshalb genau falsch. Eher sollte die nationale Kofinanzierung vorübergehend für besonders produktive Investitionen reduziert werden, damit sie schneller durchgeführt werden können. Eine Anpassung der Struktur- und Kohäsionspolitik ist allerdings ebenso nötig. Sie soll die Wettbewerbsfähigkeit und die Produktionsbasis stärken, nicht nur große Infrastrukturprojekte finanzieren. Wenn Europa nur auf die Defizite blickt, wird es noch weniger wachsen, wird es die Defizite nicht in den Griff bekommen und die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen. Was Europa braucht, ist eine wachstums- und wettbewerbsorientierte Konsolidierung.

Die Grundpfeiler einer wachstumsorientierten Strategie waren in der Lissabon-Strategie vorgezeigt: mehr Forschung, bessere Ausbildung, ökologische Vorreiterposition, effizientere Schul- und Universitätssysteme, mehr Investitionen in die Jugend, mehr Wettbewerb. Sie wurden in der Strategie Europa 2020 erneuert, zur nationalen Aufgabe gemacht aber bei ihrer ersten Diskussion im Europäischen Rat sofort verwässert und auf das nächste Treffen vertagt. Da gleichzeitig die Länder mit hohem Außenhandelsüberschuss nichts zur Stabilisierung der Binnennachfrage beitragen und die Exporte zu wenig in die rasch wachsenden Märkte gehen, bleibt die wirtschaftliche Dynamik Europas niedrig. Die Überschussländer bremsen die Lohnentwicklung, nützen die Gewinne aber nicht für Investitionen. Die Defizitländer haben hohe Lohnsteigerungen, verlieren Wettbewerbsfähigkeit und ihr Exportsektor ist nicht wettbewerbsfähig. Der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit liegt in der Forcierung von Produktivitätssteigerungen mindestens so sehr wie im Abbremsen von staatlichen und privaten Kosten.

Konsolidierung muss wachstumsbewusst erfolgen
Budgetkonsolidierung ist wichtig. Sie muss aber von der Vision ausgehen, nachher eine modernere, dynamische Wirtschaft mit einer wettbewerbsstarken Produktion zu haben. Die Konkurrenzfähigkeit in der rasch wachsenden globalen Wirtschaft muss aufbauen auf den strategischen Vorteilen Europas als wissensorientierte, technologiebasierte Gesellschaft mit ökologischer Exzellenz, mit einem hohen Beschäftigungsniveau und schrittweisem Ausgleich regionaler Produktivitätsunterschiede. Diese Strategie muss schon in der Konsolidierungsphase erkennbar sein, Wachstumstreiber müssen von den Kürzungen nicht nur ausgenommen werden, sondern es muss in sie auch bei knappem Budget vermehrt investiert werden. Wenn dieses Ziel erkennbar ist, kann Europa auch in der Konsolidierungsperiode vom hohen Wachstum der Weltwirtschaft profitieren. Wenn der Euro in dieser Phase schwächer ist, ist das kein Problem, sondern Teil der Lösung.

Finanztransaktionssteuer erleichtert Konsolidierung, weil sie Steuern auf Konsum und Investitionen erspart und Kurzfristigkeit der Finanzmärkte bremst
Am schmerzlosesten und kürzesten ist die Konsolidierungsphase, wenn es gelingt, Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer zu erzielen. Am besten aus einer weltweiten Besteuerung besonders der kurzfristigen Transaktionen. Sollte dies nicht durchsetzbar sein, ist ein europäischer Alleingang angebracht. Eine Besteuerung spekulativer Elemente in Bilanzen von Banken kann ein Einstieg in eine Finanztransaktionssteuer sein, bis zu dem Zeitpunkt, in dem auch die USA beginnt, ihr - höheres - Budgetdefizit zu reduzieren und auch eine Einnahmequelle braucht. Eine stärkere Kontrolle von Hedge Fonds und von außerbörslichen Transaktionen ist aber ebenfalls unerlässlich. Sonst wird immer jede temporäre Schwäche schnell zu einem unlösbaren Finanzierungsproblem gemacht und negative Strategien werden immer wichtiger als positive Strukturveränderungen. Es ist gut, dass der Finanzmarkt Probleme aufspürt, die von staatlicher oder europäischer Politik zu lange ignoriert wurden. Aber zukunftsorientierte Politik und erfolgreiche Firmenstrategien brauchen auch Zeit, um umgesetzt zu werden und müssen vorwärtsgerichtet sein.

 

 Faymann: Ursachen der Krise beseitigen - neue Finanzmarktregulierung schaffen
Rechnung für Schutzschirm darf nicht mit Sozialabbau bezahlt werden
Wien (sk) - "Die Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht den Eindruck gewinnen, dass Maßnahmen für den Finanzmarkt getroffen werden, für die sie haften und für die sie den Gürtel enger schnallen sollen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Rechnung der Finanzkrise mit Sozialabbau bezahlt wird", so SPÖ-Vorsitzender Bundeskanzler Werner Faymann am 12.05. nach der Sitzung des SPÖ-Bundesparteipräsidiums. "Wir müssen auch die Ursachen der Krise beseitigen. Durch eine neue Finanzmarktarchitektur, eine Finanztransaktionssteuer, Spekulationseinschränkungen und -verbote sowie eine gemeinsame Finanzmarktaufsicht", betonte der Bundeskanzler, es sei "Zeit für Gerechtigkeit".

