Für Kindergesundheitsstrategie und bessere Ausbildung für Hausärzte
Wien (pk) - Eine ganze Reihe von Oppositionsanträgen stand am 12.05. auf der Tagesordnung des
Gesundheitsausschusses des Nationalrats. Unter anderem ging es um die Aufnahme neuer Impfungen in den kostenfreien
Impfplan, die gesetzliche Verankerung der Gesundheitsprävention, die Ausbildung von HausärztInnen, hohe
Selbstbehalte bei Zahnbehandlungen, das grundsätzliche Rauchverbot in der Gastronomie und die Herkunftskennzeichnung
von Lebensmitteln. Der Ausschuss fasste auf Basis der Anträge drei Entschließungen – sie zielen auf
die Weiterentwicklung des Impfkonzepts des Bundes, eine bessere Versorgung im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie,
die Erarbeitung einer Kindergesundheitsstrategie und einen besseren Täuschungsschutz bei der Herkunftskennzeichnung
von Lebensmitteln ab. Außerdem sprachen sich die Abgeordneten einhellig für eine bessere Ausbildung
für AllgemeinmedizinerInnen, den möglichen Erwerb von Zusatzqualifikationen für HausärztInnen
und die Einführung eines Additivfaches Geriatrie aus.
Diskussion über Weiterentwicklung des Impfplans
Eine von S-Abgeordneter Sabine Oberhauser und V-Abgeordnetem Erwin Rasinger eingebrachte Entschließung zielte
auf die Weiterentwicklung des Impfkonzepts des Bundes ab. Bei Vorliegen eines höher valenten und damit besser
wirksamen Pneumokokken-Impfstoffes sei das Kinderimpfkonzept außerdem zu überarbeiten. Bislang habe
man nämlich nur einen Impfstoff zur Hand gehabt, der lediglich einen Teil der in Österreich vorherrschenden
Erreger abdeckte. Dieser sei "Risikokindern" aber zur Verfügung gestellt worden. Die Aufnahme der
Pneumokokken-Impfung für Kinder in den kostenfreien Impfplan hatte auch das BZÖ in einem Entschließungsantrag
gefordert. In einem weiteren Antrag pocht BZÖ-Mandatar Wolfgang Spadiut außerdem darauf, die Meningokokken-Impfung
für Kinder im Rahmen des Impfplans kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
Die S-V-Entschließung beschränkt sich aber nicht auf die Weiterentwicklung des Impfkonzepts des Bundes.
Die Abgeordneten ersuchen den Bundesminister überdies, die Versorgung im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie
durch die Erlassung einer Mangelfach-Verordnung sicherzustellen und zusammen mit allen Interessensgruppen und Politikbereichen
eine Kindergesundheitsstrategie zu erarbeiten.
Die Diskussion über die Erweiterung des Impfplans verlief durchaus kontrovers. Während sich die Abgeordneten
Norbert Hofer (F) und Wolfgang Spadiut (B) für eine Erweiterung des Impfkonzepts des Bundes um die Meningokokken-Impfung
aussprachen, wies S-Abgeordneter Erwin Spindelberger diesen Vorstoß unter Hinweis darauf zurück, dass
derzeit kein Impfstoff für die in Österreich besonders häufig auftretenden Meningokokken B vorliege.
Dieses Argument wollte Abgeordneter Wolfgang Spadiut (B) jedoch nicht gelten lassen, da es für ihn nicht einsehbar
ist, warum man einen Impfstoff nicht einsetze, nur weil man nicht sicher sagen könne, ob er gegen alle Erreger
schütze. Für ihn zeuge es von Entscheidungsschwäche, immerzu in Arbeitsgruppen zu beraten, aber
keine konkreten Schritte zu setzen, um zu verhindern, dass Kinder an schwerwiegenden Erkrankungen sterben.
