Rückschau auf 15 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs im Parlament
Wien (pk) - Aus Anlass der 15jährigen Zugehörigkeit Österreichs zur EU fand am Abend
des 11.05. im Hohen Haus eine prominent besetzte Runde zu einer Rückschau zusammen. An der Veranstaltung nahm
ein ebenso prominentes wie zahlreiches Publikum teil, darunter zahlreiche ehemalige Regierungsmitglieder, Abgeordnete
und Bundesräte.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer sah die Veranstaltung zu 15 Jahren EU-Mitgliedschaft Österreichs
als Gelegenheit, eine für Österreich insgesamt positive Bilanz der vergangenen Jahre zu ziehen. Sie erinnerte
daran, dass die Einigung Europas als Gegenentwurf zu einer Ära der Gewalt und Rassismus gedacht und von dem
Wunsch getragen war, eine Wiederkehr einer solchen Zeit nie mehr zuzulassen. Europa sei ein zukunftsweisendes politisches
Modell, in dem ständig neu um die richtigen Antworten gerungen werde. Die nationalen Parlamente hätten
dabei in den vergangenen 15 Jahren einen Bedeutungszuwachs erfahren. Angesichts der großen Herausforderungen
der Gegenwart müsse man nun darangehen, das Projekt Europa zu vervollständigen. Die Menschen müssten
die Sicherheit erhalten, dass die Politik auf ihrer, nicht auf Seite der Finanzmärkte, stehe. Angesichts niedriger
Zustimmungsraten zur Europäischen Union in Österreich sah Prammer die Aufgabe, Europa den Bürgerinnen
und Bürgern verständlich zu machen.
Der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nannte die Ereignisse der letzten Tage eine Bestätigung
der Wichtigkeit des Projekts Europa. Im Rückblick auf die spannende Zeit der Beitrittsverhandlungen der EFTA-Staaten
zur EU erinnerte er an die zentrale Rolle, die Jacques Delors gespielt habe. Sicher habe es damals neben GewinnerInnen
in Österreich auch VerliererInnen gegeben, meinte Schüssel, es sei aber in einer gemeinsamen Anstrengung
vorbildlich gelungen, die sozialen Folgen der Strukturveränderungen abzufedern. Von Anfang an sei Solidarität
ein zentraler Begriff der EU gewesen. Die wichtigste Währung zwischen den 27 Mitgliedstaaten sei das gegenseitige
Vertrauen. So gelte es nun, das Vertrauen in die Politik und auch in die Märkte wieder herzustellen und zu
sichern. Das "Management of Diversity" in Europa erfordere eine ausgeprägte Konsenskultur, betonte
Schüssel und zitierte abschließend einen Satz des Schweizers Karl Schmid, eines wichtigen Vordenkers
der europäischen Einigung: "Das Wunder der Vielfalt braucht das Wunder der Vernunft". Das Projekt
Europa brauche für seine weitere Entwicklung eine rationale Grundlage ebenso wie die emotionale Zustimmung.
Der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky rekapitulierte das Werden und die sich daraus ergebenden Konsequenzen
der Mitgliedschaft Österreichs in der EU. Er erinnerte daran, dass die große Koalition in ihrem Koalitionsübereinkommen
zur Jahreswende 1986/87 eine Mitgliedschaft in der damaligen EG in Betracht gezogen habe, was angesichts der engen
ökonomischen Verflechtungen nur konsequent, andererseits aber auch eine bemerkenswerte Neuorientierung der
österreichischen Außenpolitik gewesen sei. Die EG sei damals der eigentliche Motor der ökonomischen
Entwicklung gewesen, was die Frage aufgeworfen habe, ob man dies einfach nur nachvollziehen, oder ob man dies aktiv
mitgestalten wolle. Die damalige Regierung habe sich gegen die Isolation und für die Integration entschieden,
wobei man nicht vergessen dürfe, dass sich der Zusammenbruch des realen Sozialismus anno 1989 als "Window
of Opportunity" für die Neutralen in Europa erwiesen habe.
Österreich habe von diesem Beitritt eindeutig profitiert und werde das auch weiter tun. Vor allem aber müsse
man sich auch dessen bewusst sein, dass es kein großes Thema mehr geben werde, das man als rein nationales
wird auffassen werde können. Doch was 1989 gelang, das werde auch 2010 gelingen, wenn man den Menschen wieder
ein langfristiges strategisches Angebot mache, schloss der ehemalige Regierungschef.
Nach einem "Blick von außen" durch den ehemaligen deutschen Außenminister Klaus Kinkel, der
sich bei dieser Gelegenheit auch mit zu erwartenden geopolitischen Entwicklungen auseinandersetzte und meinte,
das 21. Jahrhundert werde ein pazifisches werden, in dem Europa nur dann seinen Platz einnehmen könne, wenn
es geeint den Herausforderungen der Zukunft entgegentrete, nannte der ehemalige Vizekanzler Erhard Busek den Beitritt
Österreichs zur EU einen Markstein in der Geschichte des Landes, der vergleichbar sei mit der Wiedererrichtung
der Republik 1945 und dem Abschluss des Staatsvertrags 1955.
Europa sei nötig, erklärte Busek, weil der Nationalstaat des 19. Jahrhunderts allein nicht mehr in der
Lage sei, die anstehenden Probleme von der Währungs- bis zur Klimakrise zu lösen. Europa sei aber auch
die Antwort auf die Geschichte dieses Kontinents mit all ihren kriegerischen Auseinandersetzungen. Gerade ein geeintes
Europa biete Anlass, optimistisch in die Zukunft zu blicken, und dies zu vermitteln, sei die Aufgabe der Politik.
Gerade in Zeiten wie diesen, denn gerade jetzt brauche man mehr Europa, nicht weniger.
Als letzter Redner bot Außenminister Michael Spindelegger einen Ausblick über die großen Projekte
der Außenpolitik der Europäischen Union in den kommenden Jahren, die auch für Österreich von
Bedeutung sind. Die vollständige Integration der Westbalkanländer in die EU soll bis 2020 Realität
werden. Man gehe jetzt an den Aufbau eines Europäischen Auswärtigen Dienstes. In der Erschließung
neuer Märkte komme der Schwarzmeerregion besondere Bedeutung zu, hier sei Österreich einen Schritt voraus.
Bezugnehmend auf die gegenwärtige Stimmung in Europa schloss Spindelegger mit den Worten, das Motto müsse
lauten: "Im Zweifel – Europa". |