Derzeit habe man sich auf EU-Ebene nur auf allgemeine Formulierungen geeinigt: "Ansehen und prüfen ist aber zu wenig. Wir brauchen ein rasches und entschlossenes Vorgehen, um eine Finanztransaktionssteuer einzuführen", so der SPÖ-Parteivorsitzende. Der Bundeskanzler unterstrich noch einmal seine Forderung nach einem europaweiten, gesetzlichen Verbot von so genannten Leerverkäufen und anderen Wertpapier-Spekulationen und begrüßte in diesem Zusammenhang, dass auch der Finanzminister nun diese Linie in Europa vertrete.

Der Bundeskanzler engagiert sich, Bündnispartner zu finden, um den Druck auf europäischer Ebene zu verstärken und die europäische Öffentlichkeit zu mobilisieren. Gemeinsame Regeln zu schaffen sei unbedingt notwendig, jedoch im Vergleich zum Beispiel mit den USA sei eine Entscheidungsfindung nicht immer einfach, da in den meisten Fällen die Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten notwendig sei. Der Bundeskanzler präsentierte acht Maßnahmen, die aus seiner Sicht notwendig sind, um die Ursachen der Krise nachhaltig zu beseitigen:

  1. Einführung von Bankenabgabe und Finanztransaktionssteuer
  2. Etablierung einer EU-Ratingagentur
  3. Mehr Durchgriffsrechte für die europäische Finanzmarktaufsicht
  4. Stärkere Regulierung des Wertpapierhandels, Spekulationsverbote
  5. Faire gesetzliche Regelungen für Manager-Entgelte
  6. Verschärfte Kontrolle der Hedgefonds
  7. Verbesserter Konsumentenschutz bei Finanzprodukten
  8. Bankeninsolvenzrecht

 

 Spindelegger: Euro stabil halten
Außenminister und ÖAAB-Chef Michael Spindelegger erklärt im NEWS-Interview, warum so viel von einem stabilen Euro abhängt.
Wien (övp-pd) - Es ist wichtig, dass die EU mit so großer Entschlossenheit handelt. Denn Michael Spindelegger erklärt, dass es nicht unmittelbar um Griechenland geht, sondern um ein reißfestes Sicherheitsnetz für den Euro. Der Außenminister stellt klar, dass es letztlich darum geht, den Euro stabil zu halten: "Davon sind wir alle abhängig! Jeder Bürger möchte doch, dass sein Gehalt auch das wert ist, was auf dem Gehaltszettel draufsteht! Darum müssen wir uns alle, auch Österreich und seine Regierung, in den Dienst der Sache stellen."

Jeder muss Beitrag leisten
In Österreich sieht Spindelegger die zentrale Aufgabe der Regierung darin, die eigenen Finanzen in Ordnung zu bringen. "Dass muss so gestaltet sein, dass jeder einen Beitrag leistet. Der, der mehr hat, muss einen größeren Beitrag leisten, als der, der wenig hat", gibt der ÖAAB-Chef dabei die Richtung vor. Spindelegger wird innerhalb der ÖVP auf eine solidarische Aufteilung drängen, wenn die Entscheidung im Herbst ansteht.

Bereits vorher mit allen reden
Wichtig ist für Spindelegger, alle einzubinden und die Karten offen auf den Tisch zu legen. Es muss in allen Facetten argumentiert werden, dass es zum Sparen keine Alternative gibt. Auch im eigenen Ressort, dem Außenamt, muss Spindelegger Einsparungen vornehmen. So werden ab 2011 Botschaften geschlossen. Spindelegger: "Wie viele es sein werden, kann ich noch nicht sagen. Aber es werden einige sein, es bleibt gar nichts anderes übrig."

 

Kickl: Notwehrgemeinschaft der Opposition gegen Euro-Paket
Verfassungsjuristen der FPÖ seien gerade dabei eine entsprechende Klage vorzubereiten
Wien (fpd) -
"Ich ersuche die Abgeordneten der beiden anderen Oppositionsparteien ihrer staatspolitischen Verantwortung nachzukommen und gemeinsam mit der FPÖ für das notwendige Drittel Nationalratsabgeordneter zu sorgen, um eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gegen das von der Regierung geschnürte Euro-Paket einzubringen", sagte der freiheitliche Generalsekretär NAbg. Herbert Kickl am 14.05. "Wir brauchen eine Notwehrgemeinschaft um die Interessen der Österreicher zu schützen", betonte Kickl.

Erstens sei die Zusage des Finanzministers zum Euro-Paket der EU ohne rechtliche Legitimation erfolgt. Zweitens verstoße die beschlossene Hilfestellung für Griechenland gegen EU-Recht und Drittens sei ein unlegitimierter Eingriff in die Eigentumsrechte der Österreicher zu befürchten, begründete Kickl seinen Vorstoß.

Verfassungsjuristen der FPÖ seien gerade dabei eine entsprechende Klage vorzubereiten, so Kickl. Um eine Klage einzubringen benötige man jedoch die Stimmen eines Drittels der Nationalratsabgeordneten, erläuterte Kickl, der die Kollegen von Orange und Grün aufforderte den Weg dafür frei zu machen. "Es müsste im Interesse aller Parteien sein, die rechtliche Legitimation dieser bislang einzigartigen Maßnahme feststellen zu lassen", sagte Kickl. Hier sei die staatspolitische Verantwortung über jegliche parteipolitischen Interessen zu stellen, schloss Kickl.
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament vertretenen Parteien –
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Mandatsstärke im Parlament bzw. nach der Hierarchie der Personen. Die Redaktion

 
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