S-Abgeordnete Sabine Oberhauser meinte, eine Ausweitung des Impfplans um die Pneumokokken-Impfung sei anzustreben,
doch müsse man evaluieren und Prioritäten setzen, ehe man weiteres Geld in die Hand nehme. Abgeordneter
Andreas Karlsböck (F) forderte hingegen, mehr finanzielle Mittel in diesen Bereich zu stecken, zumal es die
engagierten Impfziele des Impfplans auch zu realisieren gelte. G-Mandatar Wolfgang Pirklhuber wollte im Rahmen
der Diskussion nicht nur den Faktor Finanzierbarkeit in den Fokus gestellt wissen, da es sich um eine Investition
in die Vorsorge handle. Er kündigte daher die Zustimmung seiner Fraktion zu den Anträgen an und begrüßte
auch die Entschließung der Regierungsparteien.
Bundesminister Alois Stöger sprach sich im Rahmen der Diskussion um eine Weiterentwicklung des Impfplans für
einen effizienten Umgang mit öffentlichen Geldern aus. In Richtung FPÖ und BZÖ hielt er fest, dass
Risikogruppen schon jetzt die Meningokokken-Impfung zur Verfügung gestellt werde. Was den Bereich der Kinderimpfungen
anbelange, so gelte es, stetig zu evaluieren und zu überprüfen. Außerdem machte Stöger darauf
aufmerksam, dass auch in anderen Ländern Impfempfehlungen ausgesprochen würden, dies aber nicht bedeute,
dass der Impfschutz in jedem Fall kostenlos zur Verfügung gestellt werde.
In der Abstimmung blieben die beiden Entschließungsanträge des BZÖ in der Minderheit, die S-V-Entschließung
wurde hingegen mit Stimmenmehrheit angenommen.
BZÖ: Abschaffung von Krankenhaus-Selbstbehalten für Kinder
Die BZÖ-MandatarInnen Ursula Haubner und Wolfgang Spadiut fordern in einem Entschließungsantrag den
Gesundheitsminister dazu auf, die bei seinem Amtsantritt angekündigte Abschaffung der Spitals-Selbstbehalte
für Kinder bis 18 Jahre umzusetzen und damit die Familien zu entlasten.
Diese Forderung des BZÖ wollte V-Abgeordneter Karl Donabauer nicht unterstützen. Seiner Auffassung nach
käme es dem Parlament auch nicht zu, diesbezüglich tätig zu werden, zumal die Länder als Spitalsbetreiber
dafür zuständig seien. Abgeordneter Herbert Scheibner (B) widersprach dieser Auffassung vehement und
hielt in Richtung Abgeordneter Renate Csörgits (S), die von laufenden Verhandlungen mit den Ländern gesprochen
hatte, fest, dass ein volles Jahr der Diskussion über die Abschaffung der Selbstbehalte mit den Ländern
kaum dem Ziel, Einsparungen im Verwaltungsbereich vornehmen zu wollen, entspreche.
Bundesminister Alois Stöger verwies in diesem Zusammenhang auf die 15a-Vereinbarung zur Finanzierung des Gesundheitswesens,
in der man auch den Umgang mit den Selbstbehalten geregelt habe. Außerdem sei von ihm ein Dialog mit den
Ländern initiiert worden, der jedoch daran gescheitert sei, dass die meisten Bundesländer in diesem Punkt
keine Gesprächsbereitschaft zeigten.
Der Entschließungsantrag des BZÖ blieb daher in der Minderheit.
BZÖ für Verbesserungen im Bereich Hilfsmittel und Therapien
In zwei weiteren Anträgen spricht sich das BZÖ für die Etablierung eines bundesweit einheitlichen
Systems zur Bewilligung der Finanzierung von Hilfsmitteln und Rehabilitationsgeräten für chronisch behinderte
Kinder und kostenfreie Therapien für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre aus.
Was den ersten Antrag betrifft, so ortete Abgeordneter Karl Donabauer (V) keine Zuständigkeit des Parlaments.
Er streite zwar nicht ab, dass Defizite bestünden, es handle sich aber eher um Einzelfälle, die es auch
gesondert zu lösen gelte. F-Abgeordneter Norbert Hofer konnte dem Entschließungsantrag des BZÖ
hingegen einiges abgewinnen. Er kritisierte lediglich die Verwendung der Bezeichnung "chronisch", die
er in diesem Zusammenhang für nicht angemessen hielt.
Die Forderung nach kostenfreien Therapien für Kinder und Jugendliche stoße bei ihrer Fraktion durchaus
auf Zustimmung, sagte Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G). Es gelte außerdem zu evaluieren,
welche Therapieformen zur Verfügung stünden. V-Mandatar Erwin Rasinger ortete Mängel bei der kinderpsychiatrischen
Betreuung und hielt es für sinnvoll, in diesem Bereich gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen. Er verwies
dabei auch auf die S-V-Entschließung zur Ausarbeitung einer Kindergesundheitsstrategie.
Gesundheitsminister Alois Stöger gab in Bezug auf den ersten Entschließungsantrag des BZÖ zu bedenken,
dass die Bedürfnisse jedes Patienten individuell seien. Vor diesem Hintergrund müsse man sich auch im
Einzelfall die Frage stellen, welche Leistungen und Hilfsmittel erforderlich und sinnvoll wären. Lösungen
müssten aber eher in der Region selbst gefunden werden, diesen Fragen mit zentralen Ansätzen zu begegnen,
bezeichnete er als schwierig.
Die beiden Entschließungsanträge des BZÖ fanden keine Mehrheit.
FPÖ für Ausweitung der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen
Der von F-Abgeordneter Dagmar Belakowitsch-Jenewein eingebrachte Entschließungsantrag, mit dem sie erreichen
will, dass die bei der vierten Untersuchung des Kindes im Rahmen des Mutter-Kind-Passes vorgesehene Untersuchung
des Hals-, Nasen- und Ohrenbereichs verpflichtend durch einen Hals-Nasen-Ohren-Facharzt erfolgt, wurde zwar von
Seiten der Opposition begrüßt, blieb aber in der Minderheit.
V-Abgeordneter Karl Donabauer plädierte dafür, den Vorschlag an den Sanitätsrat weiterzuleiten,
zumal das Parlament auch in dieser Sache letztlich nicht zuständig sei. S-Mandatarin Sabine Oberhauser wies
außerdem darauf hin, dass Untersuchungen des Gehörs bereits bei Neugeborenen stattfänden, weshalb
man kaum noch Schädigungen übersehe. Es sei daher nicht notwendig, eine Facharztpflicht für diese
Überprüfung vorzusehen. Gesundheitsminister Alois Stöger sprach sich gegen ein Überfrachten
des Mutter-Kind-Passes aus, zumal man bereits zahlreiche weitere Untersuchungen aufgenommen habe.
Dagmar Belakowitsch-Jenewein meinte, sie nehme die Anregung, den Vorschlag weiterzuleiten, auf, sehe aber, dass
derzeit kein politischer Wille zur Umsetzung vorhanden sei.
Der Entschließungsantrag wurde schließlich mit Stimmenmehrheit abgelehnt.
Etablierung eines Bonussystems im Gesundheitswesen unter Kritik
Für hitzige Diskussion sorgte vor allem jener Antrag des BZÖ, in dem sich Abgeordneter Wolfgang
Spadiut u. a. für die Etablierung eines Bonussystems für Eigeninitiativen im gesundheitlichen Bereich
ausspricht.
Wie Spadiut in seiner Wortmeldung ausführte, sei das von seiner Fraktion geforderte Bonussystem nicht, wie
die Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber (G), Sabine Oberhauser (S) und Erwin Rasinger (V) kritisiert hatten, "zu
weit hergeholt" und unausgegoren, zumal er auch an Bonifikationen für Menschen, die über ein Jahr
keinen Arzt aufgesucht haben, denke.
Gegen diese Ausführungen wandten sich G-Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill, S-Mandatarin Sabine
Oberhauser und V-Abgeordneter Erwin Rasinger. Oberhauser führte aus, dass es "menschenverachtend"
sei, den Arztbesuch zu reglementieren, und ein solches Bonussystem nur bewirke, dass ärmere Menschen keine
medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Abgeordneter Erwin Rasinger meinte, ein solches System widerspreche
allen modernen Präventionsmaßnahmen und sei daher strikt abzulehnen. Seine Fraktionskollegin Anna Höllerer
machte außerdem darauf aufmerksam, dass eine Art Bonussystem im Bereich der Sozialversicherungsträger
bereits existiere. So würde bei erneuten Kuranträgen überprüft, ob die Vorgaben des letzten
Kuraufenthalts eingehalten wurden.
Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) wandte jedoch ein, dass die KritikerInnen über den Inhalt des
Antrags einfach "hinweggelesen" hätten, zumal es darum ginge, dass man rechtzeitiges Handeln belohnen
wolle und nicht den Arztbesuch reglementieren.
Einer Meinung zeigten sich die Abgeordneten und der Bundesminister aber hinsichtlich des hohen Stellenwerts, den
man Präventionsmaßnahmen zuschreiben müsse. G-Mandatar Wolfgang Pirklhuber ging sogar so weit,
die Ausarbeitung eines eigenen Präventionsgesetzes zu fordern. S-Abgeordnete Sabine Oberhauser sah diese Notwendigkeit
nicht, sondern plädierte für das Setzen von Maßnahmen, die langfristig und weit über das Gesundheitsressort
hinaus wirken würden. Bundesminister Stöger wandte sich explizit gegen das geforderte Bonussystem, da
"Armut krank mache und Krankheit arm". Auch hätten Studien gezeigt, dass ein solches System kaum
Wirkung erziele. Auf die eigene Gesundheit zu achten, bringe jedem einen ganz persönlichen Bonus, meinte er.
Der B-Entschließungsantrag blieb damit - wie ein weiterer Antrag des BZÖ betreffend die tarifliche Gleichbehandlung
aller Rehabilitationsleistungen - in der Minderheit.
Diskussion über Burnout-Studie und Opfer sexuellen Missbrauchs
Vor dem Hintergrund eines Entschließungsantrags des BZÖ, in dem die Erstellung einer aktuellen Studie
zum Burnout-Syndrom unter Berücksichtigung einer genderspezifischen Perspektive gefordert wird, entspann sich
eine rege Diskussion im Ausschuss. Während unter allen Fraktionen Einigkeit darüber herrschte, dass das
Phänomen Burnout zunehmend beachtet werden müsse, teilten sich die Meinungen bei der Frage, ob eine neue
Studie in Auftrag gegeben werden solle.
Die Abgeordneten Sabine Oberhauser (S) und Anna Höllerer (V) sprachen sich vielmehr für das Prüfen
und Zusammenfassen des Status-quo aus, da in Österreich und seinen Nachbarländern bereits umfangreiche
Studien zum Thema vorlägen. Oberhauser zufolge müsse man auch beachten, dass MitarbeiterInnen im öffentlichen
Dienst verstärkt von Burnouts betroffen seien. Sie halte es daher für wichtig, ExpertInnen in den Ausschuss
zu laden, um die Notwendigkeit einer neuen Studie zu klären. Diesen Vorschlag begrüßte auch G-Mandatarin
Tanja Windbüchler-Souschill, die sich, wie V-Abgeordnete Claudia Durchschlag, auch ein öffentliches Hearing
vorstellen konnte.
Der Entschließungsantrag wurde daher mit Stimmenmehrheit vertagt.
Abgelehnt wurde hingegen der von Ausschussobfrau Dagmar Belakowitsch-Jenewein eingebrachte Entschließungsantrag.
Geht es nach ihr, so soll es Opfern sexuellen Missbrauchs künftig möglich sein, unverzüglich eine
Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Außerdem spricht sich die F-Mandatarin dafür aus, die Therapiekosten
über den Regressweg von den Tätern einzuheben.
S-Abgeordneter Ewald Sacher bewertete die Zielrichtung des Antrags positiv, doch gebe es diesbezüglich schon
einiges an Regelungen, weshalb es den vorliegenden Antrag nicht brauche. Anders argumentierte G-Abgeordnete Tanja
Windbüchler-Souschill, die darauf hinwies, dass sexueller Missbrauch in Österreich eine Alltäglichkeit
sei und Betroffene zu wenige langfristige Theraphiemöglichkeiten vorfänden.
Bundesminister Alois Stöger verwies auf die Regelungen des Verbrechensopfergesetzes, das auf Fälle sexuellen
Missbrauchs anzuwenden sei.
Der Entschließungsantrag wurde schließlich mit Stimmenmehrheit abgelehnt.
Abgeordnete drängen auf bessere Ausbildung für AllgemeinmedizinerInnen
Einstimmig vom Gesundheitsausschuss angenommen wurde eine gemeinsame Initiative aller fünf Fraktionen,
die unter anderem darauf abzielt, auch AllgemeinmedizinerInnen eine vertiefte Ausbildung in Form eines Additivfaches
zu ermöglichen. Gleichzeitig sehen die Abgeordneten angesichts der demographischen Entwicklung die Einführung
eines Additivfaches Geriatrie als prioritär an. Dieses neue Zusatzfach soll auch für ÄrztInnen der
Fachrichtungen Physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation, Innere Medizin, Neurologie und Psychiatrie
sowie psychotherapeutische Medizin offenstehen.
In der Debatte hob Abgeordnete Gertrude Aubauer (V) die Bedeutung einer besseren Ausbildung der HausärztInnen
im Bereich Geriatrie hervor. Ältere Menschen hätten gerade zu ihrem Hausarzt ein besonders Vertrauen,
skizzierte sie. Auch Abgeordnete Sabine Oberhauser (S) und Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) traten ausdrücklich
dafür ein, AllgemeinmedizinerInnen eine Zusatzqualifikation durch ein Additivfach zu ermöglichen.
Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) sprach den Vorschlag von Wissenschaftsministerin Beatrix Karl an, die Ausbildung
für den Praktischen Arzt in Bezug auf die Turnusausbildung zu reformieren, und äußerte sich dazu
grundsätzlich positiv. Derzeit seien österreichische ÄrztInnen durch die dreijährige Turnusausbildung
benachteiligt, meinte er. Die Schaffung eines Facharzts für Allgemeinmedizin könnte ihm zufolge ein ergänzender
Schritt sein.
Gesundheitsminister Alois Stöger wies auf geplante gesetzliche Änderungen durch die 14. Ärztegesetz-Novelle
hin, deren Begutachtungsfrist demnächst ende.
Basis für die Diskussion im Ausschuss bildeten vier Entschließungsanträge der Opposition, wobei
sich sowohl das BZÖ als auch die Grünen für die Schaffung eines eigenen Lehrstuhls für Geriatrie
aussprachen. Darüber hinaus traten die Grünen dafür ein, in den Fächern Innere Medizin, Neurologie,
Psychiatrie, Physikalische Medizin und Allgemeinmedizin ein Additivfach für Geriatrie zu etablieren und eine
FachärztInnenausbildung für Allgemeinmedizin anzubieten. Die vier Anträge wurden abgelehnt.
FPÖ für transparente Finanzierung der Krankenversicherung
In weiterer Folge wandte sich der Gesundheitsausschuss dem Thema Krankenversicherung zu und verhandelte über
zwei Entschließungsanträge der FPÖ, die auf eine transparente Finanzierung der Krankenversicherung
und eine Reduzierung der Selbstbehalte für zahnmedizinische Behandlungen abzielen, sowie über einen Entschließungsantrag
der Grünen betreffend die soziale Staffelung des Selbstbehalts bei In-vitro-Fertilisationen.
Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) gab zu bedenken, dass laut einem Gutachten, das von der Ärztekammer
in Auftrag gegeben wurde, die Erbringung von versicherungsfremden Leistungen durch die Krankenkassen verfassungswidrig
sei. Es gehe immerhin um 180 Mio. €, skizzierte er. Für Karlsböck ist es nicht nachvollziehbar, dass
die Krankenkassen gegen die ihnen "aufoktroyierten Leistungen" keine Klage beim Verfassungsgerichtshof
einbringen.
Als unsozial wertete Karlsböck die hohen Selbstbehalte für zahnmedizinische Behandlungen. Viele ÖsterreicherInnen
könnten sich diese Selbstbehalte nicht leisten und würden ins Ausland ausweichen, bemängelte er.
Er trat daher dafür ein, die Selbstbehalte zumindest für sozial schwache Gruppen abzuschaffen.
Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) machte auf die hohen Kosten von In-vitro-Fertilisationen aufmerksam.
Der Selbstbehalt pro Versuch liege bei rund 1000 €, schilderte sie und mahnte sozial gestaffelte Selbstbehalte
ein, um auch sozial schwachen Familien die Erfüllung eines Kinderwunsches zu ermöglichen. Abgeordneter
Franz Riepl (S) lehnte dies nicht zuletzt aufgrund hoher Verwaltungskosten ab.
Abgeordneter Oswald Klikovits (V) machte geltend, eine qualitativ hochwertige medizinische Behandlung sei kostenintensiv.
Was die Kostenübernahme von zahnmedizinischen Leistungen durch die Krankenkassen betrifft, arbeitet die Tiroler
Gebietskrankenkasse ihm zufolge an einem neuen Konzept, das seiner Ansicht nach abgewartet werden solle. Er beantragte
daher die Vertagung des BZÖ-Antrags.
Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) hob hervor, dass die Krankenkassen bis zum Antreten der schwarz-blauen Regierung
positiv bilanziert hätten. Die Ausgaben würden aber nicht nur durch aufgebürdete versicherungsfremde
Leistungen, sondern auch durch den medizinischen Fortschritt und die demographische Entwicklung steigen, zudem
gebe es Mindereinnahmen aufgrund der Wirtschaftskrise, unterstrich er. Spindelberger räumte in diesem Sinn
einem Gesamtfinanzierungskonzept Vorrang vor Einzelmaßnahmen ein.
Gesundheitsminister Alois Stöger bekräftigte, die Regierung habe bereits viele Schritte in Bezug auf
die finanzielle Entlastung der Krankenkassen gesetzt. Konkret verwies er auf durchgeführte Entschuldungsmaßnahmen,
die Mehrwertsteuerhalbierung für Medikamente und die Einrichtung eines Kassenstrukturfonds, der ihm zufolge
in Zukunft weiter gestärkt werden soll.
Die Anträge betreffend transparente Finanzierung der Krankenversicherung und betreffend soziale Staffelung
des Selbstbehalts bei In-vitro-Fertilisation wurden vom Ausschuss mehrheitlich abgelehnt, der Antrag betreffend
leistbare zahnmedizinische Behandlungen in Österreich vertagt.
Vom Gesundheitsausschuss abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der Grünen, der auf eine Zusammenführung
der Berufsbilder gewerblicher Masseur und Heilmasseur abzielt.
Rauchverbot in der Gastronomie: Übergangsfrist wird nicht verlängert
Am Tabakgesetz, das Gastronomiebetrieben in Hinkunft ab einer bestimmten Größe getrennte Raucherräume
vorschreibt, will der Gesundheitsausschuss nicht rütteln. Die Abgeordneten lehnten mit breiter Mehrheit einen
entsprechenden Entschließungsantrag der FPÖ ab. Abgeordneter Bernhard Themessl wollte erreichen, dass
die Ende Juni ablaufende Übergangsfrist für den erforderlichen Umbau von Lokalen verlängert wird,
und begründete dies damit, dass sich Investitionen von LokalbetreiberInnen als hinfällig erweisen könnten,
wenn von Seiten der EU ein generelles Rauchverbot vorgeschrieben werde.
Seitens des BZÖ kündigte Abgeordneter Wolfgang Spadiut an, den FPÖ-Antrag zu unterstützen,
auch wenn seine Fraktion generell dafür sei, Gastronomen die Entscheidung, ob sie ein Raucher- oder ein Nichtraucherlokal
führen wollen, selbst zu überlassen.
Abgeordneter Werner Neubauer (F) beklagte, derzeit seien viele "selbsternannte Sittenwächter" unterwegs,
um "harmlose Wirte" anzuzeigen. Er zeigte kein Verständnis für dieses "Denunziantentum".
Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) verwies auf die Position der Grünen und plädierte in
diesem Sinn für ein generelles Rauchverbot in Lokalen. Ein solches ist ihr zufolge Normalität in Europa.
Abgeordneter Dietmar Keck (S) meinte, würden sich die Wirte an das Tabakgesetz halten, gebe es kein "Denunziantentum".
Die Gastronomen hätten zwei Jahre Zeit gehabt, um das Gesetz zu vollziehen, bekräftigte er. Viele seien
einsichtig; wer nicht einsichtig sei, gehöre bestraft.
Abgeordneter Erwin Rasinger (V) hielt fest, ihm als Arzt wäre ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie
am liebsten. Schließlich sei Rauchen Risikofaktor Nummer 1. Für Rasinger ist der mit der Gastronomie
geschlossene Kompromiss aus gesundheitspolitischer Sicht ohnehin "sehr großzügig".
Lebensmittelherkunft: Abgeordnete für besseren "Täuschungsschutz"
Schließlich befasste sich der Gesundheitsausschuss neuerlich mit der Frage von politischen Konsequenzen
aus dem durch ein Quargel-Produkt verursachten Listeriose-Ausbruch. Das BZÖ fordert in zwei Entschließungsanträgen
eine "Nulltoleranz" für Listerien in Lebensmitteln sowie eine verpflichtende Herkunftsbezeichnung
der zentralen Zutaten eines Lebensmittelprodukts.
Abgeordneter Johann Maier (S) hielt den Forderungen des BZÖ entgegen, dass es bei Listerien nie eine "Nulltoleranz"
gegeben habe. Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass im Nationalrat bereits eine Entschließung betreffend
klare Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln gefasst worden sei. Die Koalition brachte dennoch eine neuerliche
Entschließung zu diesem Thema ein, die, wie Abgeordneter Karl Donabauer (V) erläuterte, nicht nur auf
einheitliche EU-Kennzeichnungsregelungen, sondern auch auf einen verbesserten Täuschungsschutz bei der Herkunftskennzeichnung
auf nationaler Ebene abzielt. Donabauer verwies zudem auf eine VerbraucherInneninformations-Verordnung der EU,
die demnächst im Europäischen Parlament zur Diskussion stehe.
Abgeordneter Werner Neubauer (F) forderte eine deutlichere Beschriftung von Lebensmittelprodukten und machte darauf
aufmerksam, dass vor allem sehschwache Menschen Kennzeichnungen oft nicht entziffern könnten. Dieser Kritik
schloss sich auch Abgeordneter Maier an, ihm zufolge wehrt sich die Lebensmittelindustrie aber vehement gegen größere
Schrifttypen.
Abgeordneter Herbert Scheibner (B) betonte, eine klare Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln wäre auch
im Interesse der österreichischen Wirtschaft und Landwirtschaft. Es gebe viele kleine ProduzentInnen, die
auf österreichische Qualität setzten, konstatierte er. Sowohl Scheibner als auch sein Fraktionskollege
Wolfgang Spadiut drängten auf eine "Nulltoleranz" bei Listerien in Lebensmitteln, man müsse,
so Scheibner, "Lehren aus dem Desaster ziehen".
Gesundheitsminister Alois Stöger nahm auf Anfrage von Abgeordnetem Werner Neubauer (F) zum Auftauchen eines
listerienverseuchten Fischprodukts Stellung und wies darauf hin, dass das Haltbarkeitsdatum des Produkts bereits
abgelaufen gewesen sei.
Die von der Koalition eingebrachte Entschließung wurde einstimmig angenommen, die beiden BZÖ-Anträge
abgelehnt. |